Die Titan.
Am Donnerstagabend (mitteleuropäische Zeit) wurden fünf große Trümmerteile der Titan am Meeresboden gefunden.
AP/ OceanGate Expeditions

Boston / St. John's / London – Nach tagelanger fieberhafter Suche nach dem im Nordatlantik verschollenen Tauchboot Titan mit fünf Menschen an Bord herrscht traurige Gewissheit: Die US-Küstenwache erklärte am Donnerstag nach dem Fund von Trümmerteilen nahe dem Wrack der Titanic, das private Tauchboot sei durch eine "katastrophale Implosion" zerstört worden. Demnach kamen alle fünf Menschen an Bord der Titan ums Leben. Die US Navy hat Implosionsgeräusche laut einem Bericht bereits am Sonntag registriert.

VIDEO: Alle fünf Insassen von U-Boot nach Implosion nahe "Titanic" tot
AFP

Admiral John Mauger von der US-Küstenwache sprach bei einer Pressekonferenz in Boston vom "katastrophalen Verlust" des Mini-Tauchboots. "Ich spreche den Familien mein tief empfundenes Beileid aus", fügte der regionale Leiter der Küstenwache hinzu. Nach Tagen der Ungewissheit für die Familien verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, "dass diese Entdeckung ihnen in dieser schwierigen Zeit etwas Trost bietet".

Fünf Tote

Kurz zuvor hatte die Betreiberfirma Oceangate Expeditions erklärt, sie gehe vom Tod der Insassen der Titan aus. An Bord des Mini-Tauchboots befanden sich der Chef von Oceangate Expeditions, Stockton Rush, der britische Unternehmer und Abenteurer Hamish Harding, der britisch-pakistanische Geschäftsmann Shahzada Dawood und sein 19-jähriger Sohn Suleman sowie der französische Titanic-Experte Paul-Henri Nargeolet.

Die Titan war am Sonntag zu einer touristischen Tauchfahrt zum in rund 3.800 Metern Tiefe liegenden Wrack der 1912 gesunkenen Titanic aufgebrochen. Nach eindreiviertel Stunden brach der Kontakt zum Begleitschiff ab, von dem etwa 6,5 Meter langen Tauchboot fehlte seitdem jede Spur.

John Mauger
Der Sprecher der US-Küstenwache erklärte am Donnerstag, dass die gefundenen Trümmerteile zur Titan gehören.
AP/Steven Senne

US-Navy könnte Implosion bereits am Sonntag gehört haben

Wie zuerst das "Wall Street Journal" berichtete, dürfte allerdings ein akustisches Unterwassererkennungssystem der Navy die Implosion bereits am Sonntag registriert haben. "Die US-Marine führte eine Analyse der akustischen Daten durch und entdeckte eine Anomalie, die auf eine Implosion oder Explosion in der allgemeinen Umgebung des Einsatzorts des Titan-Tauchboots zurückzuführen war, als die Kommunikation unterbrochen wurde", sagte ein Sprecher dem Sender ABC. Eine Implosion ist die Zerstörung eines Hohlkörpers durch äußeren Druck und damit das Gegenteil einer Explosion.

Am Donnerstag gab die US-Küstenwache dann den Fund eines "Trümmerfelds" nahe des Wracks der Titanic bekannt. Sie bestätigte nun, dass es sich dabei um Trümmer der Titan handelte. Die Trümmer lagen rund 500 Meter vom Wrack der Titanic entfernt auf dem Meeresboden.

Einsatzkräfte hatten in den vergangenen Tagen aus der Luft und mit Schiffen unter Hochdruck nach der Titan gesucht. Es bestand die Hoffnung, dass das Tauchboot trotz des enormen Wasserdrucks in den Tiefen des Ozeans unbeschädigt sein könnte und die Insassen noch leben könnten.

Allerdings war von Anfang an klar, dass für eine Suche nur wenig Zeit bleibt. Auch wenn das Tauchboot noch intakt gewesen wäre, der Sauerstoffvorrat hätte nur für 96 Stunden ausgereicht. Theoretisch wäre der Sauerstoff damit im Verlauf des Donnerstags ausgegangen.

Insassen starben laut Expertin "schmerzlosen Tod"

Die Insassen des Tauchboots haben Experten zufolge von der Implosion nichts mehr mitbekommen. Der Druck auf das Tauchboot sei in so großer Tiefe massiv gewesen – die Implosion sei im Bruchteil einer Millisekunde passiert, zitierte CNN am Freitag Ex-Marineoffizierin Aileen Marty, eine Professorin für Katastrophenmedizin. Das menschliche Gehirn könne die Lage so schnell gar nicht erfassen. "Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab", betonte Marty.

Die Insassen der Titan seien auf eine Art und Weise gestorben, bei der sie nicht einmal gewusst hätten, dass sie sterben würden, erklärte Marty. "Letztlich ist dies mit Blick auf die vielen Möglichkeiten, auf die wir sterben können, schmerzlos."

Herkunft der Klopfgeräusche unklar

Zwischenzeitlich hatte die Ortung von Unterwasser-Klopfgeräuschen für neue Hoffnung gesorgt. Es blieb aber unklar, woher die ab Dienstag registrierten Geräusche kamen.

Für den Rettungseinsatz war eine Reihe von Schiffen mit Tauchrobotern und weiterem Spezialgerät in das riesige Suchgebiet geeilt, das knapp 650 Kilometer vor der Küste der kanadischen Provinz Neufundland liegt. Zuletzt befanden sich neun Schiffe in der Region.

Der Tod der fünf Insassen des Mini-U-Bootes sorgte für bestürzte Reaktionen. US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas sprach den Angehörigen sein Beileid aus und dankte der US-Küstenwache und den an der Suche beteiligten Partnern für ihren Einsatz. Der britische Außenminister James Cleverly sprach auf Twitter von "tragischen Neuigkeiten" und sprach den Angehörigen der Toten ebenfalls sein Beileid aus.

Die Betreiberfirma Oceangate teilte mit, die fünf Männer an Bord seien "echte Forschungsreisende" gewesen, mit "speziellem Abenteuergeist und einer tiefen Leidenschaft für die Erforschung und den Schutz der Meere der Welt". Man trauere und sei mit den Herzen bei den Angehörigen, hieß es weiter. Auch für die Mitarbeiter sei es eine "extrem traurige Zeit".

Hinterbliebene äußern "tiefe Trauer"

Mittlerweile haben sich auch die Familien von Insassen der Titan in Pakistan und Großbritannien zu Wort gemeldet. "Mit tiefer Trauer geben wir den Tod von Shahzada und Suleman Dawood bekannt", erklärte die pakistanische Dawood-Stiftung am Freitag. "Wir sprechen den Familien der anderen Passagiere des Titan-Tauchboots unser tiefempfundenes Beileid aus", hieß es in der Erklärung von Shahzadas Eltern Hussain und Kulsum Dawood.

"Wir sind allen an den Rettungsaktionen Beteiligten sehr dankbar", schrieben die Dawoods in der Erklärung der Familienstiftung. "Ihr unermüdlicher Einsatz war für uns in dieser Zeit eine Quelle der Kraft." Shahzada Dawood stammte aus Pakistan, lebte aber mit seiner Frau Christine, dem Sohn Suleman und der Tochter Alina in Großbritannien.

An Bord der Titan befand sich auch der britische Unternehmer und Abenteurer Hamish Harding. Hardings Familie und seine Firma Action Aviation erklärten, sie fühlten sich in ihrer Trauer mit den anderen Familien verbunden, "die ebenfalls ihre Angehörigen in dem Titan-Tauchboot verloren haben". Der 58-jährige Harding sei ein "leidenschaftlicher Entdecker" gewesen, "der sein Leben für seine Familie, seine Firma und das nächste Abenteuer gelebt hat". (APA, red, 23.6.2023)