Detailansicht des Freskos.
Die Speisen auf dem Tablett sollen Speisen für Gäste zeigen, wie sie gemäß einer griechischen Tradition gereicht wurden.
APA/AFP/Parco Archeologico di Po

Die Geschichte ist fixer Bestandteil des Lateinunterrichts in Schulen: Als Aeneas, das römische Pendant zum griechischen Odysseus, von seiner eigenen Odyssee nach Italien heimkehrte, war er so hungrig, dass er nicht nur das ihm angebotene Essen, sondern auch den dazugehörigen Tisch verspeiste.

Das absurde Bild klärt sich auf, wenn man versteht, dass mit dem "Tisch" ein Teigfladen gemeint ist. Eine Unterlage aus gebackenem Teig schützte feuchte oder klebrige Speisen vor Schmutz und konnte später selbst gegessen werden. Die Geschichte aus dem Hauptwerk des römischen Staatsdichters Vergil gilt als erste Erwähnung einer Pizza in der Literaturgeschichte. Auch an einer weiteren Stelle der "Aeneis" kommt ein Teigfladen mit Belag vor.

Doch wie sahen diese antiken Proto-Pizzen aus? Ein Fresko in der unter Vulkanasche begrabenen Römerstadt Pompeji kann nun erstmals Aufschluss darüber geben.

Auf dem Silbertablett

Bei Ausgrabungen wurde kürzlich eine Art Stillleben entdeckt, das ein Silbertablett mit einem Weinkelch, Trockenfrüchten und einer Blumengirlande zeigt. Daneben liegt etwas, das Fachleute als Fladenbrot interpretieren, auf dem verschiedene Früchte liegen, darunter ein Granatapfel und eine Dattel, die mit Gewürzen oder einer Art Pesto verfeinert sind.

Es dürfte sich also um ein süßes Gericht gehandelt haben, und auch sonst unterscheidet sich die Speise in verschiedener Hinsicht von heute in Italien üblichen Pizzen. Mit ihrem dicken Rand erinnert sie eher an Pizzen amerikanischen Stils.

Das Fresko befand sich im Atrium des Hauses, das eine Art Zentralraum mit Dachöffnung darstellte. Nicht weit von dem Haus befand sich auch eine Bäckerei. Sie war bereits zwischen 1888 und 1891 ausgegraben worden.

Teil einer römischen Mauer mit mehreren Fresken.
Das Fresko befand sich im Atrium des Hauses.
APA/AFP/Parco Archeologico di Po

Immer wieder Grabungen

Die derzeitigen Grabungstätigkeiten erstrecken sich über eine Fläche von 3.200 Quadratmetern, was etwa einem Häuserblock der antiken Stadt entspricht, die im Jahr 79 nach Christus durch einen Ausbruch des nahen Vulkans Vesuv ausgelöscht wurde. Asche, Schlamm und Lava begruben die Stadt unter sich, bevor sie im 18. Jahrhundert wieder entdeckt wurde. Heute ist Pompeji aufgrund des außerordentlich guten Erhaltungsgrads berühmt und überrascht immer wieder durch aufsehenerregende Funde.

Die Ausgrabung von oben.
Die aktuelle Ausgrabungsstätte umfasst ein Areal von 3.200 Quadratmetern.
APA/AFP/Parco Archeologico di Po

Die Entdeckung fällt ausgerechnet in eine Zeit, in der heftig über die authentische italienische Pizza diskutiert wird. Die italienische Regierung setzt sich dafür ein, die Pizza in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der Unesco aufzunehmen. Es geht auch um den Schutz der Authentizität des Gerichts. Der italienische Bauernverband bezeichnete etwa Ananas auf einer Pizza als "echtes Sakrileg". Solche Zutaten gehörten in die Nachspeise. In der Antike waren süße Früchte auf einem Pizzaboden aber offenbar kein Problem. (rkl, 28.6.2023)