Im Gastblog präsentieren Antonia Roither, Amila Širbegović und Sarah Zeller ein Wohnprojekt, das sich auf die verschiedensten Lebensrealitäten beim Wohnen mit Kindern spezialisiert.

Stadt entsteht nicht von selbst, vor allem nicht eine gute Stadt. Daran arbeiten viele Personen in unterschiedlichen Bereichen jeden Tag. Sozial gerechte Chancen waren im roten Wien und sind bis heute Antriebsmotor der Wiener Wohnbaupolitik. Damit Wohnen als Grundbedarf auch in ökonomisch und sozial prekären Situationen mit hoher Qualität bereit gestellt werden kann, arbeiten Akteurinnen und Akteure wie Sarah Zeller, Gründerin und Leiterin von Juno, mit Planerinnen, Planern und Bauträgern zusammen.

Getrennt Erziehend auf Wohnungssuche

Juno ist ein Zentrum für Getrennt- und Alleinerziehende und wurde im April 2015 gegründet. Es ist ein Ort der Begleitung und Beratung, Begegnung und Vernetzung für alle getrenntlebenden Mütter und Väter. "Für alle" bedeutet, dass es unabhängig von Herkunft, Sprache oder Religion ist. Neben den angebotenen Beratungstätigkeiten und Workshops arbeitet der Verein sehr viel im Bereich des Wohnens. Zur Gründung kam es aus eigenem Bedarf heraus. "Ich war ja selbst getrennt Erziehende und wollte mit einer Freundin in der gleichen Situation zusammenziehen", erinnert sich Sarah Zeller. Sehr schnell haben sie erkannt, dass es in ihrer damaligen finanziellen Situation keine leistbare Wohnung am privaten Markt gab.

Sie entdeckten den geförderten Wohnbau als Thema, woraus sich schon das erste Wohnprojekt ergab. Damals planten sie noch Wohngemeinschaften. Seitdem haben sich zahlreiche Kooperationen mit den Bauträgern im Rahmen des geförderten Wohnbaus ergeben. Juno ist schon in der Projektentwicklung dabei, sie unterstützen bei den Grundrissen und der sozialen Nachhaltigkeit um die Wohnungen herum. Sie bleiben auch in der Besiedelungsphase dran, um frisch Eingezogene vor Ort eine Zeit lang zu unterstützen. "Ins Tun kommen gibt oft viel Kraft!",  betont Sarah Zeller, wenn sie erzählt, wie breit ihr Tätigkeitsfeld geworden ist und alleine aus dem Eigenbedarf entstanden ist.

Gemeinsam wohnen

Rechtlich ist es gar nicht so einfach, Wohngemeinschaften im geförderten Wohnbau zu gründen: es braucht oft einen Verein als Trägerorganisation, was aus dem Wohnbauförderungsgesetz und dem Mietrechtsgesetz kommt. Gleichzeitig mussten die Bauträger, Architektinnen und Architekten ebenfalls lernen, welche Bedürfnisse allein- und getrennterziehende Personen haben, was können sie sich leisten, welche Infrastruktur brauchen sie im Wohnhaus und ebenfalls im Stadtteil. Sarah Zeller und ihre Kolleginnen gelten mittlerweile als Expertinnen für Wohnen für Alleinerziehende, es liegen Kooperationen mit vielen unterschiedlichen Bauträgern und zahlreiche gewonnene Bauträgerwettbewerbe hinter ihnen.

Die Gruppe der Alleinerziehenden ist vielfältig wie der Rest unserer Gesellschaft, deswegen sind auch die Bedürfnisse und die Möglichkeiten sehr unterschiedlich und dementsprechend auch die Lösungen und neue Wohnprojekte, die in den letzten acht Jahren entstanden sind. Der Verein Juno hat bisher zwanzig Projekte begleitet, manche sind schon besiedelt, andere befinden sich derzeit in Bau und manche sind noch in Planung. "Es war Glück und Zufall, das richtige Thema zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu bringen" erklärt Sarah Zeller und führt weiter aus, dass es auch geholfen hat, dass wir in Wien eine Stadträtin für Wohnen und Frauen haben, die das Thema in den Vordergrund gestellt hat. "Aber auch meine Starrköpfigkeit hat es weitergetragen!" ergänzt sie dazu.

Kleiner, aber feiner

Eins der Lieblingsprojekte von Sarah Zeller ist immer noch das schon realisierte und 2019 bezogene Projekt LEO.part in Neu Leopoldau, das in Kooperation mit der gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft Heimbau entstanden ist. Es war das erste Wohnprojekt, wo sie statt Wohngemeinschaften individuelle Wohnungen für Alleinerziehende entwickelt haben. Gemeinsam mit dem Architekturbüro ss|plus haben sie mutige Grundrisse entwickelt, die alleinerziehenden-tauglich sind. Im Vordergrund stand die Idee, dass es getrennte Schlafzimmer für Erziehende und Kinder gibt, die aber die Kosten nicht in die Höhe treiben. So hat die kleinste Dreizimmerwohnung 57 Quadratmeter, jede Person hat ein Schlafzimmer und die Wohnkosten halten sich im Rahmen des Leistbaren.

Foto: Eva Kelety
Foto: IBA Wien
Foto: Next Shot Photography
Foto: Wizke
Foto: IBA Wien

Ohne die Zusammenarbeit aller wäre so ein Projekt nicht möglich gewesen. Sowohl Architektinnen, Architekten als auch der Bauträger mussten sich trauen, so etwas auszuprobieren. Zu den sinvooll geschnittenen kleinen Wohnungen gibt es große Gemeinschaftsräume, um die die Wohnungen geclustert sind, was den sozialen Austausch fördert. Zum Projekt ist im Rahmen der IBA_Wien eine Studie von der Caritas entstanden, welche die Zufriedenheit und die Herausforderungen der Bewohnerinnen von LEO.part widerspiegelt und andere Projekte und Lösungsansätze vergleicht. "Mit der Gruppe sind wir bis heute in gutem Austausch. Es hat sehr viel, sehr gut in LEO.part funktioniert", erzählt Sarah Zeller zufrieden. Mittlerweile planen sie beides: die Cluster oder sogenannte Wohnungsverbünde und verteilte Einzelwohnungen. Denn Alleinerziehende sind wie alle anderen: manche bevorzugen die Nähe, andere wiederum nicht.

Sarah Zeller stellt sich gerne Wien viel grüner und verkehrsberuhigter vor. Aber auch gleichberechtigter für alle. Für sie war die Trennung vom Kindesvater ausschlaggebend, um sich dem Thema Wohnen zu nähern. Gleichzeitig betont sie: "Ohne die Beteiligung des Vaters bei der Care-Arbeit hätte es weder Juno noch die vielen Wohnprojekte geben können. Es braucht eine gerecht verteilte Care-Arbeit zwischen den Eltern, damit wir endlich zu mehr Gleichberechtigung im Alltag kommen!" (Antonia Roither, Amila Širbegović, Sarah Zeller, 23.6.2023)