Entgegen den Vereinbarungen und Erwartungen hat die ungarische Regierung unter Premier Viktor Orbán die Forderungen der EU-Kommission nach Reformen im Justizbereich, um rechtsstaatlichen Normen der Union zu entsprechen, "nicht geliefert". Das bestätigte EU-Budgetkommissar Johannes Hahn im Gespräch mit Journalisten in Brüssel.

Johannes Hahn
Johannes Hahn verteidigt seine vorgeschlagene Erhöhung des EU-Budgets.
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Stopp für Erasmusstipendien

Es seien aus Budapest Antworten gekommen, die aber "nicht mehr waren als bisher", also nicht ausreichend. Daher bleiben die Ungarn an sich zustehenden Zahlungen unter anderem aus dem Wiederaufbaufonds von mehr als fünf Milliarden Euro weiter eingefroren. Bitter für junge Ungarn: Von der Auszahlungsblockade betroffen sind auch Gelder für Erasmusstipendien, mit denen Studierende auf EU-Kosten einen Teil ihres Studiums im Ausland absolvieren können, laut Hahn "noch im laufenden Jahr 2023".

Anlass des Gesprächs waren die Vorschläge der Kommission, den über sieben Jahre laufenden Budgetrahmen der EU bis 2027 um 66 Milliarden Euro aufzustocken. Den Vorschlag hatte der Budgetkommissar im Juni präsentiert, war zunächst bei einigen Staaten wie Österreich abgeblitzt. Befragt, ob er befürchte, dass Orbán nun erst recht das langfristige Budget blockieren könnte, zeigte er sich gelassen: "Mit dieser Erhöhung wird die Finanzierung von Politiken etwa im Bereich Migration abgesichert, die auch Ungarn gefordert hat." Man werde abwarten müssen, wie sich das im Kreis der Mitgliedsstaaten entwickle. Er habe einen "Plan B", aber über diesen zu reden sei zu früh.

Österreichs Eigentor

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hatte gefordert, dass anstatt neuer EU-Gelder durch Beiträge der Mitgliedsländer mit Umschichtung bestehender Budgetposten abgedeckt werden sollen. Wien würde bei den 66 Milliarden Euro einen Anteil von 1,7 Milliarden übernehmen müssen. Brunner meinte, stattdessen sollten nicht abgerufene EU-Kredite aus dem Corona-Wiederaufbau – einem außerordentlichen Budget – verwendet werden.

Laut Hahn wäre das aus Sicht des EU-Nettoeinzahlerlandes Österreich keine gute Idee: Zum einen könnte man dieses "Geld" – es geht um Kredite, die die EU aufnimmt, für die die Mitgliedsstaaten nur bürgen – aufgrund bestehender Beschlusslage gar nicht so einfach verschieben. EU-Staaten hätten das Recht, Gelder bis 2026 abzurufen. Zum anderen käme es Österreich teuer, wenn man Wiederaufbaukredite in Zuschüsse zum regulären EU-Budget umwandeln würde. Die sind von Empfängern nicht rückzahlbar. Nettozahler Österreich müsste also für Kredite anderer Staaten bürgen.

Warum die 66 Milliarden plus im Budget gebraucht werden, begründet Hahn mit den Anforderungen in der Migrationspolitik und vor allem mit dem Ukrainekrieg. Die EU-Regierungschefs haben 50 Milliarden Euro an Hilfen für die Ukraine für die nächsten vier Jahre beschlossen: 17 Milliarden an Zuschüssen, 33 Milliarden an Krediten. Die Kommission plant 1,8 Milliarden Euro pro Monat bis 2025. Der zweite große Brocken, 15 Milliarden Euro, dient der Finanzierung von Maßnahmen für restriktivere Migrationspolitik, Flüchtlingshilfe, Westbalkan und Sicherung der EU-Außengrenzen. (Thomas Mayer, 19.7.2023)