Es ist schon eigenartig, wie schnell man sich an ein Ding gewöhnt. Und so verspüre ich beim wöchentlichen Rasenmähen eine Art Phantomschmerz, als ich den guten, alten Akkumäher in gewohnter Manier an der kahlen Stelle vorbeischiebe, wo noch vor zwei Wochen ein Mähroboter seine "Homebase" hatte. Die Kunststoffplatte (ist gleich Ladestation) hat alles, was darunter gewachsen ist, abgetötet.

Designpreis gewinnt er keinen, der Navimow von Segway. Aber das spielt keine Rolle. Ist ja auch kein Schönheitswettbewerb. Er überzeugt durch eine intuitive App und einen gleichmäßigen Schnitt. Der graue Aufsatz auf der
Designpreis gewinnt er keinen, der Navimow von Segway. Aber das spielt keine Rolle. Ist ja auch kein Schönheitswettbewerb. Er überzeugt durch eine intuitive App und einen gleichmäßigen Schnitt. Der graue Aufsatz auf der "Schnauze" des Mähroboters ist eine Kamera, die als "Visual Fence" auch in "herausfordernden" Gärten für Orientierung sorgt.
Markus Böhm

Ein Monat lang war der Navimow von Segway für einen Test zu Gast in unserem Stadtgarten und sorgte für einen – ohne Übertreibung – perfekten Rasenschnitt. Moment: Segway? Sind das nicht die seltsamen Roller, mit denen Touristen das Stadtbild verschandeln? Ja, genau. Der US-amerikanische Hersteller hat sich mit einem chinesischen Unternehmen, Ninebot, zusammengetan, um auch Rasenmäherroboter zu bauen. Tatsächlich kommt diesem Jointventure eine Pionierrolle bei autonomen Mähgeräten mit Satellitennavigation zu. Und das merkt man auch.

Freier Himmel

Im Gegensatz zu herkömmlichen Mährobotern braucht der Navimow, wie auch seine Kollegen, etwa der Ecovacs Goat G1, keinen Draht, der ihm seine Grenzen aufzeigt. Die sind notwendig, damit die Dinger nicht auch das Blumenbeet mitabrasieren. Man spart sich also das mühsame Verlegen des Drahtes. An dessen Stelle nutzt der Navimow ein GPS- und als einziger seiner Art auch das Glonass-Satellitensignal, um seine Grenzen kennenzulernen. Man muss bei der Erstinstallation nur darauf achten, dass die Antenne, ein langer Stab, der mit einem Kabel mit der Ladestation verbunden ist, freie Sicht zum Himmel hat. Die umliegenden mehrstöckigen Häuser wirkten sich jedenfalls nicht negativ auf den Empfang aus. Der Strom kam vom Terrassenanschluss, das Kabel war schnell verlegt und musste nicht eingegraben werden. Alle Komponenten sind qua Norm wasserdicht, die heftigen Regenfälle im Mai haben es bewiesen. Ein Regensensor wiederum sorgt dafür, dass der Roboter im Fall des Falles das Mähen einstellt und in die Station zurückkehrt.

Der Stab mit der Antenne hat sein Plätzchen zwischen Hibiskus und Rose gefunden.
Der Stab mit der Antenne hat sein Plätzchen zwischen Hibiskus und Rose gefunden.
Markus Böhm

Alles Weitere wird per App erledigt. Man muss sich anmelden, Bluetooth einschalten ... ein akustisches Signal gibt die erfolgreiche Paarung bekannt, noch den vierstelligen Pincode (Diebstahlschutz) eingeben und schon kann es losgehen. Dann folgt die Kalibrierung. Um dem Navimow sein neues Revier zu zeigen, muss man mit ihm erst einmal eine Runde drehen. Aber erst muss man noch durch ein Tutorial mit Checklisten und Erklärvideos durch. Dabei kommt leichte Ungeduld auf, muss ich zugeben. Aber dann: Wie ein ferngesteuertes Auto lässt sich das "elektrische Schaf" über einen virtuellen "Joystick" vor und zurück, links und rechts bewegen.

"Gamification", denke ich und trotte hinter dem Ding her, während ich es entlang des Randes meiner Grünfläche lenke. Navimow merkt sich die Strecke, die nun die Außenlinie seines Arbeitsbereichs sein wird. Passiert dabei ein Fehler, hält man das Radiergummisymbol der Handy-App. Dann fährt der smarte Mäher so lange zurück, bis die Linie wieder stimmt. Ein sinnvolles Feature.

Leise längs und quer

Nun darf das Gerät eine erste Proberunde drehen. Dabei optimiert er seine Bahn. Wie, das muss man den Algorithmus fragen. Mittels App lässt sich ein Mähzeitplan erstellen und die Schnitthöhe in fünf Millimeterschritten einstellen. Drei zweischneidige "Rasierklingen", die sich in dem markanten Zylinder am Rand des Gerätes befinden, werden in Bewegung gesetzt. Die eher niedliche Schnittbreite von 21 Zentimetern tut nichts zur Sache. Denn das Ding mäht systematisch längs und quer und lässt keinen Halm ungestutzt. Der Grünschnitt bleibt liegen und dient als Dünger.

Die mitgelieferte App ist quasi
Die mitgelieferte App ist quasi "deppensicher".
Markus Böhm

Der Mäher ist leise, die Klingen sirren kaum hörbar, der kräftige Hinterradantrieb ist praktisch lautlos. In der Kartenverwaltung lassen sich nachträglich auch Sperr- und Übergangszonen definieren, was praktisch ist, wenn man zwei getrennte Rasenflächen getrimmt haben möchte. (Haut gut hin, ich habs mit dem Nachbarrasen probiert). Auch die Grenzen lassen sich via Kartenverwaltung bearbeiten. Für "herausfordernde" Grundstücke kann man Navimow auch mit einer Kamera, dem "Visual Fence", ausstatten. Auch das klappt gut, wie eine Runde im allgemein zugänglichen Garten mit Altbaumbestand, Sandkiste, etc. zeigte. Vor einem herumliegenden Ball blieb er mit gebührendem Abstand stehen. So viel zum Thema Sicherheit.

Per App lässt uns das Gerät auch wissen, was es gerade macht und wie weit es schon gekommen ist.
Per App lässt uns das Gerät auch wissen, was es gerade macht und wie weit es schon gekommen ist.
Markus Böhm

Was macht man mit der gewonnenen Zeit? Biertrinken und mit dem Nachbarn philosophieren, was für und was gegen einen Rasenmäherroboter spricht. Dafür spricht ein top gepflegter Rasen, mehr Freizeit ... dagegen der Preis. Der kleinste Navimow, der 500 Quadratmeter schafft, kostet rund 1.500 Euro. Das wird es wohl so schnell nicht spielen, aber wer weiß. Ich bin nicht abgeneigt. Mit meiner Be­­­geis­terung bin ich nicht allein: Auch Berichte professioneller Tester stellen dem Navimow ein sehr gutes Zeugnis aus.

Der kräftige Hinterradantrieb ist leise, die versteckten Vorderräder passen sich Bodenunebenheiten an.
Der kräftige Hinterradantrieb ist leise, die versteckten Vorderräder passen sich Bodenunebenheiten an.
Markus Böhm

Zurück in der "Homebase", leuchtet Navimow wie ein grünes Ufo, lädt und schlummert. Nur eines Nachts gegen 1.30 Uhr meldet er sich lautstark und reißt mich mit einem akustischen Signal aus dem Schlaf. Er hat mir auch eine Nachricht aufs Handy geschickt (ja, das macht er): "Konnte mähen nicht fortsetzen." Hä? Warum? Ich hab’s nicht rausfinden können. Da hat wohl einer schlecht geträumt. (Markus Böhm, RONDO, 8.7.2023)