Polizei
Der oberste Staatsschützer Omar Haijawi-Pirchner blickt auf die dutzenden Waffen, die bei den Razzien sichergestellt werden konnten.
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Am Montag in den frühen Morgenstunden erfolgte der Zugriff: Kriminalbeamte, Verfassungsschützer und Spezialkräfte der Cobra führten in Oberösterreich und Niederösterreich insgesamt 13 Hausdurchsuchungen durch. Im Fokus stand ein Ableger des internationalen Motorrad- und Rockerklubs Bandidos, gegründet 1966 im US-amerikanischen Texas, deren Mitglieder sich größtenteils aus dem rechtsextremen Milieu zusammensetzen sollen.

Bei den Razzien stießen die Ermittler auf ein enormes Waffenarsenal, darunter 35 Langwaffen, Granatwerfer, 25 Maschinenpistolen, 100 Pistolen, 100 Schalldämpfer, 1000 Waffenteile, aus denen etwa 500 Pistolen der Marke Glock gefertigt werden können sollen, und auf mehr als 10.000 Schuss Munition, hieß es auf einer Pressekonferenz im Innenministerium. Gefunden wurden die Waffen etwa in einem Bauernhof und im Keller eines Rotlichtlokals. Teilweise seien diese in Vitrinen ausgestellt gewesen. Der Wert des Arsenals wird auf 1,5 Millionen Euro geschätzt.

VIDEO: Großer Waffenfund bei "Rechtsrockern" in OÖ sichergestellt
APA

Drogen und NS-Fahnen

Wie organisiert die "Rechtsrocker" waren, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass auch eine Waffenwerkstatt samt Verkaufsraum vorgefunden wurde, ebenso Drogen wie ein Kilogramm Kokain und fünf Kilo Cannabis, 286 elektronische Datenträger und 600.000 Euro in bar.

Auch die Verbindung der Bandidos zur rechtsextremen Szene erscheint evident. 550 NS-Devotionalien, etwa Medaillen, Fahnen sowie einschlägige Literatur, wurden sichergestellt. Es kam zu sechs Festnahmen. Darunter sei auch eine ehemalige Führungsperson der 2013 zerschlagenen rechtsextremen Gruppe "Objekt 21" mit Ursprung im oberösterreichischen Desselbrunn, erklärte der oberste Staatsschützer Österreichs, Omar Haijawi-Pirchner. Weitere Mitglieder der Rockergruppe sollen ebenfalls eine enge Bindung dorthin aufweisen. Einige Festgenommene seien bereits nach dem Verbotsgesetz verurteilt worden. Es gehe ausschließlich um österreichische Staatsbürger zwischen 35 und 50 Jahren. Der mutmaßliche Waffenlieferant soll sich ebenfalls in U-Haft befinden.

Waffenfund bei Rockerbande Bandidos
Die Festgenommenen wurden zum Teil bereits nach dem Verbotsgesetz verurteilt.
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Den Razzien waren monatelange Ermittlungen der AG "Corium" des Bundeskriminalamts vorangegangen. Seit Dezember 2020 stünden Outlaw-Motorcycle-Gangs im Blick der Sicherheitsbehörden, nachdem bekannt geworden sei, dass die Bandidos offenbar eine Expansion hierzulande geplant hätten, wie es laut dem Innenressort hieß. Aber wer sind die Bandidos überhaupt? Der Klub wurde von Donald Eugene Chambers gegründet. Benannt wurde er laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland "nach mexikanischen Banditen, die nach ihren eigenen Regeln lebten". Das Logo auf den Bikerjacken der kriminellen Gruppe ziert passend ein solcher Bandit mit Machete und Revolver in den Händen. Nach den Hells Angels, ihren Rivalen, sollen die Bandidos die zweitgrößte Bikergang weltweit sein.

In Form von "Rockerkriegen" kämpfen verfeindete Gangs um ihre Vormachtstellung in gewissen Gebieten. Auch im deutschsprachigen Raum – etwa 2021 in Deutschland, als es im Ruhrgebiet zu Schießereien auf offener Straße kam.

Rockergangs nicht verboten

Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Bandidos auf Derartiges vorbereitet haben. Denn auch die Hells Angels sind in Österreich vertreten. Möglicherweise liefern die sichergestellten Datenträger Hinweise darauf. Diese müssen allerdings erst ausgewertet werden. In Österreich verboten sind weder die Hells Angels noch die Bandidos an sich. Für die Behörden juristisch "greifbar" werden nur ihre Ableger, wenn ihnen kriminelle Machenschaften nachgewiesen werden können.

Der Strafrahmen für die Beschuldigten im aktuellen Fall bewegt sich zwischen einem und 15 Jahren Haft. Angezeigt wurden etwa Delikte nach dem Verbotsgesetz und dem Kriegsmaterial- und Waffengesetz. Die Höchststrafen würden sich aber auf die Suchtmittel beziehen.

Der Hells Angels MC sei neben den Bandidos in den Mittelpunkt der Ermittlungen gerückt, da Teile dieser Gruppierungen bewaffnet und im Drogen- und Waffenhandel tätig seien sowie durch Gewalttaten auffallen würden. Ziel der Sicherheitsbehörden war es, eine Neugründung in Österreich zu verhindern und die bestehenden Outlaw-Motorcycle-Gangs zu "zerschlagen", betonte der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Franz Ruf bei der Pressekonferenz am Donnerstag. Nun sind die Sicherheitsbehörden damit beschäftigt, die Datenträger auszuwerten. Die Ermittlungen sind daher noch nicht abgeschlossen.

2022 mehr als 100 Hausdurchsuchungen bei Rechtsextremen

Ein erster Ermittlungserfolg sei den Behörden Ende vergangenen Jahres gelungen, als ein deutscher Staatsbürger bei der Einreise von Österreich nach Deutschland im Zuge einer Verkehrskontrolle angehalten wurde. Im Fahrzeug wurden Schusswaffen, Kriegsmaterial und Munition vorgefunden. Der Festgenommene konnte dabei "eindeutig als Mitglied der als kriminelle Organisation eingestuften Outlaw-Motorcycle-Gang des Bandidos MC zugeordnet werden." Daraufhin hätten die Ermittler die Hintermänner ausgeforscht und "die Strukturen der Bandidos aufgebrochen", teilte das Innenministerium mit.

Anfang Juni 2023 sei außerdem ein Mitglied der "Hells Angels" in Wien festgenommen worden. Bei ihm seien verbotene Waffen, Cannabis und Kokain sowie 28.000 Euro Bargeld sichergestellt worden. Wegen eines schweren Gewaltdelikts werde unterdessen weiter ermittelt.

Allein im vergangenen Jahr seien 660 Ermittlungsmaßnahmen gegen Rechtsextreme, mehr als 100 Hausdurchsuchungen und 37 Festnahmen durchgesetzt worden. "Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie umfassend und nachhaltig das demokratische Zusammenleben in unserem Land geschützt wird und Extremismus – ohne Unterschied ob politisch oder religiös motiviert – mit aller Vehemenz bekämpft wird", erklärte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer schriftlichen Stellungnahme. 

Landessicherheitsrat für Montag einberufen

"Die Sicherstellung von automatischen Waffen ist ein alarmierender Hinweis darauf, wie gefährlich diese Szene ist", verwies Justizministerin Alma Zadić (Grüne) in einer Stellungnahme auf den Rechtsextremismus, der "eine ernsthafte Bedrohung für unsere Gesellschaft und Demokratie darstellt und mit allen Mitteln bekämpft werden muss".

Wie auch der Minister und die Ministerin dankte der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) den Sicherheitsbehörden. "Demokratie und Sicherheit brauchen tagtäglich unser Zusammenstehen als Gesellschaft. In Oberösterreich hat Extremismus keinen Platz, und das muss auch so bleiben." Für Montag, 3. Juli, hat er den Landessicherheitsrat einberufen. Im Rahmen der Sitzung sollen die Mitglieder von den zuständigen Behörden "ein umfängliches und aktuelles Informationsbild erhalten".

Gratulationen von verschiedenen Parteien

Lob ernteten die Sicherheitsbehörden auch von politischen Parteien verschiedener Couleur. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer und SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz gratulierten in Aussendungen zum Ermittlungserfolg. Florian Koppler, Landesgeschäftsführer der oberösterreichischen SPÖ, erneuerte indes die Forderung nach einem "OÖ-Aktionsplan gegen Rechtsextremismus".

"Stolz" auf die Arbeit der Behörden zeigte sich der Leiter des Bundeskriminalamts Andreas Holzer, betonte aber einmal mehr die Schwierigkeiten bei den Ermittlungen, da die Überwachung von Messenger-Diensten in Österreich rechtlich nicht möglich ist. Eine Diskussion darum entfachte sich bereits nach dem vereitelten mutmaßlich geplanten Anschlag auf die Pride-Parade vor rund zwei Wochen erneut.

Bisher leiteten das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz im Rahmen der Arbeitsgruppe gegen 34 Beschuldigte Ermittlungsverfahren ein und nahmen zehn Tatverdächtige fest. Insgesamt wurden seit Beginn der "Arbeitsgruppe 24 Hausdurchsuchungen durchgeführt, rund 550 Sicherstellungen nach dem Verbotsgesetz verzeichnet sowie rund 600.000 Euro an Bargeld und über 300 elektronische Datenträger sichergestellt. (Jan Michael Marchart, APA, 29.6.2023)