Wien ist zu heiß. Nicht nur jetzt gerade, sondern generell im Zeichen der heißesten Sommer. Das liegt, unter anderem, an einer Wiener SPÖ und ihrem Bürgermeister sowie an einem generellen Denken der Bevölkerung, der Stadt- und Straßenplaner und der "Wirtschaft".

Hier wird zu viel zubetoniert, zu viel Boden versiegelt, werden zu viele Parkplätze errichtet, zu viele Wohnbauten ohne angemessene Begrünung (Bäume) gebaut, zu viel alter Grünbestand vernichtet, und wo junge Bäume gepflanzt werden, gehen sie oft wieder ein, weil sie nicht oft genug gegossen werden. Immobilienentwickler wollen im dichtverbauten Gebiet auch noch die baumbestandenen Innenhöfe der Gründerzeitviertel zubetonieren, und in den Nobelvierteln am Rande des Wienerwaldes werden alte Villen mit parkähnlichem Garten weggerissen und durch öde Luxuswohnungskästen ersetzt, wobei dann ein magerer Grünstreifen übrig bleibt. Und so weiter.

Hitze Wasser Stadt Beton
Es braucht Bäume und Grünflächen gegen die Hitze in der Stadt. Sprühnebel kühlen nur kurz.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Was soll diese Matschkerei? Das werden jetzt viele, inklusive der Wiener Stadtverwaltung, fragen: Wien ist doch eh grün, die Parks, die Alleen, der Wienerwald, und auch in Stadterweiterungsgebieten wie der Seestadt Aspern steht doch eh alle 20 Meter ein Baum.

Stimmt bis zu einem gewissen Grad – nur, wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht: Einerseits wird bei der Neugestaltung von Straßen, Plätzen, Gegenden auf die dringend notwendige klimagerechte Begrünung nicht geachtet. Beton und Asphalt drüber, und geht schon. Das entspricht einem alten Denken sowohl sozialdemokratischer Ordnungspolitiker wie konservativer Wirtschaftstreibender. Andererseits wird bestehendes Grün permanent und immer noch an allen Ecken und Enden angeknabbert. Fällt eh nicht auf, wenn wieder ein Dutzend alte Bäume in der Stadt dran glauben muss (und dafür auf einer weit entfernten Außenfläche ein paar neue gepflanzt werden).

Das ist Wien. In den Ländern, auch den sozialdemokratisch regierten, geht man noch viel großflächiger bei der Zersiedelung, beim Bodenfraß und der Umwandlung landwirtschaftlicher Fläche in Asphaltwüsten vor. Persönliche Meinung: Österreich braucht keine zusätzliche Straße mehr, was gebaut werden kann, sind höchstens bessere Lösungen für Bestehendes. Forscher warnen längst vor den Folgen (demnächst wieder eine Onlinediskussion der Scientists for Future).

Noch dramatischer: Die EU-Bodenstrategie und der Plan, großflächig Renaturierung einzuleiten, drohen am engstirnigen Widerstand der konservativen Volksparteien Europas, inklusive ÖVP, und deren Agrarlobby zu scheitern. In der ÖVP war es einst ein bäuerlicher Vordenker, Josef Riegler, der die "ökosoziale Marktwirtschaft" erfunden hat. Heute stehen Christdemokraten und Rechtskonservative auf der Bremse, um ihre landwirtschaftliche Klientel nicht von einem unhaltbar gewordenen System entwöhnen zu müssen.

Es ist heiß, aber dass wir auch hier vor einer Zeitenwende stehen, vor grundlegenden Veränderungen, damit wir halbwegs lebenswert weiterleben können, hat sich noch nicht bis in die politische Entscheidung (und das Denken vieler Menschen) durchgesprochen. Ganz zu schweigen von politischen Parteien wie der FPÖ, die den Klimawandel überhaupt leugnet. Die politische Diskussion dreht sich um Dinge, die mit dem erfahrbaren, fassbaren Hier und Jetzt absolut nichts zu tun haben. (Hans Rauscher, 12.7.2023)