Ein Freiwilliger sammelt Plastikmüll an einem Strand bei Barcelona.
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Wer heute an einem Meeresstrand spazieren geht, wird dort, wo einst Seetang angeschwemmt wurde, immer mehr Kunststoffreste finden. Dieser Eindruck täuscht nicht, in den Meeren schwimmen große Mengen an Kunststoffmüll, der sich zum Teil in riesigen Strudeln sammelt.

Nun zeigt eine neue Studie, dass das Phänomen nicht auf die Meere beschränkt ist. Auch Süßwasserseen sind mit Mikroplastik belastet – zum Teil sogar stärker als die Meere, berichtet ein internationales Forschungsteam mit österreichischer Beteiligung im Fachblatt "Nature". Demnach fanden sich in allen 38 untersuchten Seen aus 23 Ländern Kunststoffpartikel – in dreien davon, dem Luganer See, dem Lago Maggiore und dem Lake Tahoe, mehr als in den am stärksten belasteten Meeresgebieten.

Das Team um Barbara Leoni und Veronica Nava von der italienischen Universität Mailand-Bicocca, dem auch die Limnologin Katrin Attermeyer vom Wassercluster Lunz und dem Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie der Universität Wien angehörte, hat in einer standardisierten Erhebung 38 Seen und Stauseen untersucht. Den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zufolge handelt es sich um die erste global repräsentative, standardisierte Untersuchung von Seen.

Das ernüchternde Ergebnis: Plastikmüll fand sich in allen untersuchten Seen – sogar in jenen Gewässern, die auf den ersten Blick vollkommen unberührt von menschlichen Einflüssen zu sein scheinen. Den weitaus größten Anteil machte mit fast 94 Prozent Mikroplastik mit Partikeln unter fünf Millimetern Größe aus, alle anderen Teilchen waren größer.

Kunststoffmüll im indonesischen Fluss Ciganitri. Ein Teil des Plastikmülls der Meere gelangt über Flüsse dorthin.
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Manche Seen stärker belastet als Meere

21 der untersuchten Seen wiesen Konzentrationen von weniger als einem Partikel pro Kubikmeter auf. Zu dieser Kategorie gehört auch das einzige in Österreich untersuchte Gewässer, der Lunzer See in Niederösterreich. 14 Seen hatten Konzentrationen zwischen einem und fünf Partikeln und drei Seen Konzentrationen von mehr als fünf Partikeln pro Kubikmeter. Die Resultate dieser drei Seen, der zwischen der Schweiz und Italien gelegene Luganer See, der Lago Maggiore in Italien und Lake Tahoe in den USA, hält Attermeyer insofern für "beunruhigend, als sie bereits jetzt eine höhere Mikroplastikbelastung aufweisen als die weltweit am stärksten verschmutzten subtropischen Ozeanwirbel".

Chemisch bestanden die meisten Partikel aus Polyester (PES), Polypropylen (PP) und Polyethylen (PE), was die Expertin wenig überrascht: "PE und PP machen mehr als die Hälfte der weltweiten Kunststoffproduktion aus, während PES für 70 Prozent der gesamten Produktion von Fasern für die Textilindustrie benötigt werden." Dementsprechend waren bei den gefundenen Kunststoffteilchen auch zwei Formkategorien dominant: Fasern (49 Prozent) und Fragmente (41 Prozent), die als "sekundäres Mikroplastik" durch Zersplitterung größerer Kunststoffteile entstehen.

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Besonders anfällig für die Verschmutzung durch Mikroplastik erwiesen sich zwei Gewässertypen: einerseits Seen in dichtbesiedelten und urbanisierten Gebieten und andererseits flächenmäßig große Seen, die vermutlich wegen ihres großen Einzugsgebiets und der langen Wasserverweildauer besonders belastet sind. Die Forscher stellten weitere Zusammenhänge fest: In Seen mit geringer Oberfläche, Maximaltiefe und Uferlänge dominierten blaue oder schwarze Fasern aus PES, während in großen, tiefen Seen mit ausgedehnter Uferlinie transparente oder weiße Fragmente aus PP und PE vorherrschten.

"Jeder See hatte somit quasi seine eigene Plastiksignatur", berichtet Attermeyer. Dies könnte nicht nur bei der Ermittlung möglicher Verschmutzungsquellen, sondern auch bei der Charakterisierung der Auswirkungen der Kunststoffverschmutzung helfen.

Plastik in Korallenriffen

Auch zu Kunststoff in den Meeren gibt es neue Informationen. Eine zweite Studie, die ebenfalls in "Nature" erschien, berichtet von der Untersuchung von 84 Korallenriffen in unterschiedlicher Tiefe im Pazifik, Atlantik und Indischen Ozean auf anthropogenen Makromüll. Ein Forschungsteam um Hudson Pinheiro von der US-amerikanischen California Academy of Sciences konzentrierte sich auf Müll mit einer Größe von mehr als fünf Zentimetern. In 77 Riffen fand man Abfälle, die zum Großteil aus Plastik bestanden. In den tiefer gelegenen Korallenriffen, zwischen 30 und 150 Meter Wassertiefe, wurde besonders viel Müll gefunden. Er stammt überwiegend aus Resten von Angelleinen, Netzen und ausrangierten Reusen aus der Fischerei. (red, APA, 14.7.2023)