Katinka Keckeis
Das Lieblingsbuch von Katinka Keckeis ist "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?".
privat

Lesen spielt im Maßnahmenvollzug durchaus eine Rolle, erzählt sie. "Wir haben eine für unsere Verhältnisse sogar recht große Bibliothek inklusive Romanen, Bildbänden und Fachliteratur, und wir motivieren die Insassen sehr, diese auch zu nützen." Lesen sei ja gerade bei diesen auch so etwas wie eine "geistige Flucht aus einem nicht immer so schönen Alltag". Es gibt welche, die während der Haft ihre Matura nachmachen oder ein Fernstudium abschließen. Dass aber ein Häftling über intensives Studium juristischer Werke in der Gefängnisbibliothek ein Fehlurteil, wegen dem er vielleicht gerade einsitzt, geradebiegt – das gibt es wohl nur im Film. Sie selbst liest zur Entspannung gerne Krimis von Jörg Maurer oder Karsten Dusse, wobei ihr das Whodunit weniger wichtig ist als die Figurenzeichnung und eine gute Prise Humor.

Ihr absolutes Lieblingsbuch aber ist Edward Albees Bühnenklassiker Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, der am 13. Oktober 1962 am Billy-Rose-Theater in New York uraufgeführt wurde. Sie war 16, als sie das Stück zum ersten Mal selbst auf der Bühne sah, gleich danach holte sie sich das Buch aus der elterlichen Bibliothek und las es mit Begeisterung. "Es ist ein Lehrstück über Beziehungsdynamiken, Kommunikation und auch Abhängigkeiten", sagt die Psychologin. "Das Gastgeberpaar Martha und George, das Honey und Nick einlädt, um seine Beziehung zu inszenieren; immer wieder werden dabei kleine Geheimnisse gelüftet und werden Schwächen des anderen genutzt, um das Gegenüber schonungslos vorzuführen; Kämpfe werden ausgefochten und Spiele gespielt, in denen es aber keine Gewinner gibt; die große Lüge, die das Ehepaar in einer Fantasiewelt zusammengehalten hat, wird am Ende zerstört." Positiv könne man sagen, dass sich beide letztlich darauf besännen, dass sie einander hätten und bräuchten. "Für jeden Psychologen, aber auch Laien ist das unfassbar spannend!" Sie habe das Stück dann noch mehrmals auf der Bühne gesehen, aber so brillant, wie Richard Burton und Liz Taylor in der Verfilmung von 1966 das Ehedrama zelebrierten, habe sie es nie wieder erlebt.