Raketenstart SpaceX Starlink
Im Mai sind weitere Satelliten mit der Rakete Falcon 9 ins All gestartet, um die Satellitenflotte Starlink zu erweitern. Das Weltraumunternehmen Space X von Tesla-Chef Elon Musk betreibt das größte derartige Satellitennetzwerk.
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Ein Kampfjet im ohrenbetäubenden Tiefflug, dann ein schwerer Airliner, der in engen Schlingen über die Köpfe hinwegbraust: Im Luftraum über dem Pariser Flughafen Le Bourget ist an diesem Tag viel los. Die Paris Air Show ist voll im Gang. Am Boden schieben sich Menschenmassen durch Hallen, die mit neuartigen Passagierdrohnen, Flugzeugtriebwerken und sogar Luftschiffen vollgestellt sind. Inmitten des Messerummels ragt eine Ariane-Rakete von Europas Raumfahrtagentur Esa in die Höhe – ein sichtbares Zeichen, dass auch die Raumfahrt zum wichtigen Marktfaktor geworden ist.

Bei der Paris Air Show wurde vergangene Woche die Zukunft der europäischen Luft- und Raumfahrt diskutiert. Nicht zuletzt der Ukrainekrieg ließ Europa die Dringlichkeit eines Ausbaus erkennen.
APA/AFP/CHRISTOPHE ARCHAMBAULT

Der Sektor ist in den letzten Jahren stark in Bewegung geraten. Die Europäische Weltraumorganisation Esa konnte 2022 ein Rekorddreijahresbudget abschließen, 2023 stehen gut sieben Milliarden Euro zur Verfügung. Die in der Endphase befindliche Entwicklung der Ariane-6-Rakete bringt ein neues, flexibles Vehikel für Transporte in den Orbit. Erste Flüge, etwa für Internetsatelliten des Techkonzerns Amazon, sind bereits gebucht. Der aus Tirol stammende Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher wirbt sogar für eine künftige astronautische Raumfahrt in Europa. Unmittelbar sind jedoch die größten Hoffnungen mit der geplanten Satellitenkonstellation Iris2 verbunden, die mittels hunderter Kleinsatelliten eine sichere Kommunikation für institutionelle und private Nutzerkreise in Europa bieten und dabei fortschrittliche Technologien bis hin zu Quantenkryptografie mitbringen soll.

Autonomiebestrebung

Vor drei Jahren wäre das Projekt in dieser Form undenkbar gewesen, ist von Esa-Managern zu hören. Rückenwind ist durch Russlands Aggression in der Ukraine entstanden. Im Kriegsgebiet ist nach der Zerstörung von Mobilfunkinfrastruktur das US-Unternehmen Space X mit seinem Starlink-Service eingesprungen. Iris2, zu dem die EU 2,4 Milliarden und die Esa 685 Millionen Euro beitragen, soll inklusive privatwirtschaftlicher Gelder auf ein Volumen von bis zu sieben Milliarden Euro kommen. Die Dimensionierung macht die neuen Autonomiebestrebungen Europas in einer geopolitisch veränderten Welt sichtbar. Gleichzeitig muss man angesichts der Erfolge der USA, Chinas und Indiens Zeichen setzen, um den Anschluss nicht zu verlieren.

Im Kleinen gilt das auch für Österreich. Hier hat sich zuletzt eine umtriebige Space-Szene aus Start-ups und etablierten Unternehmen gebildet, die abseits der traditionellen Schwerpunkte bei Telekom und Erdbeobachtung punkten kann. Mittlerweile wird eine Reihe von Komponenten entwickelt und produziert, die in Produktion und Betrieb von Raketen, Satelliten und Raumsonden eingesetzt werden.

Dazu gehört das Unternehmen Beyond Gravity, vormals bekannt unter Ruag Space, das etwa Thermalisolierungen und Navigationsempfänger für Satelliten baut und mit seinen Produkten längst in einem Großteil der Esa-Missionen vertreten ist. Peak Technology in Oberösterreich baut dagegen Treibstofftanks aus Karbonfasermaterialien – unter anderem auch Heliumtanks für die neue Ariane 6. TTTech, ursprünglich ein Spin-off der TU Wien, gestaltet sichere Datennetzwerke für die Raumfahrt, die ebenfalls in Ariane 6, aber auch in der Orion-Raumkapsel und der kommenden Mondorbitstation Lunar Gateway zum Einsatz kommen.

Satellitentests

Relativ neu in Österreich ist Terma. Der Wiener Standort des Rüstungszulieferers ging ursprünglich aus einem Siemens-Geschäftsbereich hervor und liefert Simulations-, Test- und Steuerumgebungen für Satelliten – bisher unter anderem für die Jupitermondmission Juice. "Inzwischen ist die Szene so weit aufgebaut, dass wir alle Segmente der Weltraumaktivitäten abdecken können", fasst Andreas Geisler, der den Bereich Luft- und Raumfahrt bei der Förderagentur FFG verantwortet, zusammen.

Mit dem Erfolg im Esa-Verbund kommt das Ringen um die Finanzierung. Denn die Lieferung von Technologie ist von den staatlichen Esa-Beiträgen abhängig. Die Branchenvertretung Austrospace trommelt unermüdlich für höhere Budgets aus Österreich, von denen etwa 85 Prozent an die heimischen Unternehmen zurückfließen und ein Vielfaches an Wertschöpfung im Land auslösen würden. 2022 einigte man sich im Klimaministerium auf 231 Millionen Euro für 2023 bis 2025. Schon damals stellte man eine Nachzeichnung in Aussicht, zu der nun auch tatsächlich verhandelt wird, wie im Ministerium bestätigt wird. Industrievertreter deuten an, dass der neue Betrag in Richtung 50 Millionen Euro gehen könnte und damit wohl unter den von der Branche eigentlich intendierten 85 Millionen bleibt.

Für Iris2 sind die Esa-Beiträge allerdings nur bedingt relevant, da von dort nur ein kleinerer Teil der Finanzierung kommt. Für die Raumfahrtzulieferer beginnt die heiße Phase im Bemühen um Aufträge. "Wir sind in Gesprächen mit Airbus, das die Satellitenplattform voraussichtlich bauen wird", erklärt Robert Greinecker von Peak Technology. "Wir schauen, dass wir mit unseren Treibstoffantriebstanks für Xenon- oder Kryptongas mit an Bord sind." Ein Ausbau der Produktionskapazitäten ist hier bereits geplant. Künftig möchte man anstelle von einem gleich drei Tanks pro Tag bauen können.

De-facto-Standards

Ähnliche Iris2-Ambitionen haben Beyond Gravity und TTTech. "Es werden große Stückzahlen von Thermoisolierungen in kurzer Zeit gefragt sein, und gerade bei der Serienfertigung sind wir stark", hebt Georg Grabmayr von Beyond Gravity hervor. Das Großprojekt ist auch dafür gedacht, Europas Industrie einen Innovationsboost mitzugeben. "Durch die Zusammenarbeit in den Großprojekten werden sich in der Elektronik etwa De-facto-Standards etablieren. Es werden Lösungen entstehen, die die Wiederverwendbarkeit und die Flexibilität erhöhen", sagt Werner Köstler von TTTech mit Blick auf eine zukünftige Entwicklung.

Der Zeitplan für Iris2 ist restriktiv. Bis Ende des Jahres sollten die Verträge unter Dach und Fach sein. Bereits 2027 soll die Konstellation voll im Betrieb stehen. Der europäischen Industrie wird nun erstmals abverlangt, dass sie Satelliten schnell und günstig in Großserien produziert – ein Zeichen, dass auch in Europa die wirtschaftlichen und geopolitischen Chancen der Raumfahrt ernst genommen werden. (Alois Pumhösel aus Paris, 3.7.2023)