Genderstern, Binnen-I und Doppelpunkt möchte die niederösterreichische Landesregierung in offiziellen Dokumenten und Veröffentlichungen des Landes künftig verbieten. Formulierungen wie "Sehr geehrte Damen und Herren" sollen weiterhin erlaubt sein.
Der Standard

St. Pölten – Am Mittwoch hat die IG Autorinnen Autoren auf die geplanten Anti-Gender-Maßnahmen der niederösterreichischen Landesregierung mit einem offenen Brief reagiert. Darin wird scharfe Kritik an dem Vorhaben von ÖVP und FPÖ geäußert, das künftig sämtliche Methoden des Genderns  wie Genderstern, Binnen-I und Doppelpunkt  in offiziellen Dokumenten und Veröffentlichungen des Landes verbieten möchte. Davon betroffen sind alle Landesbehörden.

Bevor der Erlass überhaupt zum Tragen kommt, wolle die Interessengemeinschaft vorsorglich darauf hinweisen, dass "das Land rechtlich keine Möglichkeit hat, einseitig in die individuellen Schreibweisen von Autor/inn/en einzugreifen", heißt es in der Aussendung. Denn das Urheberrecht schütze nicht nur die Inhalte, sondern auch die spezielle Schreibweise von Texten. Diese zu ändern würde eine Zustimmung der jeweiligen Autoren und Autorinnen benötigen. Besonders würde ein derartiger Erlass nämlich "Texte, die von Autor/inn/en für offizielle Landesangelegenheiten geschrieben und in offiziellen Landespublikationen veröffentlicht werden, wie etwa Würdigungen von Preisträger/inne/n", betreffen. "Schreibvorschriften für Veröffentlichungen dort stellen einen unmissverständlichen Eingriff in die Verfassungsgarantie der Freiheit der Kunst dar."

Diese seien ebenso bei jedem urheberrechtlich geschützten Text in jedem offiziellen Folder oder Katalog und genauso für den schulischen Bereich nicht möglich. Die IG Autorinnen Autoren habe einen eigenen Vertrag mit der Wirtschaftskammer Österreich "zum Schutz der Schreibeigenheiten von Autor/inn/en in Schulbüchern", wurde angemerkt.

"Hausgemachte Rechtschreibregeln"

"Was immer aber die NÖ-Landesregierung tut, sie ist zu keinem eigenmächtigen Umarbeiten von urheberrechtlich geschützten Texten und zu keinen Eingriffen in die Freiheit der Kunst berechtigt. Sie sollte ihre Anti-Gendern-Maßnahmen wegen Sinnlosigkeit absagen", hielt die IG Autorinnen Autoren fest. Generell ortet die Interessengemeinschaft, dass es der Landesregierung "mit den neuen Gendern-Regeln nicht um die landeseigene Hausorthographie, sondern um einen anderen programmatischen gesellschaftspolitischen Umgang mit Frauen (Binnen-I), mit geschlechtlich unbestimmten Personen (Gender-*) oder mit Menschen mit Sehbeeinträchtigungen (Inklusions-:) geht."

Dass die Landesregierung mit ihren "hausgemachten Rechtschreibregeln" angeblich den Empfehlungen des Rats für Rechtschreibung folge, missbrauche die Funktion des Rechtschreibrats, wird kritisiert. "Dafür wurde er nicht vorgesehen, und das entspricht nicht seinen Aufgaben." Hinzu komme, dass es sich bei den Anti-Gendern-Maßnahmen um ein "künstliches politisches Konstrukt" handeln dürfte, heißt es im Brief.

"Konstruierte Debatte"

Um den möglichen Gendererlass für den Landesdienst in Niederösterreich hatte sich am Dienstag Wirbel entwickelt. Damit will man laut dem Arbeitspapier der Landesregierung den "Wahnsinn des Genders" beenden. Kritik an Schwarz-Blau gab es von der SPÖ und in sozialen Netzwerken. Die Landes-FPÖ blieb bei ihrer Darstellung vom Montag und verwies darauf, dass der Erlass "bis zum Sommer" ausgearbeitet werde. Seitens der ÖVP wurde betont, dass es kein "Genderverbot" gebe, Formulierungen wie "Sehr geehrte Damen und Herren" seien weiterhin erlaubt. Es handle sich um eine "lächerliche Diskussion".

"Es wird bei uns kein Genderverbot geben, das ist offensichtlich eine rein konstruierte Debatte", sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Mittwoch. Wie im bestehenden Leitfaden des Landes vorgesehen, sollen weiterhin Formulierungen wie "Schülerinnen und Schüler" verwendet werden, erklärte sie. Gender-Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt sind bisher nicht vorgesehen und werden demnach auch künftig nicht in die Richtlinien aufgenommen. In der Landesverwaltung müsse es ein verständliches Amtsdeutsch geben, hieß es. Die Regelung gebe der Rat für deutsche Rechtschreibung vor. "Eine künstliche Aufgeregtheit wie zum Thema Gender-Sternchen ist fehl am Platz und lächerlich angesichts der Probleme, die wir haben", etwa der Erhalt des Wohlstands und die Teuerung, meinte Mikl-Leitner. (APA, red, 28.6.2023)