Diesel ade. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg VBB stellt auf einer Sonderfahrt mit einem Akku-Triebzug vom Typ FLIRT des Schienenfahrzeugherstellers
Batterie statt Diesel: Im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg ist der Diesel-Elektro-Triebzug weiß-blau lackiert, fürs ÖBB-Design wird er gewohnt in Rot und Weiß gefärbt.
IMAGO/Jürgen Heinrich

Wien – Beim ÖBB-Personenverkehr geht es Zug um Zug. Nach insgesamt 86 Elektro-Doppelstocktriebzügen für den Nah- und Fernverkehr kauft die Staatsbahn nun Hybridzüge bei Stadler Rail in der Schweiz, erfuhr DER STANDARD aus ÖBB-Kreisen. Vorige Woche wurde der Zuschlag erteilt.

In einem ersten Schritt schafft die Staatsbahn 16 Batteriezüge aus einem Rahmenvertrag für bis zu 120 emissionsarme Hybridzüge an. Weitere werden folgen. Die Batteriezüge des Typs "Flirt Akku" sollen frühestens ab 2026 die auf Nebenbahnen fahrenden Dieseltriebzüge ersetzen. Sobald die Hybridzüge an einem Umsteigebahnhof mit Stromversorgung ankommen, etwa in Wiener Neustadt, switcht der Fahrbetrieb auf Elektro – und die Batterie wird während der Weiterfahrt aufgeladen. Aufwendiges Umspannen entfällt. Eine Innovation stellen die Züge auch deshalb dar, weil sie in Leichtbauweise aus Aluminium gefertigt sind und weniger Energie brauchen als herkömmliche Stahlkonstruktionen. Auf sieben bis neun Millionen Euro taxieren ÖBB-Auskenner einen Hybridzug.

Mireo von Siemens abgehängt

Stadler hat mit dem Akku-Zug Siemens ausgestochen, die mit ihrem Multifunktionszug Mireo ins Rennen gegangen war. Ob der deutsche Elektromulti gegen den Zuschlag an Stadler Einspruch erheben wird, ist nicht überliefert. Die zehntägige Stillhaltefrist nach Zuschlagserteilung läuft – für beide Seiten.

Aus diesem Grund gab es seitens der ÖBB am Montag keine Stellungnahme zu diesem Auftrag. Ein Einspruch seitens Siemens Mobility gilt in der Branche freilich als unwahrscheinlich. Denn damit würde Siemens die Chancen auf den nicht minder attraktiven nächsten ÖBB-Auftrag nicht verbessern. Dabei geht es um einen Rahmenvertrag für die Modernisierung des Nahverkehrs sowie den Regioverkehr, wie der inneralpine Fernverkehr bei der ÖBB genannt wird.

Damit könnten die ersten Schnellbahngarnituren des Typs Talent-1 peu à peu ersetzt werden, von denen seit 20 Jahren an die 170 Stück im Einsatz sind. Allerdings bräuchte vorher noch die Wiener Schnellbahn neues Rollmaterial, die legendären blau-weißen 4020er haben deutlich mehr Jahre auf dem Buckel als die Talent-1-Triebzüge mit der störungsanfälligen Magnetschienenbremse.  

Große Menge, kleinerer Preis

Allein die Zahl der anzuschaffenden Züge ist beeindruckend: Bis zu 540 Elektrotriebzüge könnte die ÖBB in den nächsten Jahren anschaffen. Mit der großen Menge im Rahmenvertrag verschafft sich die Staatsbahn einen besseren Preis. Allerdings ist intern bereits davon die Rede, dass in absehbarer Zeit maximal 200 Züge bestellt werden. 

Der Elektrotriebzug des Typs Desiro ML von Siemens ist bei der ÖBB unter der Marke
Das Design der ÖBB-Nahverkehrszüge Cityjet wird auch auf die Stadler-Züge übertragen. Fahrgäste werden auf den ersten Blick kaum einen Unterschied zwischen den Desiro ML von Siemens und dem Flirt Akku erkennen.
HO / Siemens AG

Dass Siemens, lange Zeit unangefochten Haus- und Hoflieferant der österreichischen Staatsbahn, auch bei diesem Großauftrag leer ausgehen könnte, halten Branchenkenner für ausgeschlossen. Da der Elektro-Mireo von Siemens ebenfalls eine Premiere für die ÖBB darstellt, dürfte der erste Abruf aus dem Rahmenvertrag allerdings kleiner ausfallen. Von einer Größenordnung von 40 Stück ist bei ÖBB-Insidern die Rede.

Einen leichten Stand hat Siemens in der ÖBB derzeit nicht. Denn die Nachtzüge haben ebenso Verspätung wie die neue Generation Railjets, die für den Italien-Verkehr (München bis Verona) geordert, aber bis heute nicht geliefert wurden. ÖBB-Chef Andreas Matthä hat sich ob der Lieferverzögerungen bereits enerviert gezeigt. (Luise Ungerboeck, 18.7.2023)