Das Bild zeigt eine Nationalratssitzung im Plenarsaal.
Während der Nationalratssitzung nahm ein Besucher plötzlich auf der Regierungsbank Platz (Symbolbild).
APA/GEORG HOCHMUTH

Ungebetenen Besuch haben am Mittwoch die Abgeordneten des Nationalrats zum Auftakt des Parlamentskehraus vor der Sommerpause bekommen. Ein Mann schaffte es während einer Debatte zu einem Volksbegehren auf die zu diesem Zeitpunkt leere Regierungsbank und nahm Platz. Die Botschaft, die er an die Abgeordneten und in die Fernsehkameras richtete: "Es ist eine Schande, wie das Volk belogen wird. Jesus ist eure Rettung."

Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) unterbrach daraufhin die Rede des Neos-Abgeordneten Johannes Margreiter. "Ich würde den Herrn ersuchen, den Sitzungssaal wieder zu verlassen", sagte Bures in dessen Richtung. Der Sitzungssaal sei nämlich nur für Abgeordnete und Regierungsmitglieder bestimmt. Schließlich wurde der Mann von Sicherheitspersonal des Parlaments hinaus geführt. Er gab zunächst an, sich auf dem Weg zur Besuchergalerie verlaufen zu haben. Die Polizei hat daraufhin bei dem Mann eine Identitätsfeststellung durchgeführt und Anzeige wegen Ordnungsstörung erstattet.

Nationalrat:
Während der Rede des Neos-Abgeordneten Johannes Margreiter machte es sich ein fremder Mann auf der Regierungsbank gemütlich. Zu sehen ist die Szene ab 04:11.
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Wahlwerber und Verschwörungstheoretiker

Bei dem Besucher handelt es sich um Mark Hanno Fessl. Der Uhrmacher aus Kärnten zählte zu den mehr als ein Dutzend unbekannten Kandidaten bei der Bundespräsidenschaftswahl 2022. Im vergangenen August vom STANDARD danach gefragt, warum er Präsident werden möchte, antwortete er: Er wolle "Gott an die erste Stelle stellen, im persönlichen Leben und in der Regierung". Und er wolle in dieser Funktion "die Mitbürger über die Dringlichkeit der kommenden Drangsal informieren", wie es die Bibel prophezeie. Sein Wahlspruch: "Kommt zu dem alten Gott, unter seine mächtigen Flügel." Außerdem behauptete Fessl damals, dass es sich bei der Covid-Impfung nicht um eine Schutzimpfung handelt, "sondern um ein genveränderndes Waffensystem". Im Internet macht Fessl regelmäßig mit Verschwörungstheorien auf sich aufmerksam.

In einem Video, das auf Twitter kursiert, berichtet Fessl von seinem Besuch im Nationalrat. Er habe sich auf der Regierungsbank auf den Platz von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gesetzt, und seine Botschaft verkündet. Nachdem der Mann hinausgeführt worden war, sei er von der Polizei verhört worden. In dem Video sagt Fessl, dass er mit seiner Aktion von seinem "Bürgerrecht Gebrauch" machen habe wollen. Sicherheitschecks im Parlament seien laut seinen Angaben "ausgeschaltet" gewesen. Er selbst könne sich nicht erklären, warum niemand seine Anwesenheit bemerkt habe. Eine Stunde habe er sich unbehelligt im Plenarsaal des Parlaments aufgehalten. Das einminütige Video beendet er mit den Worten: "Gott schütze uns!"

Kein Zutritt für Unbefugte

Aus der Parlamentsdirektion wird auf STANDARD-Anfrage betont, dass es auch an Sitzungstagen des Nationalrats einen "laufenden Besuchsbetrieb im Parlament" gebe. "Wir gehen davon aus, dass der Mann als Besucher ins Parlament gekommen ist", sagt ein Sprecher der Parlamentsdirektion.

Zum Plenarsaal haben Besucherinnen und Besucher des Parlaments freilich keinen Zugang – die Türe zum Saal kann wie zahlreiche andere Türen im Parlament nur mit einer Zutrittskarte geöffnet werden, über die lediglich berechtigte Personen verfügen. Zu ihnen zählen etwa Abgeordnete, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Parlaments sowie Medienvertreterinnen und Medienvertreter. In der Parlamentsdirektion geht man davon aus, dass der Mann "mit durchgeschlüpft" sei, als eine berechtigte Person die Tür zum Plenarsaal geöffnet habe. Dort herrsche schließlich ständiges Kommen und Gehen, heißt es.

In Gesetz gegossen

Abseits davon verlief der erste Tag des dreitätigen Parlamentskehraus unspektakulär. Für die größte Aufregung sorgte der Beschluss der ORF-Reform, die das Ende der GIS-Gebühr und statt ihr eine Haushaltsabgabe bringt. Monatelang führten dieses und ein paar weitere Vorhaben – etwa das Raserpaket, das es ermöglicht, Extremrasern das Auto zu beschlagnahmen, die Novelle des Korruptionsstrafrechts, die Verschärfungen im Korruptionsbereich bringt, das Krisensicherheitsgesetz sowie eine neue Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt – für hitzige Debatten in der Öffentlichkeit.

Im Schatten dieser Aufreger-Themen werden im Zuge jeder Nationalratssitzung eine Vielzahl weiterer Vorhaben in Gesetz gegossen – und zwar vergleichsweise geräuschlos. Dieser Tage sind es knapp 40 an der Zahl. So wird etwa der Strafrahmen für Cybercrime-Delikte erhöht oder der Ausbau von Schutzunterkünften für von Gewalt betroffene Frauen beschlossen. Außerdem werden im Zivilrecht Video-Zuschaltungen vor Gericht nun auch nach Ende der Pandemie möglich sein. Mit dem Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz wird eine EU-Vorgabe umgesetzt, wonach Hostingdienste terroristische Inhalte auf Basis von Behörden-Anordnungen innerhalb einer Stunde löschen müssen.

Neu eingeführt wird ein Anspruch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, bis zu vier Wochen pro Jahr freigestellt zu werden, um ein Kind bei einem Rehaaufenthalt zu begleiten. Freiwilligenarbeit soll aufgewertet werden und zwar durch die Erhöhung des Mindest-Taschengelds für Jugendliche, die ein Freiwilliges Sozialjahr absolvieren. Mit Änderungen im Elektrizitätswirtschaftsgesetz soll es Unterstützung geben, das günstigste Stromprodukt zu finden. Auch die Gründung eines Primärversorgungszentrums soll erleichtert werden, indem diverse bürokratische Hürden abgeschafft werden.

Nicht zuletzt soll eine Änderung des Weingesetzes eine Qualitätssteigerung bringen. (Sandra Schieder, 5.7.2023)