Im Gastblog vergleicht der Geologe und Bibliothekar Thomas Hofmann einen wissenschaftlichen Nachruf mit autobiografischen Aufzeichnungen.

"Schon in früher Jugend zeigte er, angeregt durch seinen Onkel, der als Physiker am Kremser Gymnasium wirkte, eine große Vorliebe für die Astronomie, und so ist es selbstverständlich, daß er sich an der Universität speziell dem Studium dieses Faches widmete", so die Worte des Astronomen Viktor Oberguggenberger im Nachruf auf Adalbert Prey (1873–1949). Er würdigt ihn als exzellenten Wissenschafter, ohne aber auf dessen Persönlichkeit einzugehen.

Doch wie war Prey wirklich? Wer war der Onkel? Details finden sich in der Autobiografie Preys, die wiederum nur Persönliches und Privates enthält. Die Kombination beider Quellen zeigt eine ausgewogene Work-Life-Balance. Hier der engagierte und erfolgreiche Wissenschafter, da der gut vernetzte Gesellschaftsmensch, der in vielfältigen Unterhaltungen und Musik seinen persönlichen Ausgleich fand.

Alois Prey
Onkel Alois Prey, selbst Astronom, konnte den jungen Adalbert für die Naturwissenschaften begeistern.
Foto: Archiv GeoSphere Austria

Zurück zum Onkel, der Alois hieß. Er hatte laut Preys Autobiografie Mathematik und Physik studiert und "wurde nach Ablegung der Lehramtsprüfung (1867) seiner Neigung folgend (1869) Assistent an der alten Wiener Sternwarte am Jesuitenplatz unter der Direktion von Karl von Littrow". Nächste Station war die Marinesternwarte in Triest, wo es ihm nicht gut ging, denn "er vertrug die italienische Kost nicht, und eine bessere konnte er sich mit seinen beschränkten Mitteln nicht verschaffen". Als am Kremser Gymnasium eine Stelle ausgeschrieben wurde, kam Alois Prey zurück. Wohlgemerkt: "nicht aus innerer Berufung heraus". Seine Freizeit widmete er der "Bahnberechnung des Planeten Ariadne".

Kontakte zu Onkel Alois ergaben sich durch die Wachauer Sommerfrischeaufenthalte der Familie Prey in Stein an der Donau. "Sehr beliebt waren die Spaziergänge mit dem Onkel, da man ihn um alles fragen konnte. Mitunter nahm er uns auch ins physikalische Institut mit und zeigte uns da manche Versuche. Sehr oft gingen wir auch damals in die Kremser und Mautinger Auen."

Von Wien nach Innsbruck

Adalberts Weg war so durch Onkel Alois vorgezeichnet. 1896 schloss Adalbert sein Astronomiestudium mit der Dissertation "Über die Gestalt und Lage der Milchstraße" ab und wurde Assistent an der Wiener Universitätssternwarte. Ein Jahr später folgte die Lehramtsprüfung für Physik und Mathematik. Anschließend wurde er Einjährig-Freiwilliger beim Landwehr-Infanterieregiment Wien 1. Im Jahr 1902 habilitierte er sich für Astronomie und Höhere Geodäsie an der Universität Wien, vier Jahre später auch an der Technischen Hochschule (heute TU) Wien. Als am 15. Juni 1907 in Innsbruck der Astronom Egon von Oppolzer, Gründer der dortigen Sternwarte, starb, wurde die Frage der Nachbesetzung virulent. Dazu der selbstbewusste Prey: "dafür kam eigentlich nur ich in Betracht". Folgt man der Lesart im Nachruf, wurde "Prey 1909 mit der Leitung der nun der Universität Innsbruck angeschlossenen Sternwarte betraut. 1911 erfolgte seine Ernennung zum a. o. Professor." Doch so einfach war es nicht. Für den in Wien tätigen Prey begann die Innsbrucker Karriere zögernd. "Die Regierung wollte keinen wirklichen Extraordinarius ernennen, sondern ich sollte nur zur Versehung der Lehrkanzel und der Sternwarte nach Innsbruck geschickt werden."

Kegelabend
In Innsbruck gehörten Kegelabende zu den fixen Treffen der Gelehrtenschaft. (Prey: links unter der Uhr)
Foto: Archiv GeoSphere Austria

"Ein neues Leben als Universitätsprofessor"

Das Konstrukt war kompliziert: Prey musste als Ersatz für seine Wiener Tätigkeit einen "Substituenten bezahlen, erhielt aber eine Personalzulage". Gehaltsmäßig kam diese einem Extraordinariat gleich. Den Titel erhielt er ebenfalls, jedoch als "tit.a.o. von Wien", da er dort Privatdozent war. Ehe er in Innsbruck fix Fuß fasste, logierte er beim "Grauen Bären" (Universitätsstraße 5–7). "Mich zu verschlafen wäre nicht leicht möglich gewesen, denn täglich warf mich die Glocke der Jesuitenkirche in meiner nächsten Nähe punkt 5 Uhr mit dem ersten Schlage buchstäblich aus dem Bett." Kontakte zu den Innsbrucker Gelehrten fand er beim Kegeln, wo sich Kollegen aller Fakultäten versammelten. "Hörmann (Kirchenrecht), Kretschmar und Schulze (beide Romanisten), Ehrendorfer (Gynäkologie), Pommer und sein Assistent Hiebler (Anatomen), Kerschner (Histologie), Merk (Dermatolog), Pick (Anatom), Mayrhofer (Zahnarzt), Neviny (Pharmakologe); Kudisch (Öst. Recht); Tumlirz und Lerch vertraten die Physik." Die Kegelabende verschafften ihm Anerkennung; er hatte "bald den Ruhm eines der besten Kegelschieber der Gesellschaft". Das sollte nicht ohne Folgen und Verpflichtungen bleiben, wie Prey festhielt. "Da ich beim Kegelabend soviel Kollegen der anderen Fakultäten kennen gelernt hatte, so blieb mir nichts übrig, als die ganze Universität einmal durchzubesuchen."

Berufliche Schwerpunkte in der Autobiografie finden sich kaum. Der Nachruf von Oberguggenberger (1893–1963), der über Preys 1912 und 1914 in Innsbruck gemachte "Untersuchungen über die Isostasie in den Alpen auf Grund von Schweremessungen in Tirol" berichtet, schließt diese Lücke. Damit zeigt Prey als Geophysiker sein wissenschaftliches Alter Ego zu dem des Astronomen.

Über Prag zurück nach Wien

Seinen Militärdienst im Ersten Weltkrieg verbrachte er vorwiegend in Tirol, phasenweise in Wien und Wiener Neustadt, jedenfalls fern der Front.

Wetterballonaufstieg in Wiener Neustadt
Meteorologische Routinemessungen in Wiener Neustadt: Prey lässt einen Wetterballon steigen.
Foto: Archiv GeoSphere Austria

1917 folgte er einem Ruf als Professor an die Prager Sternwarte. Stress hatte er dort keinen. "Ich hatte als Universitäts-Professor viel freie Zeit." Prey widmete sich der Kultur ("ziemlich viel ins Theater gegangen"). Penibel hält er Details über Defizite im Spielbetrieb der Prager Oper nach dem ersten Weltkrieg fest. So ging in "Lohengrin" der Vorhang zu früh auf, "und es stand noch der Regisseur im schwarzen Arbeitskittel auf der Bühne". Von den sonntäglichen Kammermusikkonzerten, dem Treffpunkt der "Prager deutschen Welt", weiß er indes nur Positives zu berichten.

Wenn er schreibt "zu den Freuden unseres Prager Aufenthaltes gehört mein Stammtisch", erwähnt er auch die Freizeitvergnügungen seiner Frau. Sie fand bei Kartenpartien (Tarock) Zerstreuung. Prey, der selbst Cello spielte – "Mein eigenes Quartett war unter Schenkls Führung auf der Höhe" –, trat auch dem Singverein bei. "Wir sangen a capella-Sachen."

Prager Stammtisch
In der Prager Zeit waren Stammtischrunden fester Bestandteil der Wissenschafter. (Prey: Mitte stehend; 1923)
Foto: Archiv GeoSphere Austria

Über Berufliches schreibt er wenig, lediglich den Besuch der ersten Astronomenversammlung in Potsdam erwähnt er. Wäre hier nicht Guggenbergers Nachruf – "Eine Fülle von wertvollen Arbeiten, zumeist geophysikalischer Natur, entstanden in den Prager Jahren" –, könnte der Eindruck entstehen, dass sich Prey hauptsächlich der Muse der Musik widmete. Doch dem war offenbar nicht so, denn sonst wäre er nicht 1929 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien geworden.

Nach 13 Jahren in Prag nahm er am 1. April 1930 einen Ruf an die Lehrkanzel für theoretische Astronomie an der Universität Wien an. Doch vorher "gab es noch mehrere große Abschiedsfeiern". Darauf übersiedelte Adalbert mit seiner Frau Mathilde und den Kindern Sigmund (1912–1992), der noch in Prag maturiert hatte, und Irmgard (1916–1940) nach Wien.

Wieder in Wien: "Hatte nur Vorlesungen zu halten"

Belastend war ihm auch hier die Arbeit als Universitätsprofessor wohl nicht. "Meine wissenschaftliche Stellung war sehr angenehm. Ich war der Theoretiker, hatte nur Vorlesungen zu halten, hatte kein Institut und daher auch keine Ärger mit den Waschweibern." Die gesellschaftlichen Verbindungen waren noch vorhanden beziehungsweise rasch wiederhergestellt. "Eine sehr fröhliche und auch stark alkoholische Einrichtung waren die Fakultätsabende, die beim goldenen Hirschen in der Alserstrasse (Nr. 33) stattfanden." 1935, dies findet er in seiner Autobiografie erwähnenswert, wurde er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften, nicht ohne im Nebensatz auch die Nachsitzungen zu erwähnen. Selbstverständlich kam die Musik nicht zu kurz. Die Preys waren eifrige Konzertbesucher mit breiten Interessen: "Streichquartette und Bläserveranstaltungen, Symphoniekonzerte, Solokonzerte und so weiter". Adalbert selbst spielte von 1932 bis zum Kriegsbeginn im "Renoltquartett bei Rothmiller".

Adalbert Prey am Cello
Der Astronom und Geophysiker Adalbert Prey überzeugt auch als Cellist.
Foto: Archiv GeoSphere Austria

Nicht minder bedeutend war sein wissenschaftlicher Impakt. Am 2. Juni 1943 sprach er bei der feierlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften "Ueber die Konstitution der Erde und ihrer Kruste". Am 19. Jänner für die Kriegsversehrten "Ueber das Erdinnere"; das Neue Wiener Tagblatt titelte am 20. Jänner "Die Kontinente sind schwimmende Schollen".

Der Krieg und die Nachkriegszeit

Unvergessen waren die letzten Kriegswochen im Frühjahr 1945. "Am Gürtel, am Ring und Franz Josef Kai tobte die Schlacht, die Stefanskirche ging in Flammen auf, ebenso das Burgtheater, die Oper und das Parlament." Er selbst hatte von seinem Haus in Wien-Währing (Eckpergasse 38) eine andere Sichtweise: "Die Kanonen standen zwar in unserer nächsten Nähe, aber da wir die Sicherheit hatten, daß wir nicht das Ziel waren, so konnten wir trotz des ständigen Kanonendonners im Garten sitzen."

© Archiv Geosphere Austria
Der brennende Stephansdom am 14. Mai 1945 aus der Sicht von Oskar Laske.
Foto: Wien Museum Inv.-Nr. 105466 (CC BY 4.0.)

Karg war die Nachkriegszeit, das Leben ging auf allen Ebenen weiter. "Wien lebt überhaupt nur mehr von Erbsen. Man weiß gar nicht wo soviel Erbsen herkommen, dagegen haben wir überhaupt noch kein Fleisch bekommen." Im November 1945 wurde er zum Sekretär der Akademie der Wissenschaften gewählt. Im Mai 1946 ging er in Pension. Im Juni feierte er sein 50-jähriges Promotionsjubiläum, als Honorarprofessor war er weiterhin tätig.

In der Nacht zum 22. Dezember 1949 verstarb Adalbert Prey. Unterguggenberger würdigte seine letzte Zeit: "Noch wenige Wochen vor seinem Tode wurde er, in Anerkennung seiner Verdienste, zum Vorsitzenden der österreichischen Kommission für internationale Erdmessung ernannt." (Thomas Hofmann, 25.7.2023)