Viktor Orbán und seiner Fidesz ist es nicht nur gelungen, Ungarn als liberale Demokratie zu demontieren. Der Orbánismus ist heute ein politischer Entwurf, der für Parteien der extremen Rechten in ganz Europa nachahmenswert ist. Zu den Zutaten der Strategie gehören die Schwächung der Opposition durch Wahlrechtsreformen, die Ausschaltung kritischer Medien, das Hinausdrängen von Intellektuellen und der Gebrauch antisemitischer Stereotype. Orbán bemüht dabei in Reden und Kampagnen gern den US-amerikanischen Multimilliardär George Soros als Feindbild. Sein liebstes Narrativ: Soros, der aus einer jüdischen Familie stammt, sei daran beteiligt, gezielt Migrationsströme nach Europa zu locken.

Österreichs Kanzler Karl Nehammer und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán bei einer Pressekonferenz vergangenen Freitag beim Migrationsgipfel in Wien.
Karl Nehammer und Viktor Orbán
APA/GEORG HOCHMUTH

Rasche Korrektur

Nun hat Orbán diese Botschaft nach Wien getragen: Bei einer Pressekonferenz mit Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić sprach Orbán am Freitag davon, wie Migranten vom "NGO-Netz" des George Soros dazu verleitet würden, nach Europa zu kommen. Und Nehammer? Der schwieg, sagte dazu kein Wort der Entgegnung.

Die ÖVP sollte das rasch korrigieren, ansonsten muss sie sich vorwerfen lassen, dass der Kampf gegen Antisemitismus bei ihr nur ein Lippenbekenntnis ist. Die Volkspartei hat in den vergangenen Jahren, trotz der Zusammenarbeit mit der FPÖ, klargemacht, dass sie null Toleranz für antisemitische Ausfälle hat. Die Partei hat sich den Kampf gegen Judenfeindlichkeit auf die Fahnen geheftet. Umso unverständlicher ist, Orbáns Tiraden unwidersprochen zu lassen.

Plumpe und allgemeine Verdächtigungen

Dabei geht es nicht darum, dass es nicht legitime Kritik am Unternehmer Soros geben kann. Soros hat 2008 in Ungarn eine Geldstrafe ausgefasst, weil er mit Aktien der ungarischen OTP-Bank spekulierte. Das kritisch zu diskutieren ist nicht antisemitisch. Aber das ist nicht, was Orbán tut: Er stellt plumpe und allgemeine Verdächtigungen in den Raum. Je unkonkreter, desto besser. Die Anspielungen auf den großen jüdischen Drahtzieher im Hintergrund, der irgendwas mit Migration zu tun hat, reichen aus. Das Zielpublikum versteht schon.

Österreich ist es bisher gelungen, die Auswüchse des Orbánismus in Schach zu halten. Das zeigt ja unter anderem, dass sich die von Soros gegründete Central European University 2019 in Wien ansiedelte, nachdem sie aus Budapest von der Fidesz vertrieben worden war. Das Fatale in Ungarn ist heute, dass Orbáns Worte kaum noch Widerspruch finden. Selbst seine Gegner sind abgestumpft. Das darf in Österreich nicht passieren. (András Szigetvari, 9.7.2023)