Klinik Favoriten, Zufahrt
Im Spital in Favoriten können ab sofort auch freie Anästhesisten auf Honorarbasis tätig sein.
APA/GEORG HOCHMUTH

Die Klinik Ottakring, das ehemalige Wilhelminenspital, ist bei weitem nicht das einzige Krankenhaus in Wien, das aktuell mit Personalmissständen zu kämpfen hat. Dort hielten Ärztinnen und Ärzte der Notaufnahme am Freitag mit Verweis auf die Überbelastung einen symbolischen Warnstreik ab. Aber auch Teile des medizinischen Personals in der Klinik Favoriten arbeiten seit langem am Limit: So ist es bereits ein Jahr her, dass die Urologie der früher Kaiser-Franz-Josef-Spital genannten Einrichtung mit einer Gefährdungsanzeige an die Öffentlichkeit gegangen ist. Die Patienten könnten nicht mehr adäquat versorgt werden, es fehle an OP-Kapazitäten, Anästhesisten und Pflegepersonal. Der Aufschrei war damals groß.

Streikkomitee auch in Klinik Favoriten gegründet

"Ein Jahr später, und die Lage ist noch schlechter geworden", sagt nun ein Arzt aus der Klinik, der namentlich nicht genannt werden möchte. Dass die Kolleginnen und Kollegen in Ottakring einen Warnstreik abgehalten haben, versteht man in Favoriten nur allzu gut. Trotz einiger Briefe an die Generaldirektion des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev) habe sich die Situation nicht verbessert. "Wir haben es satt, den Patienten dauernd erklären zu müssen, warum wir sie nicht rascher operieren oder behandeln können", sagt der Arzt. Daher wurde in der Klinik Favoriten ebenfalls ein Streikkomitee gegründet. Alle chirurgischen Fächer hätten sich diesem angeschlossen. Daraufhin nahm die Generaldirektion Gespräche auf: Der für 3. Juli geplante Warnstreik wurde daher ausgesetzt. Nach diesen Gesprächen bleibt aber Frust, wird dem STANDARD zugetragen. Denn besprochene Zugeständnisse fänden sich in den Gesprächsprotokollen nicht wieder.

Der Mangel an Anästhesisten spitzte sich zuletzt derart zu, dass die Überwachungsstation seit Dezember geschlossen ist. Patientinnen und Patienten, die nach einer Operation eine engmaschigere Betreuung benötigen, als diese im Aufwachraum vorgesehen ist, können damit nicht adäquat behandelt werden. Nur die Hälfte der acht OP-Säle seit bespielbar, jede Abteilung kämpfe um ihre OP-Kapazitäten.

Eine Sprecherin des Wigev bestätigt dem STANDARD, dass derzeit nur vier bis viereinhalb OP-Säle in Betrieb seien. Das sei im Sommer aber nichts Außergewöhnliches und habe es auch schon vor der Corona-Pandemie gegeben. Viele planbare OPs würden auf Wunsch der Patientinnen und Patienten nicht im Sommer stattfinden. Im Wigev wird aber befürchtet, dass aufgrund des Personalmangels auch im Herbst nur vier bis viereinhalb OP-Tische benützt werden könnten: Damit sei eine Reduktion der Operationen von 25 bis 30 Prozent verbunden – vorausgesetzt, dass nicht noch mehr Anästhesisten die Klinik verlassen.

In der Abteilung Anästhesie und operative Intensivmedizin in der Klinik Favoriten sind aktuell immer noch die Hälfte der 36 Dienstposten vakant - und das seit mehreren Monaten. Die Situation sei weiterhin "herausfordernd", heißt es vom Wigev. Um Dienstpläne überhaupt erstellen zu können, müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen anderen Wigev-Kliniken einspringen. Die Klinik Donaustadt stellt laut Wigev etwa zwei Personen zur Verfügung. Aber auch in den anderen Spitälern ist es teils schon knapp – weshalb Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fürs Einspringen in Favoriten ihre wöchentliche Höchstarbeitszeit freiwillig überschreiten können.

250 Euro brutto pro Stunde für Externe

Diese Maßnahme reicht aber nicht aus. Daher versucht der Wigev nun, Leistungen auszulagern. "Ab sofort", heißt es, können frei tätige Anästhesistinnen und Anästhesisten "stundenweise oder für ganze Dienste angefragt und eingesetzt werden". Die Personen werden auf Honorarbasis abgegolten. Als Stundenlohn gebe es bis zu 250 Euro brutto, sagte eine Wigev-Sprecherin dem STANDARD.

Die Maßnahme ziele auch auf Anästhesistinnen und Anästhesisten ab, die in Zahnarztpraxen oder in Ordensspitälern arbeiten. Zudem sollen auch pensionierte Anästhesisten gewonnen werden. Der Wigev spricht von einer "Zwischenlösung": Die Hoffnung sei, einen Pool von 15 bis 20 freien Anästhesisten aufzubauen. Die Maßnahme wurde am vergangenen Montag beschlossen, bisher sind aber noch keine freien Anästhesisten tätig. Im Wigev geht man davon aus, dass die Initiative auf Honorarbasis innerhalb des Spitalsverbunds auch auf Widerstände in der Belegschaft stoßen wird. (David Krutzler, Bettina Pfluger, 3.7.2023)