Hunde
Der Hund ist ein reguläres Familienmitglied – das sieht meist auch der Vierbeiner so.
Foto: APA/AFP/EZEQUIEL BECERRA

Hunde werden üblicherweise als Familienmitglieder anerkannt. Häufig scheint es, als genießen sie auch dieselben Freiheiten, so mancher Vierbeiner bekommt sogar einen eigenen Platz am Tisch und schläft im Ehebett an der Seite von Frauchen und Herrchen. Umgekehrt dürften Hunde die Menschen ihres unmittelbaren Umfelds ebenso als Mitglieder "ihres Rudels" betrachten, im ungünstigsten Fall wähnen sie sich als Rudelführer.

Wie eng diese Verbindung zwischen den Gefährten Hund und Mensch in den vergangenen Jahrtausenden zusammengewachsen ist, zeigt ein Blick ins Gehirn der Vierbeiner, den ein Team von der Universität Wien und der Veterinärmedizinischen Universität Wien nun gewagt hat. Es zeigte sich dabei, dass Hunde die Körpersprache von Menschen und Artgenossen mit denselben Hirnregionen lesen.

Ohne Stress in die Röhre

Die Forschungsgruppe um Magdalena Boch, Claus Lamm und Ludwig Huber vom Messerli-Forschungsinstitut in Wien ist eines von derzeit nur vier Teams weltweit, die Magnetresonanztomografie-(MRT)-Studien mit Haushunden durchführen. Damit das ohne Stress für die Tiere klappt, haben die Forscherinnen und Forscher spezielle Trainingsprotokolle entwickelt, die die Hunde schrittweise an die MRT-Umgebung gewöhnen sollen. Die Vierbeiner werden dabei zu keiner Zeit mit Medikamenten sediert und können das MRT wann immer sie wollen über eine Rampe verlassen.

Hunde im MRT
Studienteilnehmer Balian macht eine kurze Pause auf dem Bett des Magnetresonanztomografen (MRT). Wenn er keine Lust mehr hat, kann er jederzeit abbrechen und über eine eigens gebaute Rampe das MRT verlassen.
Foto: Universität Wien CCNU

Was die Forschenden in den Gehirnen der Hunde beobachteten, lässt den Schluss zu, dass Informationen aus Körperhaltungen für Hunde eine ähnlich wichtige Rolle spielen wie für Menschen. Eine zentrale Funktion bei sozialer Kommunikation und Wahrnehmung übernehmen dabei bei beiden Spezies der Schläfenlappen. Menschen und andere Primaten besitzen gleichermaßen Gehirnregionen im Schläfenlappen, die auf das Lesen von Gesichtern und Körperhaltungen spezialisiert sind. Hunde verfügen zwar ebenfalls über einen Schläfenlappen, doch der hat sich unabhängig vom Primatengehirn entwickelt.

Spezialisierte Schläfenlappenregion

In den letzten Jahren hat die Verhaltensforschung nachgewiesen, dass Hunde ähnlich wie Menschen Experten in der Wahrnehmung von Gesichtsausdrücken und körperlichen Gesten sind. "Ob sich diese Verhaltensexpertise auch im Gehirn der Hunde widerspiegelt war Inhalt unserer Studie", sagte Boch, Erstautorin der im Fachjournal "Communications Biology" erschienenen Arbeit. Das Ergebnis der Studie lieferte nun den ersten Beleg dafür, dass auch Hunde eine Gehirnregion im Schläfenlappen besitzen, die auf die visuelle Wahrnehmung von Körperhaltungen spezialisiert ist.

Für die Untersuchung lud das Team 40 Versuchspersonen und 15 Hunde ins Labor ein und zeigte ihnen Bilder von Gesichtern und Körperhaltungen, während ihre Gehirne im MRT gescannt wurden. Bei den Menschen zeigte sich dabei in jenen Gehirnregionen Aktivitäten, die ausschließlich auf die Wahrnehmung von Gesichtern spezialisiert sind. "Wir Menschen fokussieren uns oft auf das Gesicht in der Kommunikation mit anderen", sagte Boch. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass für Hunde Gesichter ebenfalls eine wichtige Informationsquelle darstellen. Jedoch scheinen Körperhaltungen und eine ganzheitliche Wahrnehmung eine übergeordnete Rolle zu spielen."

Hunde im MRT
Hündin Maeva ist in Position. Der Verband dient dabei als weiterer Lärmschutz in Kombination mit Ohrstöpseln.
Foto: Universität Wien CCNU

Kein Unterschied zwischen Mensch und Artgenossen

Daneben fanden die Forschenden noch weitere Regionen im Hundegehirn, die gleichermaßen an der Wahrnehmung von Gesichtern und Körpern beteiligt sind. Im Gegensatz zum Menschen betraf dies aber nicht nur visuelle Gehirnregionen. Wenn Hunde Gesichter und Körper betrachten, zeigen sich auch Aktivitätsunterschiede in Bereichen, die für die Verarbeitung von Gerüchen zuständig sind.

Verblüffenderweise machen die Hunde dabei zwischen anderen Hunden und Menschen keinen Unterschied: Die spezialisierten Gehirnregionen waren bei Hunden gleichermaßen aktiv, wenn sie Bilder von Artgenossen oder Zweibeinern betrachteten. Dies unterstreiche nach Meinung der Forschenden die enge Bindung zwischen Hunden und Menschen. "Hunde und Menschen sind zwar nicht nah verwandt, aber seit Jahrtausenden enge Weggefährten. Der Vergleich zwischen Hunden und Menschen ermöglicht uns daher auch neue Einblicke in die sogenannte konvergente Evolution sozialer Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsprozesse", sagte Claus Lamm. (tberg, red, 29.6.2023)