Klimaministerin Leonore Gewessler startet eine öffentliche Konsultation: Wie soll Österreich die Klimaziele erreichen?
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Es sind zwei Kurven, über die sich das Klimaministerium in dieser Woche freuen kann. Die obere, dunkelblau, stellt dar, wie gut es mit den bis Ende 2021 beschlossenen Gesetzen gelungen wäre, die Emissionen Österreichs bis 2030 zu senken. Darunter, in Hellblau, zeigt eine zweite, dass die Gesetze, die 2022 beschlossen oder weitgehend ausgearbeitet wurden, Wirkung zeigen – die Emissionen sinken.

Auf die Zahlen, die den beiden Kurven zugrunde liegen, ist lange gewartet worden. Über Monate rechnete das Umweltbundesamt, wie weit alle bisher ausgearbeiteten Gesetze den CO2-Ausstoß von Verkehr, Gebäuden und Landwirtschaft senken werden – also in allen Bereichen, die nicht in den Emissionshandel für Energiekonzerne und Industrieanlagen fallen. Dort müssen die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 48 Prozent fallen, um die EU-Ziele zu erreichen – diese Marke wird Österreich nach heutigem Stand um 13 Prozent verpassen.

"Unsere Berechnungen zeigen, dass wir mit den bereits beschlossenen und geplanten Vorhaben dem Klimaziel und der Klimaneutralität ein deutliches Stück näherkommen", erklärt dazu Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt. Mit den Gesetzen, die bis 2021 beschlossen wurden, wäre die Lücke noch deutlich größer gewesen. "Wir stellen aber auch fest, dass die Pläne bei weitem nicht ausreichen."

Die Zahlen, die Lichtblau am Dienstag zusammen mit Klimaministerin Leonore Gewessler vorlegt, sind Teil des Updates des Nationalen Energie- und Klimaplans, kurz NEKP, den Österreich bei der EU-Kommission einreichen muss.

Solche Pläne müssen alle EU-Staaten erarbeiten und darin vorrechnen, wie sie die gemeinsamen Klimaziele erreichen wollen. Für die meisten Staaten heißt es: Hausaufgaben nachholen. Das gilt auch für Österreich.

Neue Kompromisse gesucht

Einfach wird die Suche nach neuen Hebeln wohl nicht. Denn sämtliche bereits konkretisierten Gesetze sind schon eingerechnet – selbst jene, die noch gar nicht final verabschiedet sind. Dazu zählt etwa das Verbot für Öl- und Gasheizungen im Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das erst noch durch den Nationalrat muss. Ansonsten sind auch die beschlossenen Ziele für den Erneuerbaren-Ausbau, die Ökosteuerreform und die neue Kraftstoffverordnung Teil der Rechnung. Für die 13 Prozent sind zusätzliche Instrumente nötig.

Video: Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) präsentierte am Dienstag den Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans.
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Die neu bezifferte Lücke in der Klimagesetzgebung soll die Debatte auf eine neue Ebene heben: Statt nur über einzelne Vorschläge zu streiten, soll jetzt ein Konzept ausgearbeitet werden. Mit welchen neuen Maßnahmen sollen die Emissionen so weit gesenkt werden? Dazu startet das Klimaministerium am Dienstag eine öffentliche Befragung. Der NEKP solle mit "guten und vor allem breit getragenen Maßnahmen" befüllt werden, schreibt das Ministerium.

Entwurf mit über 250 Seiten

Zum Start dieser Befragung legt das Klimaministerium einen mehr als 250 Seiten langen Entwurf vor, der eine Basis für den neuen Plan geben soll und als Update bereits nach Brüssel geschickt werden muss. Darin beschreibt das Ministerium unter anderem vage, in welche Richtung die vielen Maßnahmen gehen sollen.

Aufgelistet ist etwa der Start des zweiten Emissionshandels hinsichtlich Verkehr und Gebäude. Unternehmen, die Kraftstoff zum Tanken oder Heizen verkaufen, müssen pro Tonne CO2 eine Abgabe zahlen – darauf hat sich die EU bereits geeinigt. Danach werden "umfangreiche Investitionen zur Weiterentwicklung des Bahnnetzes" angekündigt sowie eine Steuerbefreiung für Eisenbahnunternehmen für den Strom, den die Bahn aus erneuerbaren Energien selbst herstellt und verbraucht. Auch soll es finanzielle Unterstützung für den Ausbau von Linienbussen geben. Ohne zusätzliche Maßnahmen würde Österreich im Verkehrsbereich in der Zeit von 2021 bis 2030 eine Lücke von 22 Millionen Tonnen CO2 aufreißen, beziffert der Entwurf.

Unter dem Kapitel zu Maßnahmen im Verkehr finden sich Vorschläge für Gebäude und die Wärmeerzeugung – genannt wird hier das Gasheizungsverbot bis 2040 oder eine Förderinitiative für thermisch-energetische Renovierungen. Ähnlich lesen sich die Kapitel zu Landwirtschaft und Abfallwesen. Auch zu diesen Bereichen prognostiziert der Bericht, wie sich die Emissionen mit den bereits ausgearbeiteten Gesetzen entwickeln werden – und wie viele Einsparungen die bereits beschlossen Maßnahmen bringen. In den kommenden Monaten sollen nun die Pläne konkretisiert werden, wie die Zahlen weiter gedrückt werden sollen.

Die Deadline für die finale Fassung bei der EU-Kommission ist im Juni kommenden Jahres. Einfach – das ist jetzt bereits klar – wird es nicht, die 13-Prozent-Lücke zu schließen. (Alicia Prager, 4.7.2023)