Luftschiffe sind Fahrzeuge mit interessanten Eigenschaften, aber auch einem Imageproblem. Das deutsche Luftschiff Hindenburg brannte bei einem Flug von Frankfurt in die USA im Jahr 1937 beim Landen ab, 36 Menschen starben bei dem Unglück. Viele Menschen halten Luftschiffe deshalb bis heute für wenig sicher. Weil Flugzeuge während und nach dem Zweiten Weltkrieg die Lufthoheit gewannen, gelten Luftschiffe im besten Falle als antiquiert.

Der Klimawandel könnte nun ein Comeback des Luftschiffs als breit genutztes Verkehrsmittel bringen. Solarzellen an der Außenhaut und extrem leichte Batterien an Bord könnten Luftschiffe beinahe klimaneutral machen. Diese Hoffnung hegt zumindest der deutsche Informatikprofessor Christoph Pflaum. "Bei einem solarbetriebenen Luftschiff würden überhaupt keine schädlichen Gase entstehen, weder CO2 noch sonst irgendetwas. Das wäre ein vollkommen klimafreundlicher Transport", sagt Pflaum zum STANDARD. Luftschiffe haben riesige Oberflächen – reichlich Platz für Solarzellen.

In drei Tagen nach New York

Pflaum forscht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Gemeinsam mit einer Kollegin der Technischen Universität München sah sich Pflaum an, welche Route so ein Solarzeppelin nehmen müsste, um möglichst schnell und klimafreundlich von London nach New York zu reisen. Von der britischen Hauptstadt an die US-Ostküste würde es demnach drei Tage und zwei Nächte dauern. Von New York nach London zurück nur zwei Tage und eine Nacht. Im Winter müsste das Solarluftschiff über dem Atlantik weit in den Süden ausweichen, um genügend Sonnenstrahlen zu tanken.

Die einzigen Emissionen bei der Fahrt eines solchen Solarluftschiffs entstünden durch das Aufladen der Batterie vor dem Abheben. Im Vergleich zum konventionellen Flugverkehr mit Kerosin lägen die CO2-Emissionen bei der Personenbeförderung dennoch bei nur knapp fünf Prozent davon, rechnet Pflaum vor.

Zeppeline, Luftschiffe, Flying Whales
Visualisierung des französischen Start-ups Flying Whales. In Suresnes forscht man an diesen "fliegenden Walen".
Flying Whales

Kreuzfahrten in der Luft

Unterwegs wäre das Luftschiff gemächlich, laut Pflaum je nach Windrichtung mit 100 bis 200 km/h. Zum Vergleich: Ein Airbus A380 fliegt mit etwa 940 Stundenkilometern. Dafür wäre der Betrieb eines Solarluftschiffs günstiger, weil man Kosten für Treibstoff spare, sagt Pflaum. "Es wäre auch viel bequemer. Man hätte viel mehr Platz als in einem Zug oder einem Flugzeug." Der Forscher träumt von Solarzeppelinen, die Platz bieten "für einen Speisesaal, einen Aufenthaltsraum und für schicke Zweibettzimmer für Passagiere".

Noch sind Solarluftschiffe nur eine Vision. Allerdings: Das kalifornische Unternehmen LTA Research, das von Google-Mitgründer Sergey Brin unterstützt wird, tüftelt an Luftschiffen mit Brennstoffzellen, die Wasserstoff in Strom verwandeln. LTA steht für "Lighter Than Air", leichter als Luft. Diese Technik sei auch schon "ziemlich umweltfreundlich", sagt Pflaum. Andere Firmen, die an Luftschiffen einer neuen Generation forschen, sind Hybrid Air Vehicles (HAV) in Großbritannien und Flying Whales in Frankreich. "Viele sagen, und da werden sie wohl auch recht haben, dass man so ein Solarluftschiff erst einmal für den Gütertransport verwenden wird", sagt Pflaum.

Zeppeline, Luftschiffe, Flying Whales
Die französischen Techniker hinter Flying Whales träumen unter anderem vom Laden und Entladen von Fracht, ohne landen zu müssen.
Flying Whales

Mythos Zeppelin

Luftschiffe faszinieren die Menschen schon seit dem 19. Jahrhundert. Streng genommen "fährt" ein Luftschiff, es "fliegt" nicht. Es steigt auf, weil das Gas im aerodynamischen Auftriebskörper leichter als die Luft in der Umgebung ist. Physiker haben definiert, dass alles, was leichter als Luft ist, fährt.

Die verunglückte Hindenburg kam aus der deutschen NS-Luftreederei Zeppelin. Die Zeppeline aus deutscher Fertigung waren schon vor der NS-Zeit so beliebt und erfolgreich, dass der Firmenname bis heute synonym für "Luftschiff" gebraucht wird. In Frankfurt wird seit 1909 eine Zeppelinwurst produziert. Es handelt sich übrigens um eine grobe Leberwurst.

Keine Absturzgefahr

Wäre aber so ein Solarluftschiff – Stichwort Hindenburg-Tragödie – für Passagiere auch sicher? Man würde zur Sicherheit vermutlich Wasserstoff mitnehmen und ihn über Brennstoffzellen in Strom umwandeln, erklärt Pflaum.

Absturzgefahr herrscht laut ihm ohnehin keine. "Das Schöne an so einem Luftschiff ist ja, dass der Auftrieb im Wesentlichen durch Auftriebskörper, also das Gas, passiert, das sehr leicht ist. Das ist derzeit Helium. Das Luftschiff kann also nicht einfach runterfallen." Pflaum spricht vom Traggas, der Füllung, nicht von Emissionen. Außerdem gebe es oft mehrere Auftriebskörper in einem Zeppelin, womit dieser selbst bei einem Ausfall auf niedriger Ebene weiterfliegen oder nur langsam absinken würde.

Billigflug mit Solarzeppelin?

Ob die Luftschiffe der Zukunft vor allem für den Frachttransport, für den Massenverkehr oder nur für touristische Rundfahrten genutzt werden, ist für Pflaum offen. Er hält alle drei Nutzungen für möglich. "Es könnte auch für manche Leute ein Low-Budget-Flug sein. Es dauert halt ein bisschen länger, aber aufgrund von steigenden Energiepreisen könnte das Luftschiff viel preiswerter sein", sagt Pflaum.

Auch für eine weitere Nutzung sieht der Professor großes Potenzial: Luftschiffe als Höhenplattformen. So könnten Luftschiffe – auch solche mit Solarzellen – stärker als bisher für die Erdbeobachtung, den Mobilfunk und andere Zwecke eingesetzt werden. Diese unbemannten Luftschiffe in großer Höhe würden somit den Satelliten Konkurrenz machen. (Lukas Kapeller, 13.7.2023)