Jahrzehntelang hat man sich in Österreich darauf verlassen, dass uns ohnehin nichts passieren kann – schließlich ist es ja auch bisher gut gegangen. Schließlich sind wir ja weitgehend von Nato-Staaten umgeben, mit denen Österreich seit dem Ende des Kalten Krieges in der Partnerschaft für den Frieden (PfP) verbunden ist.

Die österreichische Regierung unter Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) versucht nun, unter formeller Hochhaltung der Neutralität beim Aufbau von Sky Shield mitzumachen.
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Und Bedrohungen aus der Luft?

Hat man halt kleingeredet. Luftraumverteidigung? Ein böses, von der Politik peinlich vermiedenes Wort. Allenfalls ein bisserl Luftraumüberwachung: Der von Friedensliebe und Neutralitätsglauben seligen Bevölkerung wurde das als "Luftpolizei" nahegebracht, die ersten Abfangjäger wurden sogar ohne Lenkwaffen beschafft. Man hat sich auf ein angebliches Raketenverbot im Staatsvertrag berufen – und in Wirklichkeit die Kosten gescheut. Aus Kostengründen wurde auch die in den 1980er-Jahren noch zeitgemäße Luftabwehr zum Schutz von Bodentruppen und kritischer Infrastruktur kaputtgeschrumpft.

Inzwischen hat sich nicht nur die Sicherheitslage, sondern vor allem auch die Waffentechnik weiterentwickelt. Bei der Sicherung des Luftraums diskutierte man bisher vor allem die mögliche Abwehr von Flugzeugen. Der Krieg gegen die Ukraine (und schon vorher jener gegen Armenien) zeigt aber auch die Bedeutung von Drohnen und Raketen, die nicht nur gegen militärische Ziele, sondern auch gegen Infrastruktur und Zivilbevölkerung eingesetzt werden.

In ganz Europa hat man inzwischen festgestellt, dass es erhebliche Lücken in der Luftraumverteidigung gibt – angesichts der russischen Bedrohung wollen alle nachrüsten. Österreich, das einen besonders hohen Nachrüstungsbedarf hat, müsste sich also bei Beschaffungen hinten anstellen, weil die Auftragsbücher der Luftabwehrindustrie schon jetzt prall gefüllt sind.

Kritische Stimmen

Daher ist es durchaus sinnvoll, dass die Beschaffung koordiniert mit anderen Staaten passiert. Und sinnvoll ist auch, dass bei Sky Shield nicht alle Staaten alle denkbaren Systeme beschaffen und einführen. Den unmittelbaren Schutz von Flughäfen, Kraftwerken und städtischen Zentren mit Waffen geringer Reichweite muss jeder Staat ohnehin selbst leisten. Auch bei Systemen mittlerer Reichweite wird Österreich kaum jemand zu Hilfe eilen: Da sind im Ernstfall auch unsere Nachbarn mit ihren Hausaufgaben beschäftigt. Anders ist es bei Abwehrsystemen großer Reichweite – hier wird es in absehbarer Zeit wohl eine über die gemeinsame Beschaffung hinausgehende Zusammenarbeit geben müssen.

Die österreichische Regierung versucht nun, unter formeller Hochhaltung der Neutralität (also kein übergeordnetes Kommando) beim Aufbau von Sky Shield mitzumachen. Kosten? Unbekannt, aber wohl in Milliardenhöhe.

Natürlich gibt es kritische Stimmen, die all das für teures Kriegsspielzeug halten – und da ist etwas dran: Solange ein Land in keinen bewaffneten Konflikt verwickelt ist, müssen die demnächst zu kaufenden Waffen entweder aufwendig gepflegt werden, oder sie vergammeln.

Nutzlos sind sie deswegen aber nicht: Ein Land (und erst recht ein Staatenbund wie die EU) mit einer glaubhaften Verteidigungsfähigkeit wird sehr wahrscheinlich nicht Opfer eines Angriffs. Wer verteidigungsfähig ist, wird international ernst genommen – was nützlich ist. Auch wenn man sich wünscht, dass der Ernstfall nie eintreten möge. (Conrad Seidl, 2.7.2023)