Kleinbus im Gesäuse
Das Gesäusetaxi bringt Bergsteigerinnen und Wanderer auch in entlegene Orte.
Stefan Leitner

Der Zug hat kurz vor Liezen vier Minuten Verspätung. Die rote Schrift in der Scotty-App warnt: Anschluss kann voraussichtlich nicht erreicht werden. Nach dem Halt am Bahnsteig ist also ein Sprint angesagt, um den Bus 910 ins Gesäuse zu erwischen. Der grün-weiße Regio-Bus steht noch in der Haltestelle, der Busfahrer fragt: "Warum rennst denn? Ich warte eh."

Klar, das öffentliche Verkehrsangebot auf dem Land wie hier im steirischen Ennstal ist nicht mit den Ballungsräumen vergleichbar – aber es gibt eines. Und es tut sich was. Während der Wandersaison zwischen Mai und Oktober ist das Busangebot im Nationalpark Gesäuse aufgestockt worden. Zehn zusätzliche Verbindungen zwischen Admont und Altenmarkt gibt es an Wochentagen und acht neue an Wochenenden und Feiertagen. Vorbei am Stift Admont mit seiner berühmten Bibliothek heißt es am Bahnhof umsteigen in den Regiobus 912, der nach wenigen Minuten den Eingang zum Nationalpark erreicht. Rechts und links türmen sich die Berge auf, durch das enge Ennstal führen neben dem Fluss nur eine Straße und die Gleise der Rudolfsbahn.

Ein Bahnhof, ein Parkplatz und ein Nationalparkzentrum - der Gstatterboden ist Ausgangspunkt für die Wanderung auf die Ennstaler Hütte
Stefanie Ruep

In Gstatterboden, dem Ausgangspunkt der Wanderung zur Ennstalerhütte, hält der Bus direkt am Bahnhof. Das Gesäuse ist der einzige Nationalpark in Österreich, durch den ein Zug fährt. Nur wird die Strecke durch das Ennstal, die wegen der Aussicht eigentlich ein Panoramaabteil verdient, überwiegend für Güterzüge aus dem Erzberg genutzt. Der Personenverkehr wurde 2009 de facto eingestellt und auf ein Zugpaar pro Tag an den Wochenenden reduziert. Doch auch auf der Schiene geht es wieder bergauf: Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember fahren die ÖBB mit zusätzlichen Direktzügen von Wien über die Westbahnstrecke ins Gesäuse und weiter nach Bischofshofen. Bisweilen verkehrt von Amstetten wegen Baustellen noch ein Schienenersatzverkehr, doch das soll sich bis Mitte September ändern, heißt es von den ÖBB.

Im Nationalpark-Pavillon führt Nationalpark-Geschäftsführer Herbert Wölger durch die Dauerausstellung und erklärt, warum das Gesäuse schon immer Reiseziel für die Öffi-Anreise war. So habe schon der österreichische Alpinist Heinrich Heß von Wien aus mit der Kronprinz-Rudolf-Bahn Tagestouren ins Gesäuse unternommen. Er gilt als der Erschließer des Gesäuses und hat aus seinen Abenteuern 1884 den ersten deutschsprachigen Kletterführer für ein Alpengebiet geschrieben, der hundert Jahre lang aktuell war. Erst 1988 erschien eine Neubearbeitung.

Parkgebühren eingeführt

In Gstatterboden befindet sich auch einer der größeren Parkplätze, die der Nationalpark seit Jänner bewirtschaftet. Das heißt, es gibt erstmals eine Parkgebühr von sechs Euro pro Fahrzeug und Tag. Einheimische zahlen 40 Euro für eine Jahreskarte. Das habe zunächst für großen Widerstand gesorgt, sagt Herbert Wölger. Doch die Errichtung von Parkplätzen etwa im Bergsteigerdorf Johnsbach in der sicheren Hochwasserschutzzone sei aufwendig und teuer gewesen. Von dem eingenommenen Geld gehe zudem ein Wege-Euro an die alpinen Vereine, die damit die Wanderwege in Schuss halten können.

Die ersten Lenkungseffekte hätten sich schon gezeigt: "Es sind nun gleich viele Gäste im Gelände, aber weniger Autos", sagt der Geschäftsführer des Nationalparks. Denn viele würden aufgrund der Gebühren auf Fahrgemeinschaften setzen.

Wanderer vor einer nebeligen Bergkulisse
Manche Wanderer kommen gleich zu Fuß auf dem Luchstrail vorbei – so wie die Musiker von Silverfuchs auf ihrer Wandertournee.
Stefanie Ruep

Nach etwa einer Stunde Gehzeit treffen wir auf der Kroisen-Alm auf Wanderer mit ungewöhnlichem Gepäck. Sepp Tieber-Kessler hat statt eines Rucksacks eine Gitarre am Rücken. Ein großer gelber Sack und seine Regenjacke schützen das Instrument vor dem leichten Nieselregen. Sein Kollege Stevie Muskatelz hat zwar einen großen Wanderstock dabei, aber sein Instrument für die Wanderung eingetauscht. Den Kontrabass schleppt er nicht die rund 1000 Höhenmeter auf die Ennstaler Hütte, stattdessen hat er mehrere Mundharmonikas im Rucksack. Die beiden sind Mitglieder des Trios Silverfuchs und leidenschaftliche Weitwanderer. Mit ihrem südoststeirischen Hügelland-Blues spielen die Musiker im Zuge ihrer Wandertournee auf allen Hütten, die auf dem Luchstrail liegen.

Ennstaler Hütte
Der Aufstiegspunkt auf die Ennstaler Hütte im Nationalpark Gesäuse ist auch mit Bahn und Bus erreichbar.
Stefanie Ruep

Bei den Konzerten in den Gasthäusern der Talorte stößt auch Schlagzeuger Vlado Vesic hinzu. Untertags gehen Sepp und Stevie den Weitwanderweg, der von Reichraming im Nationalpark Kalkalpen über die Ennstaler Alpen im Gesäuse bis ins Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal und Lunz am See führt. Mehr als 12.000 Höhenmeter und 220 Kilometer gilt es auf insgesamt elf Tagesetappen zu bewältigen.

Ein Luchs ist den Silverfüchsen zwar noch nicht begegnet, aber die Chance besteht: Nationalpark-Chef Herbert Wölger zeigt uns Fotos aus einer Wildtierkamera, die im Winter genau auf unserem Aufstiegsweg eine der größten Katzen Europas fotografiert hat. Nach dem Aufstieg zur Hütte gibt es erst einmal Abendessen. Danach stimmen die beiden Musiker von Silverfuchs in der warmen Stube die ersten Lieder an. Mit Einbruch der Dunkelheit heizt Hüttenwirt Ernst Brunnmayr noch ein Sonnwendfeuer hinter der Hütte an.

Sammeltaxi ins Bergsteigerdorf

Am nächsten Tag geht es nach einem Aufstieg auf den Gipfel des Tamischbachturms wieder bergab zurück nach Gstatterboden. Dort wartet bereits das Gesäusetaxi, das zwei Stunden vorab telefonisch gebucht wurde. Mit dem Sammeltaxi und der Rufbuslinie 922 können nun auch abgelegenen Orte wie etwa Johnsbach oder Gams mit den Öffentlichen erreicht werden. Den flexiblen Mikro-Öffi-Dienst nach einer Startsubvention aufrechtzuerhalten sei ein Kraftakt, weil er vom Land nicht förderfähig sei, erklärt Wögler. Nun tragen Nationalpark, Tourismusverband und die Gemeinden je ein Drittel der Kosten. Langfristig ist das Ziel, das Sammeltaxi als Teil des Öffisystems zu inkludieren und so in die Fahrpläne und ins Klimaticket aufzunehmen. (Stefanie Ruep, 25.7.2023)