Im Gastblog zeigt Christian Allner, wie das wirtschaftliche und infrastrukturelle Wachstum Tansanias voranschreitet.

Der afrikanische Kontinent hat sich in den letzten zehn Jahren vom Status einer Entwicklungsregion zum Hoffnungsträger entwickelt. Der Lebensstandard auf dem Kontinent liegt im Durchschnitt noch immer weit unter dem in westlichen Industrieländern, das Potenzial, das Afrika aufgrund seiner jungen Bevölkerung und seiner reichen Rohstoffvorkommen birgt, ist aber groß.

Durch den effizienten Einsatz eigener Ressourcen und umfangreiche Investitionen aus Unternehmen der Industrienationen konnte Afrika sein Bruttoinlandsprodukt innerhalb der letzten zehn Jahre um rund 30 Prozent steigern. Tansania gehört zu den großen Gewinnern dieser Entwicklung. Das Land in Ostafrika hat sich als wachstumsstark und zukunftsweisend erwiesen. Die Digitalisierung und der Tourismus sind zwei Aspekte, die das Vorankommen des Landes prägen.

Mit Digitalisierung zum beliebten Reiseland

Die Digitalisierung eröffnet neue Entwicklungschancen für Länder, in denen strukturelle Herausforderungen das wirtschaftliche Wachstum hemmen. Tansania gehört als Teil Subsahara-Afrikas zu den Ländern, die dieses Potenzial schon früh erkannt und genutzt haben.

2020 hat das Institut für Neue Märkte unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort eine Studie unter dem Titel "Digitalisierung in den Zukunftsmärkten Subsahara Afrikas – Chancen und Geschäftsmodelle für österreichische Unternehmen" veröffentlicht. Die Arbeit ergänzt diverse WKO-Studien zu den Chancen sowie zu Markteintritt und Geschäftsmodellen für Subsahara-Afrika. Die Studie zeigt, dass es vor allem neue, durch die Digitalisierung möglich werdende Konzepte wie eine Erweiterung des E-Commerce, spezialisierte Mobile-Payment-Lösungen, Apps, Cloud-basierte Komplettlösungen, Onlinemarketing und Social-Media-Kampagnen sowie neue Geschäftsmodelle wie Pay-per-Use oder Rent-instead-of-Buy sind, die wirtschaftliches Potenzial bergen und Tansania als Wirtschaftsstandort auch für ausländische Investoren langfristig interessant machen.

Bisherige Erfolge wie die Lern-App Silabu oder der E-Auto-Umrüster E-Motion Africa machen da Hoffnung. Ein spezielles Augenmerk gilt dabei dem Tourismus als wirtschaftlichem Standbein. Viele der digitalen Lösungen können genutzt werden, um das Land als Reisedestination bekannter und beliebter zu machen. So sind zum Beispiel die Einreisemodalitäten selbst durch die wachsende Digitalisierung für Reisende komfortabler geworden. Inzwischen ist es beispielsweise offiziell möglich, das erforderliche Einreisevisum für den Aufenthalt in Tansania digital zu beantragen und im Land ausschließlich in digitaler Form mitzuführen.

Luftansicht auf Daressalam
Luftansicht auf Daressalam, die größte Stadt Tansanias mit über fünf Millionen Einwohnern.
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Ein wesentlicher Faktor, der Tansania zu einer begehrten Destination und einem Reiseziel für Touristen macht, ist die stabile Infrastruktur. Hier leistet die Digitalisierung einen großen Beitrag. Im medizinischen Sektor hat sich in den vergangenen Jahren beispielsweise viel getan. Tansania gehörte zu den Vorreitern im Bereich E-Health und hat früh damit begonnen, die Möglichkeiten digitaler Medien zur Verbesserungen der Gesundheitsleistungen und der Dienstleistungen im Gesundheitsbereich zu nutzen. Insbesondere die Chancen, die M-Health (mobile Dienstleistungen im Gesundheitswesen) bietet, haben das Land vorangebracht. So können gesundheitsrelevanten Informationen über mobile Endgeräte bis in ländliche Regionen transportiert werden.

Digitale Sprechstunden, Aufklärungs- und Präventionsarbeit, unterstützende Apps für Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder HIV oder für werdende Mütter während der Schwangerschaft, die Vernetzung von Gesundheitseinrichtungen, Fachkliniken und Apotheken zur besseren Auslastung des medizinischen Versorgungsnetzes, die Konsultation von Spezialistinnen und Spezialisten in Tansania und im Ausland bei komplexen Diagnosen und Therapien all das hat sich Tansania schon früh über einen konsequenten Ausbau der E-Health-Angebote eröffnet.

Bereits 2009 fanden sich einige Pioniere im Bereich Gesundheitswesen zusammen und gründeten in Tansania gemeinsam die M-Health Community of Practice. Ziel ist es, im Gesundheitssektor Daten und Wissen auszutauschen, Kapazitäten zu bündeln und effektiv einzusetzen sowie medizinisches Fachpersonal, Entwickler und Hersteller von medizinischen Produkten und Forschungseinrichtungen digital miteinander zu vernetzen, um das Potenzial der medizinischen Versorgung besser ausschöpfen zu können. 2011 wurde die M-Health Community of Practice vom Gesundheitsministerium in Tansania als offizielle Arbeitsgruppe anerkannt. Mit der Präsidentschaft von John Magufuli fand außerdem die District Health Information Software 2 (DHIS2) im ganzen Land breite Anwendung. Die an der Universität Oslo entwickelte Software für Gesundheitssysteme unterstützt umfangreiche Standards im Bereich E-Health, die sicherstellen, dass Angebote im Gesundheitssektor nach den Richtlinien der WHO gestaltet werden.

Tourismus als starke Säule für die Wirtschaft

Tansania ist nach wie vor eines der am häufigsten besuchten Reiseziele auf dem Kontinent. Das Land wird als zweitgrößter Markt hinter Kenia geführt, gilt aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur als stabil und konnte sich auch als Reiseland etablieren.

Ein interessanter Sektor für die wirtschaftliche Entwicklung ist die Tourismusbranche. Als Reisedestination erfährt der Kontinent Afrika seit Jahren stetigen Zuwachs. Tansania zählt dabei aufgrund seiner Naturschönheit, der kulturellen Vielfalt und seiner beeindruckenden Tierwelt zu den beliebtesten Zielen für Touristen. Bei einer Rundreise in Tansania eröffnet sich vielen erst, wie bekannt das Land auch in Europa ist: Seien es die Naturreservate mit dem Serengeti-Park, in denen sich die sogenannten Big Five (Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard) noch tummeln oder die ansässigen Stämme der Massai, die vor allem durch das Buch Die weiße Massai und den gleichnamigen Film populär wurden. Die bekannte Insel Sansibar gehört ebenso zu Tansania wie die Kahawa-Plantagen. Kahawa ist ein Begriff aus der Swahili-Sprache (Tansania ist eines der Kernländer dieser Sprache) und bedeutet eingedeutscht Kaffee. Kaffee ist ein Exportgut des Landes, aber zieht auch Touristen an, welche sich für die Ursprünge des Kultgetränks interessieren.

Durch innovative Reisekonzepte hat sich Tansania zu einem Reisemagneten entwickelt und macht die Tourismusbranche zu einer starken Säule für den Arbeitsmarkt und die Gesamtwirtschaft; allein 2023 wird im Segment Reisen & Tourismus der Umsatz auf etwa 694,30 Millionen Euro geschätzt. Zum Vergleich: Der österreichische Tourismus-Sektor betrug 2021 fast 10 Milliarden Euro, aber das österreichische Bruttoinlandsprodukt BIP lag in diesem Zeitraum auch fast siebenmal so hoch wie jenes von Tansania.

Holzbrücke ins Meer
Blick auf die Insel Sansibar, früher eine Sklaveninsel, heute als Touristenmagnet zu Tansania gehörend.
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Da der Tourismus langfristig aber vor allem von der Vielfalt und individuellen Angeboten für eine möglichst breite Zielgruppe lebt, haben sich inzwischen Konzepte entwickelt, die über die Idee von der klassischen Safari hinausgehen. Das hat auch mit der Entwicklung zu tun. Laut Statista Market Insights werden im Jahr 2027 voraussichtlich 64 Prozent des Gesamtumsatzes im Reisen- und Tourismus-Markt Tansanias online erwirtschaftet.

2020 gingen durch die Corona-Pandemie die Einreisen von Besucherinnen und Besuchern aus touristischen Gründen um fast 75 Prozent zurück, mit gravierenden wirtschaftlichen Einbußen für die Branche. Inzwischen ist im Tourismus wieder ein Aufwärtstrend zu spüren. Insbesondere aus Europa und China sind wieder verstärkt touristische Reisen in das Land zu verzeichnen.

Tansania als digitaler "Tigerstaat" im Entstehen?

Tigerstaaten sind eigentlich in Asien zu finden und beschreiben dort die vor allem im 20. Jahrhundert wirtschaftlich aufstrebende Länder Taiwan, Südkorea, Hongkong und Singapur, aber die Analogie wird auch gern auf andere Regionen angepasst. Denn die Einbußen während der Pandemiezeit haben Tansania zwar deutlich die Abhängigkeit vom Tourismus offengelegt, was aber zu einer Neuausrichtung geführt hat. Mit der Digitalisierung haben sich neue Möglichkeiten für Tansania aufgetan. Das Land präsentiert sich heute als zukunftsorientiertes Chancenland, das konsequent in den Ausbau seiner Infrastruktur investiert, um sich im internationalen Vergleich besser zu positionieren. Mit der Wiederbelebung der Tourismusbranche nach den Einbußen durch die Corona-Pandemie hat ein wesentlicher Motor für die Weiterentwicklung wieder Fahrt aufgenommen.

Wenn es Tansania gelingt, den Reiz, den es als Reiseland auf Touristen ausübt, mit dem Komfort und der Sicherheit innovativer digitaler Lösungen zu kombinieren, kann der aktuelle Boom in langfristiges wirtschaftliches Wachstum überführt werden. (Christian Allner, 19.7.2023)