Verwaltungsrechtler Gerhard Strejcek schreibt in seinem Gastkommentar über Hitze und Trockenheit in Österreich und schlägt Änderungen vor, um die Zersiedelung im ländlichen Raum zu stoppen.

Zu den einfachsten und effizientesten Maßnahmen gegen die Bodenversiegelung gehören der Schutz des Baumbestandes und die Neuauspflanzung, wie sie auch in einigen (wenigen) Gassen der Innenbezirke Wiens vorgenommen wurde. Das hat auch Landschaftsarchitekt Daniel Zimmermann kürzlich an dieser Stelle beschrieben. Seltsamerweise erweisen sich gerade jene Ort, in denen Bundes- und Landesgesetzgeber tagen, also Parlament und Rathaus, als Hitzeinseln, trotz Dachbegrünung am Ring und des naturgemäß grünen Rathausparks. Aber die unmittelbare Umgebung der kommunalen Tintenburg und des einstigen Reichsratsgebäudes weist seltsamerweise überhaupt keine Bepflanzung auf, die Abstrahlung ist vor allem in den Abendstunden spürbar. Das Parlamentsgebäude erstrahlt in neuem Glanz, aber drei der vier Fronten sind versiegelt und "verbollert" worden. Rund 200 Boller und 2.000 Quadratmeter an Steinplatten gegen 20 neue Bäumchen an der Rückseite, das ist eine schlechte Bilanz, geradezu archetypisch für die Halbherzigkeit der Politik, wenn es um Entsiegelung und Stopp der Versiegelung geht.

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Zaun gegen Baum: Mehr Grün würde gegen die Hitze helfen. Die Trockenheit setzt aber natürlich auch den Pflanzen zu.

Wer auf privatem Grund über alten Baumbestand verfügt, weiß, was es bedeutet, Bäume zu pflegen und deren natürliche Produkte, derzeit etwa Linden- und Pappelblüten, später Früchte, dann das Laub zu entfernen, sachgerecht der Bioverwertung zuzuführen. Jährliche Baumpflege und Altholzentfernung ist ein Muss, in Wien ist sie gesetzlich vorgeschrieben, außerhalb wird sie von umweltbewussten Gartenbesitzern realisiert; aber sie kommt teuer und schlägt selbst in einem kleinen Garten mit vierstelligen Summen zu Buche. Das mag mit ein Grund sein, warum auch im Umland Wiens, wo es kein Baumschutzgesetz und kein Gebot der Wiederanpflanzung von Laubbäumen gibt, mitleidlos der Baumbestand entfernt wird. Auch Sträucher und Dickicht, Lebensraum unzähliger Vogelarten und von Kleingetier, fallen derartigen Aktionen zum Opfer.

Warum gibt es hier so wenig Hilfen, Service oder Subventionen? Nichts gegen Photovoltaik, aber auch ein Altbaumbestand trägt zum Klimaschutz bei, in Sachen Hitze sogar viel mehr als eine Energieumwandlungsanlage, deren "Ökostrom" womöglich eine Klimaanlage speist.

Weniger streng

Außerhalb Wiens gelten viel weniger strenge Baumschutzregeln, obwohl kein Mensch sachlich erklären kann, warum es einen Unterschied macht, ob ein Garten in der Donaustadt oder in Langenzersdorf liegt. Die Bundesländer sollen daher auch in den Agglomerationen (St. Pölten, Wiener Umland, Ballungsraum Linz usw.) ihre Naturschutzzuständigkeit ausüben und Gesetze beschließen. Meines Erachtens sollten aber die beträchtlichen Kosten der Baumpflege durch eigene Förderbudgets von den Gemeinden refundiert werden, weil die Linde in Nachbars Garten hunderte Menschen und Tiere mit Sauerstoff und Nahrung versorgt. Das Baumschutzgesetz 1973, das rückwirkend in Kraft trat, war eine Pionierleistung in einer Zeit, in der man viel weniger an Klimaschutz dachte als heute. Eine zweite Maßnahme, die sich auf den Baumschutz und damit verbundene Klimamaßnahmen (Beschattung, Kühlung, CO2-Reduktion, O2-Erhalt, grüne Lunge, Duft) positiv auswirkt, ist die in der Gemeindezuständigkeit liegende Reduktion der Bebaubarkeit von Flächen im Bauland.

Im Gemeindesäckel

Bekanntlich schreitet die Bodenversiegelung durch Einfamilienhäuser und Verkehrsinfrastruktur, aber auch durch periphere Einkaufstempel und Ferienhüttendörfer gnadenlos voran. Dem ist baurechtlich Einhalt zu gebieten, die Gemeinden haben es in der Hand, die Flächenwidmungs- und Bebauungspläne anzupassen. Aber dort, wo das nicht funktioniert, sollten die Länder Vorgaben machen, sei es im Gesetz (Landtage) oder im überörtlichen Raumordnungsprogramm, an das sich die örtliche Raumplanung halten muss. Wenn von ursprünglich 75 Prozent Gartenfläche nach opulentem Neubau nur mehr ein Drittel bleibt, ist etwas schiefgelaufen. Beispiele dafür gibt es zuhauf, leider auch in Wien, Wien hat im Übrigen kein eigenes Raumordnungsgesetz. Im Umland sind die Gemeinden bereits aktiver geworden, aber reichlich spät, nachdem jahrzehntelang das Lukrieren von Gebühren (Aufschließung, Kanal, Wasser) im Vordergrund stand, Motto: je größer, desto mehr in den Gemeindesäckel.

Ländlicher Raum

Die Zersiedelung im ländlichen Raum kann nur gestoppt werden, wenn den Gemeinden und ihren oft eigenmächtigen Funktionären auf die Finger geschaut wird. Nicht nur Bürgermeister, sondern auch Kollegialorgane haften und können gegebenenfalls bei wissentlicher Schädigung eines Rechts verurteilt werden. Aber so weit sollte es nicht kommen, in vielen Gemeinden wächst die Opposition gegen die Zersiedelungsprojekte, die wenigen zu Profit verhelfen und Naturidyllen zerstören.

Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch Parkplätze von Einkaufszentren sowie Bau- und Supermärkten durchaus ökologisierbar sind, nämlich mit Rasengittersteinen und Beschattung durch Bäume. Aber das kostet Geld und erfordert Pflege, daher wird hier freiwillig wenig geschehen, sodass nur Zwang oder finanzieller Anreiz helfen. Alle Menschen, die sich im Umfeld einer solchen Gluthitze bewegen, werden es aber zu schätzen wissen, wenn künftig Bäume, Sträucher und entsiegelter Boden auch jene Bereiche abdecken, in denen Bürgerinnen und Bürger eben einkaufen müssen, um ihren Bedarf zu decken, was im "Grätzel" immer schwieriger wird. Doch das ist eine andere Geschichte. (Gerhard Strejcek, 16.7.2023)