Junge Maispflanzen auf einem Feld in Deutschland. 
Wissenschafter sehen vor allem Vorteile – Teile der Politik, Verbraucher- und Umweltschützer die Nachteile.
IMAGO/Rainer Keuenhof

Gentechnik hat in Österreich einen schlechten Ruf – wenn es um Lebensmittelproduktion geht. Die Landwirtschaftsvertretung ist seit Jahren dagegen, Verbraucherschützer und Umweltorganisationen ebenso.

Die EU-Kommission pocht auf die Chancen: Neue Gentechnikmethoden sollen Ackerpflanzen widerstands- und leistungsfähiger machen. Raps und Weizen, die herbizid- und mehltauresistent sind, Tomaten, die den Blutdruck senken, die Wissenschaft macht so etwas möglich. Es sind konkret Methoden der neuen Gentechnik (NGT), wie etwa die Gen-Schere CRISPR/Cas, die sich enorm weiterentwickelt haben. In Ländern wie den USA, Kanada und Japan bauen Landwirte solche neuen Sorten teilweise schon an.

Die Frage, wie künftig in Österreich und der EU mit diesen neuen Gentechnikmethoden umzugehen ist, erregt die Gemüter weiterhin. Kritiker werfen der EU-Kommission vor, das EU-Gentechnikrecht für die Landwirtschaft aufweichen zu wollen und neue Methoden "ohne umfassende Risikoprüfung oder Kennzeichnungspflicht" zuzulassen. Am Mittwoch kam nun der Gesetzesvorschlag. Für Pflanzen, die durch solche Methoden gezüchtet wurden, sollen die Vorschriften deutlich gelockert werden, für die Biolandwirtschaft soll weiterhin ein komplettes Verbot jeglicher Gentechnik gelten. Dem Vorschlag müssen das EU-Parlament und die Regierungen zustimmen.

Getreideähren mit Totenkopf im Hintergrund. Symbolbild zum Thema Pestizide
Die Landwirtschaft muss Pestizide reduzieren. Das geht auch mit neuen gentechnologischen Methoden, werben die Befürworter.
imago images/IlluPics

Was dafür spricht

FÜR: Die Landwirtschaft ist in der Klimakrise Opfer und Täter zugleich. Sie bewirtschaftet zu viele Böden intensiv, setzt zu viele Schädlings- und Unkrautbekämpfungsmittel ein, für Biodiversität bleibt zu wenig Raum. Die zunehmenden klimabedingten Extremwetterperioden setzen auch den landwirtschaftlichen Produzenten zu. Für die Nahrungsmittelversorgung ist das keine gute Nachricht. Immer wieder sorgen Dürren, Hagel oder Starkregen dafür, dass es auf den Märkten zu Engpässen und damit auch teilweise zu drastischen Preissprüngen kommt.

All das ist reichlich ineffizient. Mit neuen, besser angepassten Genzüchtungen – die etwa auch mit weniger Wasser auskommen oder resistenter gegen Schädlinge sind – ließen sich wohl viele dieser Verwerfungen vermeiden. Die Forschung in dieser Richtung müsste verstärkt werden. In der Medizin ist das erwünscht, in der Landwirtschaft hoch umstritten. Dabei hätte der Einsatz von neuen "Powerpflanzen" – die den natürlichen Mutationen schon unglaublich ähnlich sind – nicht nur für die Ernährungssicherheit positive Folgen. Auch die Landwirte wären vor negativen Überraschungen und Ernteausfällen besser gefeit.

Viele Wissenschafter streichen die Vorteile heraus. Verfahren, die Gene in das Erbgut von Pflanzen übertragen, sind demnach tatsächlich in der Lage, Pflanzen resistenter gegen Trockenheit zu machen oder Stickstoff besser zu verwerten, was auch den Bedarf an Düngemittel reduziert – mit neuen Technologien kann man in dieser Frage auf Fortschritte hoffen. Europa erwiese sich einen Bärendienst, wenn es diese Chancen nicht nutze. Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, fordert nun eine faktenbasierte Debatte ein. Die Zeit dafür ist gekommen. 

Eine Lupe ist auf eine österreichische Teebutter gerichtet - darauf das Label
Gentechnikfrei ist vielen Konsumenten und Konsumentinnen nach den entsprechenden Kampagnen der Hersteller ein hohes Gut.
ARGE Gentechnik-frei

Was dagegen spricht

WIDER: Neue gentechnische Methoden (NGT) wie das Verfahren der Geneditierung (wie die Gen-Schere CRISPR/Cas), mit denen präzise Eingriffe in das Erbgut möglich sind, haben in den Augen der Kritiker den Nachteil, dass dies etwa zu unbeabsichtigten genomischen Veränderungen führen könnte. Das Einfügen neuer Eigenschaften in eine Pflanze birgt immer das potenzielle Risiko, zu negativen Auswirkungen auf Ökosysteme und die biologische Vielfalt zu führen, meinen Kritiker. Damit haben sie nicht ganz unrecht, bloß besteht dieses Risiko seit jeher auch bei konventionellen neuen Züchtungsverfahren und Sorten.

Statt Gentechnik braucht es Pflanzenvielfalt, nachhaltige Bodenpflege, Humusaufbau und weiniger Pestizide, so argumentieren Umweltschützer – besonders in Österreich. Hierzulande ist man mit dem Kurs, Bio möglichst breit zu promoten und mit vielen Förderungen auch zu unterstützen, bisher ganz gut gefahren. Der Bioanteil ist besonders hoch. Auch was den Klimawandel betrifft, sind die Landwirte nicht untätig, ganz ohne Gentechnik. Weinbauern bemühen sich, Ursachen und Folgen des Klimawandels zu lindern, durch Wiederbelebung der Böden, Beweidung mit Schafen, Biodiversität, Einsatz historischer Sorten. Andere versuchen es mit neuen Kulturen wie Lavendel. Technologische Methoden wie Gentechnik stehen dem in den Augen vieler entgegen.

Psychologisch sind die Bedenken auch aus anderen Gründen nachvollziehbar. Die starke Marktkonzentration weniger Saatgutkonzerne bei dem Thema bereitet Konsumenten wie Produzenten Sorge. Außerdem müssen die Konsumenten die Wahl haben, ob sie solche Produkte auf dem Teller haben wollen oder nicht. Dafür braucht es eine transparente Kennzeichnung. (Regina Bruckner, 6.7.2023)