Die Sache dürfte sich noch weiter in die Länge ziehen. Anfang Juni fand am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien eine weitere Verhandlung im Fall Minna statt, ein Ende ist nicht in Sicht. Und zwar obwohl die Richterin Vergleichsgespräche anregte und die Kläger und die Beklagten sogleich zeitnahe Termine dafür ins Auge fassten. Daraus wird nun aber so schnell nichts: Die Donauversicherung beziehungsweise ihre zuständigen Mitarbeiter aus der Schadensabteilung und ihr Anwalt Herbert Salficky haben Zeitprobleme und können erst am 16. August am Verhandlungstisch Platz nehmen.

Rot-gelber Wegweiser zu einer Spitalsambulanz und einem Kreißsaal
Seit mehr als drei Jahrenprozessieren die Eltern der seit ihrer Geburt 2018 schwerstbehinderten Minna mit der Versicherung des Geburtshelfers.
imago/Lars Berg

Worum es in der Causa geht: Minna ist seit ihrer Geburt am 17. August 2018 in der Wiener Privatklinik Döbling schwerstbehindert. Sie und ihre Eltern haben den Geburtshelfer und dessen Haftpflichtversicherer, die VIG-Tochter Donauversicherung, geklagt. Minna, die in Pflegestufe sieben eingestuft ist und laut Expertise eines Gerichtsgutachters "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das 25. Lebensjahr nicht erreichen wird", soll abgesichert werden: Es geht um Pflege- und andere Kosten sowie um Rentenzahlungen.

Arzt bestreitet Kunstfehler

Laut einem Gutachter hat der beklagte Gynäkologe einen Kunstfehler begangen, was er bestreitet: Die Gebärende habe mit den Worten "keine Sectio" den von ihm während der Geburt angeratenen Kaiserschnitt abgelehnt. Die Eltern Minnas bestreiten, dass der Arzt überhaupt dazu geraten habe, und vor Gericht traten keine Zeuginnen auf, die die Worte "keine Sectio" von der Mutter gehört hätten. Minna musste nach der Entbindung wiederbelebt werden, sie wird nie gesund werden.

Die Donauversicherung, die als Haftpflichtversicherer des Arztes für bis zu fünf Millionen Euro geradesteht und der Familie ein Akonto von 500.000 Euro geleistet hat, geht davon aus, dass Minna rund 81 Jahre alt werden wird. Auf dieser statistischen Lebenserwartung baut sie ihre Berechnungen auf und argumentiert, dass die eingeklagten Forderungen zu einem sogenannten Deckungskonkurs führen könnten. Bedeutet: Die Haftpflichtversicherungssumme von fünf Millionen Euro würde nicht reichen, der Arzt müsste mitzahlen. Was er verhindern will.

Man sei sich der Situation der Familie bewusst, habe seit jeher großes Interesse an einem Vergleich gehabt, müsse sich aber an die Vorschriften und Gesetze halten, heißt es vonseiten der Versicherung sinngemäß. Das Gerichtsverfahren läuft seit Februar 2020.

Richterin empfiehlt Vergleichsgespräche

In der Verhandlung am 6. Juni sollte es um einen neuen Verteilungsplan gehen, also eine Kalkulation des Versicherers, von welchen Maximalbeträgen er für den Versicherungsfall ausgeht; dabei geht es auch um Rückstellungen, die er dafür treffen muss.  Rechtsanwalt Salficky hat diesen Verteilungsplan aber erst rund eine Stunde vor Verhandlungsbeginn eingebracht, weil "so lange gerechnet wurde", wie der Anwalt erklärte. Mangels Vorbereitungszeit konnten die anderen Anwältinnen und Anwälte daher auch nicht näher darauf eingehen, was auch die Richterin zu stören schien.

Dann wurde einmal mehr über die Pflegekosten und den Pflegeaufwand diskutiert, was die Richterin mit einem "So wie bisher kann ich nicht weitertun" quittierte. Sie stellte in den Raum, dass man möglicherweise ein Gutachten dazu beauftragen müsste (was wieder dauern würde), und riet dann eben zu einem außergerichtlichen runden Tisch, um die Sache außergerichtlich voranzutreiben.

Anwalt Salficky blieb dabei, dass es bei einem 24-Stunden-Pflegeaufwand für Minna "immer zu einem Deckungskonkurs kommt, wenn man es wie Sie rechnet", wie er die Anwältin der Familie, Astrid Hartmann, wissen ließ.

Was diese im Gespräch mit dem STANDARD zurückweist: Gehe man von einer Lebenserwartung von 81 Jahren aus, komme es auch dann zu einem Deckungskonkurs, wenn man die Pflegekosten für Minna bei null ansetze. Gehe man jedoch von der "tatsächlichen Lebenserwartung" von 20 bis 25 Jahren aus, werde die Deckungssumme durchaus reichen. Man drehe sich im Kreis, kritisiert sie sinngemäß, die Situation, in die die Familie geraten sei, sei "kafkaesk". 

"Wie viele Kinder gibt's da wirklich?"

Vor Gericht hat der Anwalt der Donauversicherung weitere Fragen an die Eltern in den Raum gestellt, um seine Berechnungen, was die Pflege Minnas kosten würde, konkretisieren zu können. Etwa eine zur Familiensituation: "Wie viele Kinder gibt's da wirklich?", wollte er wissen, oder "Wie ist der Haushalt organisiert?" und ob die Mutter einer Berufstätigkeit nachgehe, wie es in einem Schriftsatz heißt. Fragen, die den Vater Minnas bei Gericht sichtbar irritierten. Minna hat einen kleinen Bruder. Nach längerem Hin und Her einigten sich alle unter Konsultierung ihrer Terminkalender auf ein möglichst baldiges außergerichtliches Treffen.

Daraus wurden letztlich zehn Wochen, was der Rechtsanwalt der Donauversicherung so begründete: "Meine Mandantschaft möchte die Besprechung, die auch sie für sinnvoll erachtet, keinesfalls verzögern. Um aber realistischerweise bei der Besprechung mögliche Ergebnisse zu erzielen, muss die Besprechung auch vorbereitet werden."

Minnas Vater zum STANDARD: "Das einzig wirklich Belastende am Leben mit Minna ist die ständige Auseinandersetzung mit der Versicherung. Sie schlägt ständig Haken, offenbar um Geld zu sparen." Dies kann die Donauversicherung laut einem Sprecher "nicht nachvollziehen", man müsse für eine Lösung die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, und Leistungen könnten nur auf Basis objektivierter Tatsachen erfolgen. Eine einfache, rasche Lösung werde "durch die Vielzahl der beteiligten Parteien und juristischen Fragenstellungen" erschwert.

Frühestens Mitte August geht es also weiter, danach wird wohl wieder das Gericht am Zug sein. Minna muss warten. (Renate Graber, 3.7.2023)