Ein Pärchen bummelt durch eine innerstädtische Einkuafsstraße.
Rutschen zu viele Menschen wegen eines zu sorglosen Umgangs mit Geld in den Privatkonkurs? Gläubigerschützer sehen das so und fordern strengere Regelungen.
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Für

Ursprünglich dauerte es sieben Jahre, bis man in Österreich über einen Privatkonkurs seine Restschuld loswerden konnte – sofern man eine Mindestquote von zehn Prozent zurückzahlen konnte. Ab 2017 wurde die Einschränkung gestrichen und die Verfahrensdauer auf fünf, 2021 dann auf die derzeit gültigen drei Jahre verkürzt. Damit hat der Gesetzgeber aus Sicht des Gläubigerschützers KSV 1870, der sich schon damals gegen eine generelle Verkürzung auf 36 Monate ausgesprochen hat, über das Ziel hinausgeschossen. Er verweist auf einen Anstieg der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren im vergangenen Jahr um rund 13 Prozent auf 8.176 Fälle und fordert eine Rückkehr zu einem fünfjährigen Privatkonkurs.

"Auch wenn sich das Konsumverhalten im Vergleich zu früher etwas verbessert hat, ist nach wie vor rund jede vierte Pleite im Privatbereich auf den falschen Umgang mit den eigenen finanziellen Ressourcen zurückzuführen", sagt KSV1870-Experte Karl-Heinz Götze. Denn laut einer Studie seines Hauses ist persönliches Verschulden hierzulande mit 28 Prozent die häufigste Ursache für einen Privatkonkurs. Dazu zählen etwa die Überschätzung der eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder das jeweilige Konsumverhalten. Der zweithäufigste Pleitegrund ist mit 27 Prozent ehemalige Selbstständigkeit. Aber auch die Verringerung des Einkommens, meist durch Arbeitslosigkeit, oder Lebenskrisen wie Scheidung oder Schicksalsschläge wie chronische Erkrankungen treiben hierzulande viele Menschen in den Ruin.

Aber was spricht aus Sicht des KSV gegen die dreijährige Verfahrensdauer? Einerseits führt der Gläubigerschützer an, dass durch die vergleichsweise kurze Entschuldungsdauer den Menschen suggeriert werde, sie könnten ihre Schulden auf relativ einfache Art und Weise wieder loszuwerden: "Die aktuell gültige Rechtsprechung verfehlt ihre präventive Wirkung deutlich, weshalb es strengere Präventionsmaßnahmen braucht – eine Entschuldungsdauer von fünf Jahren wäre eine solche."

Auf der anderen Seite habe die aktuelle Regelung "gravierende Auswirkungen auf die Liquidität der Gläubiger". Es liege auf der Hand, dass es bei einer dreijährigen Entschuldungsdauer meist zu deutlich geringeren finanziellen Rückflüssen komme als innerhalb von fünf Jahren. Als Folge blieben die Unternehmen auf höheren Kosten sitzen, was mittel- und langfristig auch deren eigene finanzielle Stabilität bedrohen könne – und im Extremfall auch die der Belegschaft.

Wider

Er leitet die ASB Schuldnerberatung, Dachorganisation der Branche in Österreich, und lehnt eine Ausweitung ab, da es dann zu einer, aus seiner Sicht anfechtbaren, Ungleichbehandlung der Menschen je nach Pleiteursache kommen würde. Zudem werfe auch persönliches Verschulden, das der KSV als Hauptursache anführt, Fragen auf, nämlich: "Wo beginnt und wo endet persönliches Verschulden?" Der Begriff sei sehr dehnbar. Zum Anteil der Pleiten bei Privatpersonen, die infolge der Corona-Pandemie passiert seien, sagt Clemens Mitterlehner, ASB-Geschäftsführer, dass 2022 bei den Schuldnerberatungen 14 Prozent Corona oder Folgen daraus Hauptgrund für ihre Privatpleite nannten. "Die Hauptgründe für Überschuldungssituationen und Privatkonkurse sind Einkommensverminderungen – Stichwort Auskommen mit dem Einkommen", ergänzt Österreichs oberster Schuldnerberater.

"Arbeitslosigkeit ist ein ganz wichtiger Punkt, denn die Nettoersatzrate liegt nur bei 55 Prozent." Soll heißen, das Einkommen reduziert sich für Betroffene schlagartig. Die Folge: Unter den Menschen in Privatkonkurs befinden sich Mitterlehner zufolge fünf- bis sechsmal so viele Arbeitslose wie in der Gesamtbevölkerung. Wobei auch der Verlust des Arbeitsplatzes in vielen Fällen ohne Verschulden der Arbeitnehmenden eintritt.

Zu dem laut dem KSV Mangel an abschreckender Wirkung meint Mitterlehner: "Ein Privatkonkurs ist kein Honiglecken, egal ob für drei oder für fünf Jahre." Er sei verbunden mit einer Vermögensverwertung oder Unannehmlichkeiten wie einer Meldung an den Dienstgeber. Dazu komme, dass unter Einkommenspfändungen oft auch Kinder der Betroffenen unverschuldet zu leiden hätten. Mit Blick auf den damit verbundenen Konsumverzicht sagt Mitterlehner: "Auch Gesellschaft und Wirtschaft können nicht wollen, dass mitten in der Aufarbeitung der Teuerungs- und Corona-Krise die Konkursregeln für Private verschärft werden."

Nichts können Schuldnerberater dem Vorstoß abgewinnen, den Privatkonkurs wieder auf fünf Jahre zu verlängern – schließlich haben sie sich 2021 auch für die generelle Verkürzung auf drei Jahre starkgemacht. Denn die EU gab in ihrer Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie bloß vor, die Dauer für ehemalige Selbstständige auf drei Jahre zu verringern. Wegen der Corona-Pandemie wurde dies bei der Umsetzung in nationales Recht bis 2026 auf alle Insolvenzursachen ausgeweitet. Genau daran will der KSV1870 nun rütteln, während sich Clemens Mitterlehner vehement dagegen ausspricht. (Alexander Hahn, 14.7.2023)