Nur wenige Fleischfresser der Erdgeschichte können sich mit Otodus megalodon messen. Der riesige Hai schwamm ab dem Miozän vor etwa 23 Millionen an der Spitze der marinen Nahrungskette und machte vermutlich Jagd auf Wale. Wie lang Megalodon tatsächlich wurde, ist umstritten; immerhin blieben von den Knorpelskeletten der riesigen Haie meist nur handtellergroße Zähne und einige wenige Wirbel übrig. Eine errechnete Größenordnung von maximal 15 bis 20 Meter gilt in der Fachwelt jedenfalls als plausibel.

Dass Größe nicht unbedingt ein Erfolgsrezept sein muss, verdeutlicht die vergleichsweise kurze Existenz dieser Spezies: Megalodon dürfte kaum mehr als zehn Millionen Jahre der Schrecken der Meere gewesen sein, vor rund drei Millionen Jahren verschwand der große Fisch wieder von der Bildfläche. Die Ursachen für sein Aussterben werden noch diskutiert, aber einige Studien kamen zu dem Schluss, dass dem Megalodon seine Hauptnahrung abhandenkam.

Megalodon jagt Wale
Hauptsächlich dürfte der größte Hai aller Zeiten Jagd auf Wale und andere Meeressäuger gemacht haben.
Illustr.: AP/J. J. Giraldo

Warmes Blut

Eine Rolle könnte dabei auch der spezielle Metabolismus von Megalodon gespielt haben, denn der Hai hat seine Körpertemperatur offenbar selbst reguliert, wie ein internationales Forschungsteam nun wiederum anhand von Zähnen entschlüsseln konnte. Die gegenüber modernen Haien deutlich höhere Körpertemperatur hatte zwar ihre Vorteile, doch durch den entsprechend erhöhten Energiebedarf könnte sich Megalodon letztlich als evolutionäre Sackgasse erwiesen haben.

Konkret dürfte der Megalodon mesotherm gewesen sein, eine Eigenschaft, die er mit einigen rezenten Haiarten, darunter auch dem Weißen Hai (Carcharodon carcharias), teilt. Es bedeutet, dass er metabolisch gewonnene Wärme konservieren und die Temperatur bestimmter Gewebearten wie Muskeln, Augen oder Gehirn gegenüber der äußere Umgebung erhöhen kann. Das vergrößert zwar nicht die Zonen, in denen sich der Hai wohlfühlt, kann ihn aber schneller machen.

Dass Megalodon mesotherm war, schloss ein Team um Kenshu Shimada von der DePaul University in Chicago aus der Zusammensetzung verschiedener Isotope in fossilen Megalodon-Zähnen. "Die Temperatur, bei der sich biologisch mineralisiertes Gewebe wie Zähne bildet, kann am Grad der Bindung oder Verklumpung dieser Isotope abgelesen werden", erklärte Shimada.

27 Grad Celsius

Die geochemischen Techniken wurden bereits früher eingesetzt, um beispielsweise die Warmblütigkeit von Dinosauriern zu untersuchen. Nun zeigte sich, dass die Methode auch auf marine Wirbeltiere wie Haie angewandt werden kann, meinen die Wissenschafter. Die im Fachjournal "Pnas" erschienene Studie ergab, dass die durchschnittliche Körpertemperatur des Megalodons bei etwa 27 Grad Celsius lag. Zum Vergleich: Heutige Haie mit Mesothermie erreichen eine durchschnittliche Körpertemperatur zwischen 22 und 26,6 Grad Celsius.

Zahn aus dem Oberkiefer eines Megalodons (rechts) im Vergleich zum Zahn eines Weißen Hais.
Foto: Harry Maisch / Florida Gulf Coast University

Was hatte der Riesenhai allerdings von seiner erhöhten Körpertemperatur? Vermutlich ergaben sich mehrere Vorteile, schreiben die Forschenden: "Warmblütigkeit ist profitabel, weil sie einem Tier einen aktiveren Lebensstil ermöglicht, etwa die Fähigkeit, lange Strecken zurückzulegen oder sehr schnell zu schwimmen", sagte Shimada. "Heutige warmblütige Haie wie Mako- und Weiße Haie können im Vergleich zu ihren kaltblütigen Artgenossen nicht nur schnell schwimmen, sondern ihr hoher Wärmestoffwechsel erleichtert auch die Nahrungsverdauung." Vielleicht spielte die Mesothermie auch eine Rolle beim enormen Größenwachstum dieser Art.

Die Schattenseiten der Mesothermie

Freilich hatte die Mesothermie auch Schattenseiten, die sich für Megalodon vielleicht sogar als fatal erwiesen haben: Der Zeitpunkt des Verschwindens von Megalodon im fossilen Befund deckt sich weitgehend mit einer gewissen klimatischen Abkühlung der Erde. Zunächst dürfte die höhere Körpertemperatur Megalodon noch eine Hilfe gewesen sein, in den kühler werdenden Gewässern zu überleben. "Doch Warmblütigkeit erfordert eine konstant hohe Nahrungsaufnahme, um einen hohen Stoffwechsel aufrechtzuerhalten", sagte Shimada.

Es sei daher durchaus möglich, dass es durch die klimatische Abkühlung zu ökologischen Verschiebung gekommen sei. Das könnte die Populationen jener Beutetiere, auf die Megalodon angewiesen war, über ein entscheidendes Maß hinaus reduziert haben: Dem urzeitlichen "König der Haie" ging letztlich wohl das Futter aus. (Thomas Bergmayr, 27.6.2023)