Als im vergangenen April die Inflationsanpassung der Miet-Richtwerte anstand, brach wieder einmal eine Diskussion aus. Mieterschützer forderten eine Mietpreisbremse, in der Folge wurde grundsätzlich über Wertsicherungen von Mietverträgen diskutiert. Die Regierung verhandelte wochenlang zu einem großen Wohnpaket, das eine Aufteilung der Richtwert-Anhebung auf zwei bis drei Jahre vorgesehen hätte. Es platzte, und im April wurden die Richtwerte um 8,6 Prozent angehoben.

Die Miete wertzusichern, obwohl die Wohnung im Lauf der Zeit immer "abgewohnter" wird: Das sei nicht gerechtfertigt, argumentierte die Arbeiterkammer.
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Die Richtwerte betreffen nur Altbauwohnungen, üblicherweise sind in Österreich aber auch alle anderen Mietverträge – also auch für Neubauten, die nicht zur Gänze dem Mietrechtsgesetz unterliegen – an den Verbraucherpreisindex (VPI) gekoppelt. Sie steigen also automatisch mit der Inflation. Das war allerdings nicht immer so.

Früher waren Mieten nicht wertgesichert, und zwar ziemlich lange nicht. Noch im Jahr 1990 enthielt der Muster-Mietvertrag, der im juristischen Ratgeber "Der Österreichische Hausjurist" abgedruckt wurde, keine Wertsicherungsklausel – darauf weist der Rechtshistoriker Gerald Kohl von der juridischen Fakultät der Universität Wien hin. Irgendwann danach muss es dann üblich geworden sein.

OGH erkannte Zulässigkeit

Denn heutzutage enthält nahezu jeder neue Mietvertrag eine Wertsicherungsklausel. Übrigens im Gegensatz zu Deutschland, wo die Indexmiete (ebenso wie der Kündigungsschutz) eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Und sie ist grundsätzlich auch zulässig, darauf wies Rechtsanwalt Reinhard Pesek in seinem Vortrag auf dem jüngsten "Wiener Immobilientag" in der vergangenen Woche hin.

Doch die Arbeiterkammer will es seit ein paar Jahren genau wissen. AK-Experte Walter Rosifka verweist unter anderem auf Deutschland und auch auf die Schweiz, wo sich die Mieten seit 2008 an einem "hypothekarischen Referenzzinssatz" orientieren, und stellt zur Diskussion, warum Investitionen in Immobilien "als einzige Veranlagungsform“ wertgesichert sein sollen.

2019 hat der Oberste Gerichtshof zwar erkannt, dass „eine Wertsicherungsklausel in einem Mietvertrag durch das legitime Bedürfnis des Vermieters gerechtfertigt (ist), das Entgelt – insbesondere bei längeren Vertragslaufzeiten – an die tatsächliche Geldentwertung anzupassen und damit das Äquivalenzverhältnis zu wahren", darauf verwies auch Pesek. Dabei handelte es sich laut Rosifka aber um einen "Spezialfall", nämlich einen Mietvertrag, der dem Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes unterliegt, aber angemessenen Mietzins erlaubte.

"Äquivalenzverhältnis"

Die Arbeiterkammer hatte das Verfahren angestrengt und argumentiert, dass sich das "Äquivalenzverhältnis" durch die Wertsicherung im Lauf der Zeit immer mehr zulasten der Mieterin verschiebe. Denn diese zahle den wertgesicherten Mietzins für eine eigentlich mit der Zeit immer "abgewohntere" Wohnung.

Doch der OGH hielt dem entgegen, dass "eine gewisse Abnutzung einer Wohnung im Wesen eines (langfristigen) Bestandvertrags liegt". Im Gegenzug müsse ein Mieter den Vermieter ja auch nicht für die gewöhnliche Abnutzung beim Auszug entschädigen, das habe der OGH "wiederholt ausgesprochen", wie er in dem Urteil festhielt. Und Mieterinnen und Mietern stehe ja immerhin das Recht auf Mietzinsminderung gemäß Paragraf 1096 des ABGB zu, sollte ein vermietetes Objekt nicht mehr gebrauchstauglich sein.

Ein brandneuer OGH-Entscheid vom März brachte kürzlich aus einer anderen Richtung – nämlich vom Konsumentenschutzgesetz (KSchG) her – das Thema wieder aufs Tapet (DER STANDARD berichtete). Wie diese Sache ausgeht, ist noch offen.

Ein anderer Index?

Aber bräuchte es nicht vielleicht einen anderen Index als den VPI, um die Mieten wertzusichern? Agenda-Austria-Ökonom Jan Kluge streifte diese Frage in seinem Referat auf dem jüngsten Immobilientag. Schon davor, in der erwähnten Mietpreisbremsendebatte, wurde der Baukostenindex ins Spiel gebracht. Der wäre für Mieterinnen und Mieter in den vergangenen Jahren aber einerseits noch unvorteilhafter gewesen.

Ein Vermieter hat schon probiert, die Mieten daran zu koppeln, die Arbeiterkammer ging dagegen juristisch vor, das Verfahren läuft noch. Auch für Kluge wäre es aber "ein bisschen unlogisch", den Baukostenindex heranzuziehen, denn es gehe bei der Wertsicherung ja "nur darum, dass die Erträge des Vermieters nicht an Kaufkraft verlieren". Alles andere, also eine Abgeltung der Preissteigerungen am Bau, wäre zu viel des Guten.

Nach Ansicht von Kluge hätte man im Zuge der Preisbremsendebatte jedenfalls über eine Streckung der Anpassung über zwei oder drei Jahre "mehr reden müssen". Grundsätzlich wäre aber natürlich auch in Österreich ein ganz neuer Index denkbar. Die spanische Regierung hat im Vorjahr einen strengen Mietpreisdeckel beschlossen und sich zwei Jahre Zeit gegeben, um über einen neuen Mietindex nachzudenken. Vielleicht wäre ja auch in Österreich die Zeit dafür gekommen. (Martin Putschögl, 29.6.2023)