Jemand hält frisch geerntetes Gemüse - Karotten und rote Rüben.
Nachhaltig sollen Lebensmittel sein, gesund und biologisch. Dass das auch Geld kostet, schmeckt vielen Konsumenten aber nicht. Den Aufschlag dafür wollen viele nicht bezahlen.
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In den vergangenen Jahrzehnten hat die Industrie viele Produkte erfunden, die unser Leben leichter gemacht haben. Nun wird immer öfter festgestellt, wie schädlich viele dieser Produkte für die Umwelt und damit auch für das Klima sind. Plastiksackerln, die ewig nicht verrotten, wurden beispielsweise in vielen Ländern verboten. Auch Strohhalme aus Plastik gehören vielerorts der Vergangenheit an. Viel debattiert wird über Verpackungen von Lebensmitteln und über deren Herstellung. Mit dem steigenden Bewusstsein der Konsumenten für Umweltschutz steigt zumindest auch der Wunsch der Verbraucher nach umweltfreundlichen Produkten. 

Nach Angaben des NYU Stern Center for Sustainable Business wuchsen in der Zeit von 2015 bis 2021 die Verkäufe jener Produkte, die als nachhaltig vermarktet wurden, 2,7-mal schneller als die von herkömmlich vermarkteten Produkten. Im Jahr 2022 hatten als nachhaltig vermarktete Produkte einen Marktanteil von 17 Prozent, ein Plus von 3,3 Prozent seit 2015.

In der Kategorie Lebensmittel setzen die Verbraucher die meisten nachhaltigen Maßnahmen um und übertreffen damit andere Kategorien wie Kleidung und Hautpflegeprodukte. Aber es gibt eine Diskrepanz: Weltweit geben fast 80 Prozent der Verbraucher an, dass sie bei ihren täglichen Entscheidungen bezüglich Lebensmittel auf Nachhaltigkeit achten, aber nur zehn Prozent kaufen dann tatsächlich nachhaltige Lebensmittel ein. Das ergibt die Studie "Whetting Consumers' Appetite for Sustainable Foods" der Boston Consulting Group (BCG). Für die Erhebung wurden mehr als 2.500 Verbraucher in acht Ländern zum Thema Lebensmittel befragt: USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, China, Indien und Brasilien.

Zu teuer, zu wenig Angebot

Ein Haupthindernis für den verstärkten Griff zu nachhaltigen Produkten ist der Preis. 48 Prozent der Befragten gaben die Erschwinglichkeit als Haupthindernis an, 46 Prozent bemängeln die Zugänglichkeit. Beim Preis nachhaltiger Lebensmittel zeigt sich eine interessante Diskrepanz: Die Verbraucher, die normalerweise keine nachhaltigen Lebensmittel kaufen, erwarten, dass diese um fünf Prozent teurer sind, als sie tatsächlich sind, während die Verbraucher, die sie normalerweise kaufen, sie um vier Prozent billiger finden.

Den Aufpreis für nachhaltige Lebensmittel zu bezahlen sind noch weniger als zehn Prozent der Befragten bereit. Im Gegensatz dazu priorisieren 55 Prozent der Befragten andere Attribute, die sie stark mit Nachhaltigkeit verbinden – etwa Gesundheit, hohe Qualität und Nährwert.

Zwischen Sagen und Tun zeigen sich auch große regionale Unterschiede: Fast 65 Prozent der Verbraucher in den USA geben an, dass sie bei ihren täglichen Entscheidungen über Lebensmittel auf Nachhaltigkeit achten, aber weniger als 20 Prozent kaufen tatsächlich nachhaltige Lebensmittel. In Europa sind rund 80 Prozent der Europäer besorgt und etwa 30 Prozent setzen diese Besorgnis in die Tat um.

Vier Kategorien von Betroffenheit

Um die Konsumenten, ihre Wünsche und Hindernisse besser zu verstehen, hat BCG die Befragten in vier Kategorien eingeteilt:

Betroffene: Das sind Verbraucher, die bei ihren täglichen Lebensmittelentscheidungen Wert auf Nachhaltigkeit legen. 77 Prozent der Befragten passen in diese Gruppe.

Adoptierer: Dazu gehören jene Konsumenten, die nachhaltige Verhaltensweisen – wie den Kauf von Lebensmitteln direkt beim Landwirt (obwohl es sich nicht unbedingt um nachhaltige Lebensmittel handelt) – annehmen und leere Lebensmittelbehälter zumindest teilweise recyceln. In diese Gruppe gehören 63 Prozent der Befragten.

Handelnde: In diese Gruppe fallen jene Verbraucher, die ihren Nachhaltigkeitsbedenken auch Taten folgen lassen, indem sie ein nachhaltiges Verhalten an den Tag legen – beispielsweise indem sie nachhaltige Lebensmittel kaufen oder die Lebensmittelmengen begrenzen, um Abfall zu vermeiden. 20 Prozent der Befragten zählt der BCG-Bericht zu dieser Kategorie. Damit weist die Kategorie Lebensmittel den höchsten Anteil an Befragten auf, die ihren Nachhaltigkeitsanliegen durch den Kauf nachhaltiger Produkte Rechnung tragen.

Prämienzahler: In diese Gruppe fallen jene Verbraucher, die bereit sind, einen höheren Preis für nachhaltige Lebensmittel zu zahlen. Eine sehr kleine Zahl der Befragten – vier Prozent – zahlte beim letzten Kauf nachhaltiger Lebensmittel einen Aufschlag.

Daraus lässt sich laut BCG schließen, dass im Verhältnis viel mehr Befragte Wert auf nachhaltige Lebensmittel legen, als sie tatsächlich kaufen, insbesondere zu einem höheren Preis.

Viele Herausforderungen

Für Unternehmen ist es nicht einfach, die Wünsche der Konsumenten zu erfüllen bzw. die Kluft zwischen Wollen und Tun zu schließen. Um die Kernkäufer (zehn Prozent) zu ermutigen, noch mehr nachhaltige Lebensmittel zu kaufen, empfehlen die BCG-Experten, den Markenschwerpunkt auf die Themen zu verlagern, die für diese Zielgruppe die Entscheidungsgrundlage sind. Um aus der Gruppe derer, die andere Merkmale priorisieren (55 Prozent), mehr Menschen anzusprechen, sollten die Produkte auch diese Kriterien erfüllen. Händler sollten also die Eigenschaften hervorheben, die Verbraucher sowohl schätzen als auch mit Nachhaltigkeit in Verbindung bringen – also Merkmale wie "gesund", "qualitativ hochwertig" und "sättigend oder nahrhaft" stärker hervorheben und Produkte nicht einfach nur als "nachhaltig" bezeichnen.

Zudem sollten Unternehmen jene Hürden beseitigen, die die 55 Prozent davon abhalten, nachhaltige Lebensmittel zu kaufen. "Das bedeutet, dass mach sich mit der Frage der Erschwinglichkeit befassen muss", heißt es in dem BCG-Bericht. Kein leichtes Unterfangen in Zeiten von Inflation und Teuerung. (Bettina Pfluger, 27.6.2023)