"Ich wohne schon mein ganzes Leben in dieser Wohnung in jenem Zinshaus, das meine Urgroßeltern 1903 gekauft haben. Es wird immer weitervererbt mit den Worten: 'Wehe, du verkaufst das.' Pro Woche kommt sicher ein Anruf von jemandem, der es kaufen will. Ich sage dann immer: 'Nein, danke, Wiederschauen.'

Marcus Ganser mit den Familienhunden Gina und Banshee in seinem Zuhause im 18. Bezirk.
Marcus Ganser mit den Familienhunden Gina und Banshee in seinem Zuhause im 18. Bezirk.
Lisi Specht

Die Wohnung hat sich seit meiner Kindheit aber total verändert. Mein Vater hatte die Wohnung komplett im Stil der 1950er-Jahre eingerichtet und lauter Verbaue errichtet. Ich habe nur noch wenige Möbel von ihm und alles, bis auf eine eingezogene Mauer, rausgerissen. Die Möbel sind quer aus dem Gemüsegarten. Manche habe ich aus Nepal oder Tibet mitgeschliffen, weil mir der Stil gefällt. Ich habe immer irrsinniges Glück, dass ich die Sachen in den Flieger bekomme. Die indische Tempeltruhe war das erste Möbelstück meiner Frau, als sie eingezogen ist. Die Truhe ist so schwer, dass man sie unmöglich wieder raustragen kann, die bleibt also da. Das alte Theaterschild vom Theater an der Wien habe ich aus dem Müll gezogen und hergerichtet. Fast alles hier hat eine Geschichte.

Ich würde sagen, wir leben in einem kreativen Wohnchaos mit schönen Dingen. Wenn man den Blick Richtung Decke richtet, sieht man, dass da kein Luster hängt, sondern nur eine Glühbirne. Uns würde eine große Deckenleuchte aus Venedig gut gefallen. Meine Frau sagt immer: Lieber was Gscheites und sich drauf freuen – auch wenn es 30 Jahre dauert. Irgendwann wird die Leuchte da hängen.

Manche Möbelstücke stammen aus Nepal und Tibet. Am liebsten arbeitet Marcus Ganser in seinem Bett.
Lisi Specht

Bei uns ist immer alles in Veränderung. Manchmal stellt meine Frau um, während ich wieder mal in Deutschland bin. Die Küchenlampe – das war eine Grableuchte, die ich umgebaut hatte – hat sie auch irgendwann entfernt. Ich könnte nicht in einem Neubau wohnen. Ich brauche die Luft und die alten Fenster. Wenn ein Rauchfangkehrer kommt und seine Luftmessung macht, sagt er: Ist bei Ihnen ein Fenster offen? Nein, das Haus atmet! Im Winter haben wir Fensterpölster genäht, das hat super als Dämmung funktioniert.

Unsere Wohnphilosophie ist: Alles ist möglich! Darum muss alles offen sein, damit man Freiräume beim Denken hat. Ich arbeite am liebsten im Bett, weil es meine Höhle ist. Das Essen hat es bei uns noch nie am Esstisch gegeben. Wir haben auch kein Schlafzimmer im herkömmlichen Sinn. Es ist nicht abgetrennt. Vielleicht braucht mein Sohn, der mittlerweile gegenüber wohnt, daher alles ein bisschen geregelter. Bei uns ist für alles Platz, Möbel kommen nie weg – und wenn ich sie für ein Theaterstück auf der Bühne wiederverwende.

"Ich würde sagen, wir leben in einem kreativen Wohnchaos mit schönen Dingen", sagt Marcus Ganser über seinen Einrichtungsstil.
Lisi Specht

Ein einziges Mal habe ich etwas verkauft. Ich hatte hier mal einen echten Keith Haring hängen. Es war seine letzte signierte Serie, Free South Africa, von der es fünf Stück gab. Ich habe das Bild kurz nach seinem Tod in New York ersteigert. Mein Exemplar war besonders wertvoll, weil sich im Druck eine kleine Luftblase gebildet hatte und es somit ein Unikat war. Ich hatte, als mein Sohn klein war, eine kleine Finanzkrise, weil wir die Wohnung umbauten und erweiterten.

Der Verkauf an einen deutschen Sammler hat meine finanziellen Probleme zwar gelöst – aber ich habe sehr gelitten. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich es aber wieder tun. Familie ist wichtiger, Kunst vergänglich. Als Bühnenbildner stecke ich oft so viel Arbeit in meine Kunst, und nach ein paar Monaten reiße ich alles selbst ab. Übrig bleiben nur Gefühle. Jetzt hängt im Wohnbereich statt des Keith Haring eine alte Asien-Karte, die meine Schwiegermutter im Keller hatte. Passt auch.

Wir renovieren das Haus immer zizerlweise, erst das Dach, die Außenfenster und so weiter. Mein großer Jugendtraum war immer, das Dach auszubauen. Das habe ich tatsächlich schon einmal mit einem Architekten geplant. Es wäre ideal, weil man von dort oben einen wunderbaren Blick über die Stadt hat. Irgendwann schaffe ich es vielleicht noch. Und wenn es nur ein Balkoneck ist, statt eines ganzen Ausbaus." (PROTOKOLL: Franziska Zoidl, 3.7.2023)