Am Wochenende haben sich Bundeskanzler Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) festgelegt: Österreich soll Teil der geplanten europäischen Luftabwehr-Initiative Sky Shield werden. Die Rede ist von einem "Meilenstein" in der Sicherheitspolitik.

Frage: Was ist Sky Shield?

Antwort: Die European Sky Shield Initiative (ESSI) ist ein Luftabwehrsystem, das derzeit 17 europäische Länder gemeinsam aufbauen wollen. Frühestens in Betrieb gehen könnte es 2025. Der Vorschlag dafür kam im Vorjahr von Deutschland.

Hintergrund ist der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine: Die bisherige Luftraumabwehr Europas war vor allem auf mögliche Angriffe aus dem Iran fokussiert. Nun sollen Lücken beseitigt werden – zum Beispiel geht es darum, Defizite bei Raketenflugbahnen in großen Höhen und bei der Abwehr von Drohnen und Marschflugkörpern auszugleichen. Zu diesem Zweck wollen die involvierten Staaten gemeinsam Luftabwehrsysteme einkaufen.

Frage: Um welche Bedrohungen geht es konkret?

Antwort: Die in der Bevölkerung Europas weitverbreiteten Vorstellungen von Luftbedrohungen sind vielfach noch von den Bildern der Flächenbombardements des Zweiten Weltkriegs und des Vietnamkriegs geprägt. Inzwischen aber haben sich die Voraussetzungen geändert – als wesentliche Bedrohungen sehen Militärs heute gezielte Angriffe mit luft- oder bodengestützten Raketen (darunter etwa die russischen Hyperschallraketen) sowie mit unbemannten Drohen und Marschflugkörpern an. Alle europäischen Staaten sind darauf schlecht vorbereitet, Österreich ist quasi das Schlusslicht.

Bisher zielte die europäische Luftraumabwehr auf Angriffe aus dem Iran ab, der unlängst neue Drohen einkaufte. Nun soll sie erweitert werden – und Österreich will dabei sein.
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Frage: Österreich ist ein neutraler Staat. Warum kann es bei Sky Shield mitmachen?

Antwort: Weil es sich dabei nicht um eine militärische Allianz, sondern um eine Zusammenarbeit mehrerer Staaten handle, argumentiert Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). Er begründet dies mit dem Fehlen einer Beistandsklausel: "Es gibt keinen Automatismus." Man teile einfach Informationen – und das sei kein Bruch der Neutralität.

Kanzler und Verteidigungsministerin führen ins Treffen, dass der Schutzschirm lediglich der Gefahrenabwehr diene. Ebenfalls keine Bedenken hat Militärexperte Walter Feichtinger. Denn: Die Beteiligung am Abwehrschirm bedeute "nicht, dass man gemeinsam schießt, sondern dass man gemeinsam plant und überlegt, welche Systeme am besten zusammenpassen", erklärte er im ORF.

Frage: Wie reagiert die Opposition?

Antwort: FPÖ-Chef Herbert Kickl spricht von einer "verheerenden neutralitätspolitischen Entscheidung". Die Kritik stützt er darauf, dass bis auf Schweden (das Beitrittskandidat ist, Anm.) nur Nato-Staaten an Sky Shield mitwirken. Österreich verliere so die Option, im "aktuellen Konflikt" zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln.

Europakarte mit Mitgliedsstaaten von Sky Shield sowie NATO-Länder.
APA

Frage: Wie geht es nun weiter?

Antwort: Am Freitag reist Ministerin Tanner nach Bern, wo sie im Zuge eines trilateralen Treffens mit ihrem Amtskollegen aus Deutschland und ihrer Amtskollegin aus der Schweiz zusammenkommen wird. Österreich sieht dieses Treffen als Möglichkeit, Sky Shield beizutreten. Dafür ist eine Absichtserklärung nötig, die Tanner in Bern unterzeichnen könnte. Details sind noch offen.

Frage: Was wird das kosten?

Antwort: Das kommt darauf an, welche Waffen beschafft werden und welches Land welche Schwerpunkte hinsichtlich der Reichweiten dieser Waffen setzt. Bei einer europäischen Koordination des Einkaufs sollten die Preise tendenziell günstiger werden. Billig wird das jedenfalls nicht: Deutschland bestellt derzeit sechs Systeme Iris-T-SLM für 950 Millionen Euro – als kleinen Teil seines nationalen Beitrags. Auf Österreich dürften Gesamtkosten von gut zwei Milliarden Euro zukommen. (Stefanie Rachbauer, Conrad Seidl, 2.7.2023)