Eine Kutte mit dem Logo Bandidos. Darauf zu sehen ist ein mexikanischer Bandit mit Revolver und großer Machete. 
Die Bandidos sind in den vergangenen Jahren stets daran gescheitert, in Österreich Strukturen aufzubauen. Nun dürfte eine ehemalige Neonazigruppe maßgeblich daran beteiligt gewesen sein, dass die Biker ein beachtliches Waffenarsenal aufbauen konnten.
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Was Kriminalbeamte in den Morgenstunden des 26. Juni bei Razzien in Oberösterreich und Niederösterreich gefunden haben, lässt sie noch heute staunen: dutzende Langwaffen, Maschinenpistolen, Schalldämpfer, Waffenteile (aus denen sich hunderte Glock-Pistolen bauen lassen), 10.000 Schuss Munition, sogar Granatwerfer. Das alles passte kaum noch auf das Foto, mit dem die Ermittler ihren Fund samt NS-Devotionalien wenige Tage später bei einer Pressekonferenz präsentierten.

Das Waffenarsenal wird der international agierenden Bikergang Bandidos zugeordnet, die sich angeschickt haben soll, einen Ableger in Oberösterreich zu gründen. Womöglich wäre das den sogenannten Rockern ohne die Überreste der zerschlagen geglaubten Neonazigruppe Objekt 21 nie gelungen. In den Jahren davor waren erste Versuche der Bandidos, Fuß zu fassen, gescheitert. Platzhirsch sind hierzulande nämlich die Hells Angels, weltweit die größte derartige Gang. Alles abgesehen von jener Rockerbande war in Österreich nicht der Rede wert – bis jetzt.

Die Hells Angels und die Bandidos, zwei Rivalen amerikanischen Ursprungs, lieferten sich in den 1990ern heftige Bandenkriege in Skandinavien, in Deutschland und in der Schweiz etwa sorgen sie mit blutigen "Rockerkriegen" für Aufsehen. Teils setzte es in Deutschland Verbote für sogenannte Chapter, also die Ländergruppen der Ableger. Österreich ist von dieser Form der Kriminalität bisher verschont geblieben. Waren die Bandidos gerade dabei, das zu ändern? Welche Pläne hatten sie? Und wie gefährlich sind die Bikergangs hierzulande wirklich?

Faktor Gesetzlose

Ein Termin in der Abteilung Organisierte Kriminalität des Bundeskriminalamts in Wien, wo Beamte der AG Corium den Bikergangs auf die Finger schauen. Sie waren für die "Enthauptung" der Bandidos zuständig, wie die jüngste Razzia intern genannt wird.

Einer der Kriminalbeamten, der mit dem STANDARD spricht, will seine Identität wegen der Ermittlungen anonym halten. Er stellt sich erst gar nicht vor. Grundsätzlich hält er fest: Motorradklubs in Österreich seien nicht als Ganzes in der Hand von "Outlaws". Damit sind Gesetzlose, gemeint, die nach ihren eigenen Regeln leben wollen. Nach Schätzungen des Bundeskriminalamts gibt es von ihnen in der österreichischen Rockerszene etwa 30 bis 60.

"Ein Leben nach innen"

Ähnlich verhalte es sich mit den kriminellen Machenschaften im Bikermilieu. Diese beschränkten sich auf einzelne Personen und Ableger in Gebieten, in denen etwa Suchtgifthandel oder Gewaltexzesse zutage treten würden, erklärt der Kriminalbeamte. Wie gefährlich die Szene in Österreich sei, darüber lasse sich keine allgemeingültige Aussage treffen – zu divers ist die Gruppe. Nach Einschätzung der Behörde seien die Gangs auch weniger eine Gefährdung für die Allgemeinheit, sie würden eher "ein Leben nach innen" führen.

Die Hells Angels verfügten hierzulande eher über ältere Mitglieder, die zwar Respekt genießen würden – jene in Vorarlberg, einer der ältesten Ableger Europas, sogar weit über die heimischen Ganggrenzen hinaus. Aber organisierte Kriminalität spiele im Vergleich zu Deutschland eine eher untergeordnete Rolle. Österreich sei schlicht zu klein für Rockerkriminalität in großem Stil. Verhältnisse wie in Deutschland, wo Bikergangs massiv junge Männer rekrutieren, "erleben wir nicht so", sagt der Kriminalpolizist. Die "Verrückten" orte er besonders unter den Jungen: Diese müssten sich innerhalb der Gang erst beweisen und neigten daher eher zu Kriminalität.

Aber es gibt "Ausreißer". Erst heuer im Juni konnten bei einem Hells Angel in Wien Waffen, fünf Kilogramm Cannabis, 250 Gramm Kokain und 28.000 Euro Bargeld sichergestellt werden. Waffen gebe es bei den heimischen Bikern allerdings "nicht in der Dimension, wie man glauben würde", erzählt der Ermittler. Umso mehr überraschte die Beamten, wie organisiert das Waffenarsenal der Bandidos in Ober- und Niederösterreich bereits gewesen war, obwohl es die Rockergang in Österreich offiziell eigentlich noch gar nicht gibt.

Wie die Allianz der Bandidos mit den Neonazis von Objekt 21 zustande kam, darüber grübeln die Ermittler momentan. Womöglich waren Letztere für den Aufbau der Rocker in Österreich maßgeblich.

Im Zuge der Razzien kam es zu sechs Verhaftungen. Darunter war nicht nur ein ehemals führender Kopf von Objekt 21, der zur Blütezeit der Gruppe Kontakte ins Rotlichtmilieu hatte. Auch der mutmaßliche Waffendealer der Bandidos zählt dem Vernehmen nach dazu. Er habe eine Vergangenheit bei der Neonazigruppe und soll dort schon vor Jahren für sein breites Sortiment an Waffen bekannt gewesen sein. Es gilt die Unschuldsvermutung. Auf das Konto von Objekt 21 gingen etwa Brandstiftungen, Raub und Menschenhandel. Aber auch Anschläge mit Buttersäure im Rotlichtmilieu. 

Zufällige Kooperation?

Die Kooperation der Bikergang mit den Neonazis lässt für die Ermittler auch noch keine eindeutige Schlussfolgerung dahingehend zu, was die Gruppe mit dem Waffenarsenal vorhatte. Ging es um Vorbereitungen für einen Revierkampf mit den Hells Angels, um Waffenhandel oder um Umsturzpläne in der Republik?

Im Bundeskriminalamt hält man es derzeit nicht für ausgeschlossen, dass sich der Bund zwischen Bandidos und Objekt 21 eher "zufällig ergeben" habe, die Neonazis in der Rockergang einen "größeren Schutz" für ihre eigenen Strukturen gesehen haben könnten. Denn: "Ein Outlaw ist per se kein Nazi", sagt der Kriminalpolizist im Hintergrundgespräch. Auch in Deutschland war bisher eher von einem "punktuellen Zusammenwirken" der beiden Szenen die Rede. Objekt 21 pflegte allerdings einst schon eine Kooperation mit den Hells Angels in Deutschland. 

Und wie wirkt sich der jüngste Schlag gegen die Bandidos auf die Bikerszene insgesamt aus? Das könne sich in beide Richtungen bewegen, sagt der Kriminalpolizist. Die Razzia könnte die Bandidos geschwächt haben – wobei nicht ausgeschlossen ist, dass sie nach einer gewissen Zeit wieder Strukturen etablieren können. Genauso gut könnte der Zulauf nun umso stärker werden, nachdem deutlich wurde, wie gut aufgestellt die Gruppe in Österreichs bereits war. (Jan Michael Marchart, 12.7.2023)