Ein Fahrverbotsschild für Autos mit Verbrennungsmotoren in Kopenhagen.
Bei schlechter Luft sind Euro-5-Diesel von Fahrverboten bedroht – im Fall des Dieselskandals steht auch die Zulassung auf dem Prüfstand.
REUTERS/Fabian Bimmer

Fünf Jahre nach Einbringung der Sammelklagen für 9.000 Dieselbesitzer hat der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ein erstes Teilurteil bekommen. Dieser Spruch ist eine herbe Enttäuschung für die Geschädigten. Denn ein Teil von ihnen bekommt gar keinen Schaden ersetzt, die anderen maximal 8,73 Prozent des seinerzeitigen Kaufpreises. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der VKI geht in die Berufung zum Oberlandesgericht Wien.

Der zugesprochene Schadenersatz liegt damit weit unter der Messlatte, als die beispielsweise das deutsche Musterfeststellungsverfahren gelten darf, in dem sich Volkswagen mit 260.000 deutschen VW-, Seat-, Audi- und Škoda-Autobesitzern verglichen hat. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereis 2021 festgestellt, dass der Zuspruch des Schadens so zu bemessen ist, dass er für die beklagte Partei abschreckend sein muss, damit auch in Zukunft EU-Abgasnormen eingehalten werden, insbesondere im Zusammenhang mit einer weiteren unzulässigen Abschalteinrichtung, die in der Motorsteuerung auch nach der Installation des Softwareupdates vorliegt.

Eigentlich sollte die Abschaltung der Abgasreinigung im Realbetrieb mittels Softwareupdate den 2015 in Amerika und bei elf Millionen Fahrzeugen weltweit eingestandenen Abgasschummel beheben. Es stellte sich allerdings heraus, dass das Softwareupdate seine Wirkung nicht entfaltete und überdies eine weitere unzulässige, diesfalls temperaturabhängige "Umschaltlogik" enthielt.

Volkswagen blitzt ab

Der Richter des Landesgerichts St. Pölten, Kurt Novak, weist in seinem Teilurteil wohl alle Einwendungen von Volkswagen zur angeblich nicht bestehenden Haftung zurück und bestätigt, dass es sich sowohl bei der ursprünglichen Prüfstandserkennung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt als auch beim sogenannten Thermofenster (Abgasreinigung zwischen 15 und 33 Grad und ab tausend Höhenmetern gedrosselt oder ganz ausgeschaltet). Der Schaden ist dem Gericht zufolge allerdings zum Ankaufzeitpunkt zu bestimmen. Auch eine allfällige Vorteilsanrechnung nahm das Gericht nicht vor.

Die Auswirkungen für die rund 700 Betroffenen, für die in St. Pölten ein Preisnachlass um 20 Prozent verhandelt wurde: Sie bekommen wegen der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit – die Schummeldiesel waren und sind von einem Entzug der Zulassung bedroht, weil die Rechtmäßigkeit der Typprüfgenehmigung infrage steht – nach dieser Berechnung maximal 8,73 Prozent des Kaufpreises an Schadensminderung zugesprochen. Geschädigte mit einem Seat Leon bekommen laut dem Urteil gar nichts, während das Gericht für das Modell VW Eos die höchste Schadensberechnung auswies.

Von null bis 8,73 Prozent

Der Ersatz geht nach dem Sachverständigengutachten im Verfahren in St. Pölten in vielen Fällen nicht über 200 Euro hinaus. Das bleibt weit hinter den Vergleichen in Einzelverfahren zurück, in denen die Fahrzeughalter den Kaufpreis abzüglich des Nutzungsentgelts für die seit dem Erwerb gefahrenen Kilometer erhielten. Gegenzurechnen sind allerdings die vier Prozent Zinsen, die Geschädigten laut österreichischem Recht zustehen. Diese Zinszahlungen kompensieren einen Teil des Nutzungsentgelts. Allerdings nur im Fall einer Rückabwicklung des Fahrzeugkaufs. Bei einer Preisminderung, wie sie in den Sammelverfahren eingefordert wird, ist nach Ansicht des VKI gar kein Nutzungsentgelt für gefahrene Kilometer in Abzug zu bringen.

Für Klägeranwalt Michael Poduschka ist das Urteil "völlig unverständlich", weil den Fahrzeugbesitzern in Kürze die Stillegung ihrer Fahrzeuge drohen könnte. Der auf Dieselklagen spezialisierte Anwalt hält die Schadensberechnung des Gerichts für hochproblematisch. Bei der Ermittlung sei das Gericht davon ausgegangen, dass alle Fahrzeugkäufer ab 2015 über den Abgasschummel Bescheid wussten. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Erst 2019 sei bekannt geworden, dass das Softwareupdate wirkungslos ist und überdies eine verbotene Abschalteinrichtung enthält, das Thermofenster, das dazu führt, dass zwischen 15 und 33 Grad die Abgasreinigung außer Kraft gesetzt wird. "Der Markt, also die Dieselbesitzer hatten wahrscheinlich erst ab den EuGH-Erkenntnissen 2022 Kenntnis vom Schaden, nämlich der objektiv eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit auch nach dem Softwareupdate", sagt Poduschka, der für den VKI in die Berufung geht. "Nach diesem Spruch würde ein Betrüger dafür belohnt werden, den Markt nicht nur einmal betrogen zu haben, sondern auch im Anschluss mit einer vermeintlichen Verbesserung, dem Softwareupdate." Der deutsche Bundesgerichtshof in Karlsruhe bewertet den Minderwert mit fünf bis 15 Prozent, in Einzelverfahren zahlte Volkswagen sogar bis zu 30 Prozent. (Luise Ungerboeck, 17.7.2023)