Ab 2024 wird der Kraftstoffverbrauch im Verkehr laut Wifo wieder steigen – und damit auch die Emissionen.

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Österreich ist drauf und dran, sein Klimaziel für 2030 zu verfehlen, warnt das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) in seiner jüngsten Prognose. Als Teil seiner vierteljährlichen Konjunkturzahlen veröffentlichte das Institut eine Vorschau auf die Entwicklung der Treibhausgasemissionen. Die Vorschau für 2024 zeigt: Die Emissionen werden vermutlich leicht ansteigen. Das Wifo sieht eine Entwicklung knapp über null.

Es ist eine vernichtende Prognose: Ein neuerlicher Anstieg – so klein er auch ist – würde es noch deutlich unwahrscheinlicher machen, dass die Klimaneutralität bis 2040 erreicht werden kann.

"Die Trends, die jetzt zu beobachten sind, zeigen nicht in die Richtung der Klimaneutralität. Im Gegenteil, wir entfernen uns immer weiter von dem Ziel", erklärt Wifo-Ökonom Mark Sommer. Um die Klimaneutralität zu erreichen, wäre jedes Jahr eine Reduktion in Höhe von mehr vier Millionen Tonnen CO2 nötig, so Sommer. Mit jedem Jahr, in dem die Reduktion geringer ausfällt – oder die Emissionen gar wieder steigen –, muss in den Folgejahren zusätzlich mehr eingespart werden.

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Der Ölpreis sinkt, die Emissionen steigen

Die Prognose für 2024 bedeute, dass Österreichs Emissionen dann bereits knapp 15 Prozent über dem Abbaupfad liegen, der für die Klimaneutralität bis 2040 nötig wäre, warnt auch Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr bei der Pressekonferenz am Donnerstag. "Es muss sehr schnell sehr viel mehr passieren in der Klimapolitik, sonst ist das Regierungsziel nicht mehr zu halten", fordert er.

Als Hauptgrund dafür, warum die Emissionen 2024 leicht steigen, nennt Mark Sommer einerseits den dann erwarteten leichten Konjunkturaufschwung sowie den voraussichtlich sinkenden Ölpreises. Damit werde auch der Kraftstoffverbrauch wieder steigen, so Sommer.

Für das laufende Jahr erwartet das Wifo einen Rückgang der Emissionen um drei Prozent. Im kommenden Jahr sollen sie dann noch einmal leicht sinken, bevor dann die Trendwende zu mehr Emissionen einsetzt – wenn bis dahin nicht noch ernsthafte Schritte gesetzt werden.

Rund neun Prozent Erdgas eingespart

Die drei Prozent Emissionsreduktion, von denen das Wifo spricht, sind eine leichte Verbesserung im Vergleich zur Herbstprognose, als das Institut einen Rückgang von 2,2 Prozent voraussagte.

Die Gründe dafür sind, dass sowohl der Kraftstoffverbrauch im Verkehr als auch die Produktion von Stahl niedriger ausfallen als erwartet – wobei der niedrigere Kraftstoffverbrauch damit zusammenhängen könnte, dass weniger Menschen aus anderen Ländern sowie durchfahrende Lkws in Österreich tanken. "Das Verkehrsaufkommen ist nicht gesunken. Wir vermuten, dass die Leute sparsamer fahren und der Tanktourismus weggefallen ist, weil die Preise höher sind als in den Nachbarländern", so Sommer.

Als weiterer Grund für die niedrigeren Emissionen gilt, dass die ersten Herbstmonate mild waren und Österreich statt der bislang geschätzten sieben Prozent immerhin neun Prozent Erdgas im Vergleich zum Vorjahr einsparte.

"Die Prognose für 2024 zeigt uns aber, dass wir die Einsparungen voraussichtlich sehr schnell wieder wettmachen werden", fasst Sommer zusammen.

Falsche Schwerpunkte in Energiekrise?

Angesichts der Entwicklung drängt sich auch die Frage auf, ob die Regierung nicht die falschen Schwerpunkte setzt. Ja, es gibt Investitionen in Erneuerbare und zusätzliches Geld für den Klimaschutz.

So freut sich die Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) über einen Fördertopf für die heimische Industrie, um dort die Klimaneutralität zu forcieren. 175 Millionen Euro sind 2023 dafür vorgesehen, ab 2024 immerhin 400 Millionen. 2023 sind 118 Millionen Euro für die Förderung von privaten Photovoltaikanlagen und Speichern budgetiert. Energieeffizienzmaßnahmen werden mit 190 Millionen Euro gefördert.

Aber all das reicht offensichtlich nicht, um die selbstgesteckten Ziele auch nur annähernd zu erreichen. Damit drängt sich der Verdacht auf, dass der Politikmix der Regierung falsch ist. Die Koalition hat ja heuer enorme Zuschüsse an private Haushalte gewährt, um sie für die hohe Inflation abzugelten, 7,9 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr kommen noch einmal Maßnahmen dazu, darunter die Abschaffung der kalten Progression. Gerade erst diese Woche wurde ein neues Hilfsprogramm aus der Taufe gehoben, für die Länder gibt es eine halbe Milliarde Euro, damit diese dann das Geld an Haushalte verteilen.

Felbermayr: Spielraum für zusätzliche Investitionen

Bleibt angesichts so hoher Ausgaben genug übrig im Budget, um die Anstrengungen für den Klimaschutz zu beschleunigen? Wifo-Chef Felbermayr bejahte das bei der Präsentation der Prognose. Denn durch die hohe Inflation ist die Wirtschaftsleistung, die den Wert der produzierten Güter und Dienstleistungen misst, stark angestiegen.

Das bedeutet, dass die Staatsverschuldung, die in Prozent der Wirtschaftsleistung gemessen wird, rückläufig ist. Trotz aller Ausgaben soll die Staatsschuldenquote von 82 Prozent im vergangenen Jahr auf 74 Prozent im Jahr 2024 sinken. Damit sollte Spielraum da sein, um zusätzliche Investitionen zu finanzieren, so Felbermayr.

Freilich sorgen die Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank dafür, dass sich Kredite verteuern. Österreich finanziert sich langfristig, die steigenden Zinsen tun also nicht sofort weh. Aber je mehr alte Schulden auslaufen und durch teurere neue Schuldscheine ersetzt werden müssen, umso mehr wird das Budget belastet. Vor diesem Risiko warnt Helmut Hofer vom IHS.

Dazu kommt, dass die Prognose für die Verschuldung noch nicht fixierte Hilfsprogramme nicht berücksichtigen kann, wie die gerade angekündigten 500 Millionen. Solche und weiter Maßnahmen wird es für ärmere Haushalte brauchen, da die Inflation hoch bleiben wird. Sie soll 2023 6,5 Prozent betragen. (Alicia Prager, András Szigetvari, 15.12.2022)