Im Gastblog schreibt Harald Havas über neue Entwicklungen rund um das Ufo-Phänomen.

Der bereits im letzten Blog beschriebene neue Gesetzesentwurf des US-Senats hat in den USA und auch außerhalb heftige Reaktionen von Verblüffung über Kopfkratzen bis zu blankem Unglauben ausgelöst. Das Gesetz – und vor allem die darin verwendete spezielle Sprache – ist allemal wert, noch einmal einen genaueren Blick darauf zu werfen.

In den letzten Jahren haben verschiedene US-amerikanische Parlamentarier jährlich beschlossene Gesetze zur Regulierung und Finanzierung der Geheimdienst und Streitkräfte, alles sogenannte "must pass laws", sozusagen nebenbei als Mechanismus zur Verabschiedung von UAP-bezogenen Gesetzen genutzt. Auf diese Weise wurden Aufgabenbereiche erweitert, Task-Forces geschaffen und einschlägige Whistleblower von NDAs ("non-disclosure agreements", Verschwiegenheitsvereinbarungen) entbunden. Letzteres nutzte unter anderem kürzlich David Grusch – der in seiner vorherigen Funktion tatsächlich sogar am Wortlaut dieses Gesetzes mitgearbeitet hatte.

U.S. Kapitol
Ein Gesetzesentwurf wirft mehr Fragen zum Ufo-Phänomen auf, als er beantwortet.
REUTERS/Elizabeth Frantz

Die demokratische Senatorin Kirsten Gillibrand und der republikanische Senator Marco Rubio, beide Mitglieder in Ausschüssen zu Geheimdienstfragen, in ihrer jeweiligen Parteihierarchie weit oben und beide bereits ehemalige Präsidentschaftskandidaten in den jeweiligen Vorwahlen ihrer Parteien, nutzten nun vor zwei Wochen den "S.2103 – Intelligence Authorization Act for Fiscal Year 2024" für eine weiteren beispiellosen legislativen Vorstoß. Der IAA ist ein in den USA jährlich beschlossenes Gesetz, das unter anderem die Aufgabenstellung der Geheimdienste sowie deren Verpflichtung dem Kongress zu berichten regelt. Der im neuen Entwurf eingebrachte Text definiert und erweitert zum einen die Aufgaben von AARO ("All-domain Anomaly Resolution Office"), das seit einem Jahr für die Erforschung von unidentifizierten anomalen Phänomenen (UAP) und mit der Berichterstattung darüber vor dem Kongress beauftragt ist. Zum anderen werden darin militärische Forschungsinstitutionen und zivile Vertragspartner ultimativ und in spektakulären Formulierungen dazu aufgefordert, Forschungen an Material "nicht irdischer Herkunft" bekanntzugeben.

Der Text kann unmöglich erst ad hoc aufgrund der öffentlichen Aussagen von David Grusch der Presse gegenüber entstanden sein, dafür war die Zeit zu knapp. Der Gesetzgeber wusste bereits lange davor davon. Tatsächlich hatte Grusch seine Aussagen bereits 2021 und 2022 vor Teilen des Kongresses gemacht. Einer der Proponenten des Gesetzestextes, Senator Marco Rubio, wies weiters kürzlich in einem Interview darauf hin, dass es mehrere glaubwürdige Quellen höchstrangiger Personen gibt, die Ähnliches und Bestätigendes vor Ausschüssen ausgesagt hätten.

Hier nun Auszüge aus dem Gesetzesentwurf mit wenigen Anmerkungen und Hervorhebungen von mir. Diese sind nicht suggestiv gemeint, sondern eine persönliche Interpretation. Jeder Leser und jede Leserin ist herzlich dazu eingeladen, andere Schlüsse zu ziehen.

UAP, exotische Technologien und Reverse Engineering

Unter Abschnitt (Titel) XI "OTHER MATTERS" gegen Ende des Textes finden sich die hier relevanten Stellen.

TITEL XI – SONSTIGE ANGELEGENHEITEN 
[(…) interne Sprachregelung]
SEK. 1104. FINANZIERUNGSBESCHRÄNKUNGEN IM ZUSAMMENHANG MIT NICHT IDENTIFIZIERTEN ANOMALEN PHÄNOMENEN.
(a) Definitionen . – In diesem Abschnitt:
(4) UNIDENTIFIZIERTE ANORMALE PHÄNOMEN. – Der Begriff "nicht identifizierte anomale Phänomene" hat die Bedeutung, die diesem Begriff in Abschnitt 1683(n) des National Defense Authorization Act for the Fiscal Year 2022 (50 USC 3373(n)) in der Fassung gegeben wird Abschnitt 6802(a) des Intelligence Authorization Act for the Fiscal Year 2023 (Public Law 117–263).

Diese Definition für UAPs wurde bereits im letzten Blog abgebildet und dort in einer übersetzten Form publiziert.

b) Ansicht des Kongresses. – Es ist die Ansicht des Kongresses, dass aufgrund des zunehmenden Potenzials für technologische Überraschungen durch ausländische Gegner und um eine ausreichende Integration in der industriellen Basis der Vereinigten Staaten sicherzustellen und Informationsengstellen [im Bereich] Technologie und Sicherheit zu vermeiden –
(1) die industrielle Basis der Vereinigten Staaten ihre weltweite Führungsrolle bei kritischen Spitzentechnologien behalten muss; und
(2) die Bundesregierung das Bewusstsein für alle vorangegangenen historischen Fälle exotischer Technologien schärfen muss, die die Bundesregierung vormals für Forschungs- und Entwicklungszwecke bereitgestellt hat.

Das ist der erste Aha-Moment. Diese Wortwahl bezieht sich offensichtlich auf die oft kolportierten, nun ja, exotischen Artefakte, die sich im Besitz der amerikanischen Regierung befinden oder befunden haben sollen. Solch ein Wording fügt niemand ein, wenn es keine Basis dafür gibt, in Form von starken Hinweisen oder sogar Beweisen, die allerdings, da hoch klassifiziert, der Öffentlichkeit nicht bekannt sind und sein können.

(c) Eingrenzungen .—
(1) IM ALLGEMEINEN: Keine durch dieses Gesetz oder ein anderes Gesetz [zukünftig oder bereits] freigegebene Finanzierung darf direkt oder indirekt, ganz oder teilweise, für, im Zusammenhang mit oder zur Unterstützung von Aktivitäten budgetiert oder ausgegeben werden[, die] im Zusammenhang mit nicht identifizierten anomalen Phänomenen [stehen], die durch irgendeine Form von besonderem Zugang oder eingeschränkten Zugangsbeschränkungen ["special access or restricted access limitations"] geschützt sind und nicht formell, offiziell, explizit und spezifisch gegenüber den entsprechenden Ausschüssen des Kongresses, der Kongressführung und dem Direktor [von AARO] beschrieben, erklärt und gerechtfertigt wurden, inklusive für alle Aktivitäten im Zusammenhang mit Folgendem:

Die hervorgehobene Wortwahl zielt eindeutig auf mögliche Geheimprogramme ab, die bisher vor dem Kongress verborgen wurden.

(A) die Rekrutierung, Beschäftigung, Schulung, Ausstattung und den Betrieb sowie die Bereitstellung von Sicherheit für Personal der Regierungs- oder Vertragsunternehmer mit der primären, sekundären oder Eventualfall-Aufgabe der Erfassung, Bergung und Sicherung von UAP-Fahrzeugen oder Teilen solcher Fahrzeuge.

Der letzte Part spricht für sich und lässt auf das Vorliegen unmittelbarer vertraulicher Informationen schließen. Die erste hervorgehobene Stelle bedeutet, dass nicht nur das Anstellen von Forschungspersonal, sondern bereits auch das Anstellen von Sicherheitspersonal für solche Forschungen meldepflichtig ist oder, wenn nicht gemeldet, illegal. Das erweitert auch den Kreis möglicher Whistleblower in eigenem Interesse.

(B) die Analyse solcher Fahrzeuge oder Teile oder Komponenten davon, einschließlich zum Zweck der Bestimmung von Eigenschaften, Materialzusammensetzung, Herstellungsmethode, Herkunft, Merkmalen, Verwendung und Anwendung, Leistung, Betriebsmodalitäten oder Reverse Engineering solcher Fahrzeuge oder Technologie ihrer Komponenten.

Auffallend ist hier, dass der ebenfalls bisher eher in Ufologenkreisen gebräuchliche Ausdruck "revese engineering" (es gibt keine gute deutsche Übersetzung, am ehesten Nachkonstruktion) explizit und wörtlich Eingang in diesen Gesetzestext gefunden hat. In einem Interview könnte so etwas ein Augenzwinkern in Richtung von Ufogläubigen sein, in einem Gesetzestext hat es nichts zu suchen, wenn es dafür keine Substanz gibt.

(C) das Betreiben und die Bereitstellung von Sicherheit[sdiensten] zum Schutz von Aktivitäten und Informationen im Zusammenhang mit nicht identifizierten anomalen Phänomenen vor Offenlegung oder Durchsickern ["compromise"].

Ein weiterer Hinweis auf vermutete Vorenthaltung von Tätigkeiten.

(D) Handlungen im Zusammenhang mit Reverse Engineering oder dem Nachbau ["replicating"] nicht identifizierter anomaler Phänomene, Technologie oder Leistung, basierend auf der Analyse von Materialien oder Informationen durch Sensordaten und Beobachtung im Zusammenhang mit nicht identifizierten anomalen Phänomenen.

Hier verlassen wir den Bereich von Artefakten und erweitern auf die Nutzung von Beobachtungsdaten.

(E) Die Entwicklung von Antriebstechnologie oder Luft- und Raumfahrtfahrzeugen, die Antriebstechnologie, -systeme oder -subsysteme verwenden, die auf Untersuchungen, Analysen oder Reverse Engineering von geborgenen, nicht identifizierten anomalen Phänomenen Fahrzeugen oder Materialien basieren, daraus abgeleitet oder davon inspiriert sind.
(F) Jedes Luft- und Raumfahrzeug, das andere Antriebstechnologien als chemische Treibstoffe, Solarenergie oder elektrischen Ionenschub verwendet.

Die im letzteren Teil beschriebenen Antriebe umfassen sämtliche bisher von der Menschheit in der Luftfahrt benutzten Antriebe. Die Rede ist als von "anderen", was auch immer das sein mag. Auch hier liegt die Vermutung nahe, dass der Kongress weiß, wonach er sucht.

Berichterstattungspflicht

(...)
(d) Benachrichtigung und Berichterstattung . – Jede Person, die derzeit oder vormals mit der Bundesregierung unter Vertrag steht oder stand und über Material oder Informationen verfügt, die von der Bundesregierung bereitgestellt oder von ihr abgezweigt ["derived"] wurden und sich auf nicht identifizierte anomale Phänomene beziehen, die vormals oder derzeit durch irgendeine Form von Sonderzugang oder eingeschränkter Zugang ["special access or restricted access"] geschützt sind, müssen –
(1) spätestens 60 Tage nach Inkrafttreten dieses Gesetzes den Direktor [von AARO] über diesen Besitz informieren; und
(2) spätestens 180 Tage nach Inkrafttreten dieses Gesetzes dem Direktor zur Beurteilung, Analyse und Inspektion zur Verfügung stellen –

Mit dem Inkrafttreten ist voraussichtlich Ende 2023/Anfang 2024 zu rechnen.

(A) alle diese Materialien und Informationen; und
(B) eine umfassende Liste jedes nicht von der Erde stammenden ["non-earth origin"] oder exotischen UAP-Materials.

Einer der explosivsten Stellen des Textes. Wenn das gesuchte und möglicherweise vorhandene UAP-Material nicht von der Erde stammt, ja bitte, woher dann?

(e) Haftung: Gegen eine Person darf wegen des Erhalts von in Unterabschnitt (d) beschriebenem Material oder Informationen keine straf- oder zivilrechtliche Klage vor einem Bundes- oder Landesgericht eingereicht oder aufrechterhalten werden, wenn diese Person die im entsprechenden Unterabschnitt beschriebenen Melde- und Meldebestimmungen einhält.

Die "jail free card" sowie ein Lockangebot. War die bisherige Tätigkeit aufgrund der Geheimhaltung vor dem Kongress illegal, kann sich jede betroffene Person durch diesen Paragraphen freikaufen. Somit eine effektive Erweiterung der Whistleblower-Gesetzgebung des Vorjahrs.

(f) Einschränkung hinsichtlich unabhängiger Forschung Und Entwicklung.—
(1) IM ALLGEMEINEN. – In Übereinstimmung mit der Department of Defense Instruction Number 3204.01 [(...)] sind unabhängige Forschungs- und Entwicklungsmittel im Zusammenhang mit den in Unterabschnitt (c) beschriebenen Materialien oder Informationen nicht als indirekte Ausgaben für die Zwecke von Verträgen zulässig, die unter diese Anweisung fallen, es sei denn, diese Materialien und Informationen werden dem Direktor gemäß Unterabschnitt (d) zur Verfügung gestellt. [(...)]

Noch ein Warnschuss. Auch wenn die Finanzierung aufgrund bestehender Verträge bisher (im Geheimen) Usus war, wird eine solche Verwendung von Mitteln nunmehr explizit als illegal bezeichnet – wenn sie AARO und dem Kongress gegenüber weiter verheimlicht werden.

Weitere interessante Textpassagen

Im Abschnitt (Titel) VI des gleichen Gesetzes werden übrigens die Belange von Whistleblowern konkretisiert und aktualisiert. Auch der Abschnitt (Titel) IX "Anomalous Health Incidents" könnte bei so manchem zum Hochziehen der Augenbrauen führen. Gleich am Anfang geht es dabei um nicht näher spezifizierte "Verletzungen des Gehirns", wobei später auch Regelungen im Zusammenhang mit dem immer noch geheimnisvollen Havanna-Syndrom aufgeführt werden. Das ist insofern interessant als der bekannte Forscher Gary Nolan, der schon öfters in diesem Blog zitiert wurde, bei vielen Interviews angab, früher keinerlei Interesse an Ufos gehabt zu haben, bis Geheimdienstmitarbeiter der Regierung an ihn herantraten, um ihn mit der Erforschung von seltsamen Symptomen und Blutbildern von Personen zu beauftragen, die laut deren Angaben nach dem Kontakt mit "exotischen Gefährten" auftraten.

Eine exakte Legislative zum Thema "anomale Gesundheitsvorfälle" scheint angebracht, da bereits 2015 ein amerikanischer Armeeangehöriger wegen erlittener Schäden aufgrund des Kontakts mit einem Ufo um finanzielle Entschädigung klagte und recht bekam.

Datenbank

Das alleinige Ziel dieses Blogs ist es, über aktuelle wissenschaftliche und politische Entwicklungen rund um das Ufo-Phänomen zu berichten. Weder werden anekdotische sensationelle Einzelfälle von Sichtungen, Entführungen oder anderer Art dargestellt, noch historische Vorfälle, außer sie stehen im Zentrum einer aktuellen wissenschaftlichen Untersuchung oder Gesetzgebung.

Leider wird das von vielen Lesern und Leserinnen dieses Blogs immer wieder missverstanden, übersehen oder in Zweifel gezogen. Deswegen habe ich nun eine (im Aufbau befindliche) Datenbank zusammengestellt, bestehend hauptsächlich aus Links, die in dieser Blogserie bereits gesetzt wurden und die exakt und ausschließlich diese beschriebenen Themen beinhalten. Zum einen, um selbst Zugriff darauf zu haben, zum anderen aber auch für jeden Interessierten und jede Interessierte zum Selbststudium. Insbesondere die gängigsten skeptischen Vorwürfe werden dort aufgegriffen und mit Fakten widerlegt. Wie etwa:

Wer sich dafür interessiert, die Datenbank, die regelmäßig ergänzt werden wird, findet sich hier.

Ausblick

Wo stehen wir also derzeit? Je nachdem, was man als Beweis für anormale oder exotische Phänomene ansehen möchte und gelten lässt, gibt es derzeit tausende Beweise oder, wenn man alle Schrauben des Skeptizismus besonders fest anzieht, gar keine. Tatsache ist, dass die offiziellen Bestätigungen von Regierungen spärlich sind, auch wenn die US-Regierung bereits 2020 bekannt gab, dass UAPs real sind und vom Pentagon erforscht werden.

Aber egal wo man in der Sache steht, die Datenlage wird sich demnächst vermutlich deutlich verbessern. Wenn der Senat tatsächlich so schnell handelt, wie derzeit gemunkelt wird, könnte es bereits Ende Juli öffentliche Anhörungen mit Whistleblower David Grusch und möglicherweise weiteren Informanten, etwa solche, auf die er sich bezieht, geben. Auch die UAP-Taskforce der Nasa hat Ende Mai erste Ergebnisse ihrer Tätigkeit "in den nächsten Wochen" angekündigt, die sollten also bald kommen. Weiters könnten die geplanten und hier dargestellten Gesetze möglicherweise Personen oder Institutionen dazu bewegen, schon proaktiv vor dem Inkrafttreten ihr Wissen mitzuteilen. Auch die Ergebnisse der Untersuchungen der Materialien eines mysteriösen außersolaren Objekts, die Avi Loeb und sein Team vom Grunde des Meeres geholt haben, dürften in Harvard in den nächsten Wochen vorliegen.

Generell scheint es nicht nur in den USA, wenn auch vor allem dort, eine große Aufbruchstimmung zu geben, und auf die eine oder andere Art darf in der nächsten Zeit mit Enthüllungen gerechnet werden. Und sei es die Enthüllung, dass hinter dem gesamten UAP-Phänomen nichts steckt als Missverständnisse, Desinformation, Lügen, Größenwahn und Scharlatanerie. (Harald Havas, 10.7.2023)