Niederösterreichs Landeshauptfrau Mikl-Leitner übte im APA-Interview harte Kritik an Klimaaktivistinnen.
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St. Pölten – Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner betont in der von ihr ausgelösten Debatte um "Normaldenkende": "Ich habe nie in 'normal' und 'abnormal' eingeteilt. Das politische Gegenteil von 'normal' ist 'radikal'." Die VPNÖ-Chefin will "der breiten, schweigenden Mehrheit der Bevölkerung eine kräftige Stimme geben", sagte sie im APA-Interview. Ihre Zwischenbilanz nach vier Monaten Schwarz-Blau im Land: "Die Zusammenarbeit läuft professionell und friktionsfrei."

Zum Begriff "radikal" erklärte die Landeshauptfrau: "Ich meine damit die radikalen Klimakleber, die gerade jetzt im Sommer den Urlaubern das Leben schwer machen. Ich meine Marxisten, Reichsbürger und Verschwörungsfanatiker, die immer lauter und radikaler werden." Kritik an den Aussagen von Mikl-Leitner zu "Normaldenkenden" war unter anderem von Grünen-Chef Vizekanzler Werner Kogler und Bundespräsident Alexander Van der Bellen gekommen.

Mikl-Leitner: Klimakleber "sind rücksichtslose Chaoten"

"Manche erheben immer wieder den Zeigefinger gegen die breite Mitte, die sich einfach durch die Lautstärke des linken und rechten Randes nicht mehr verstanden und gehört fühlt", sagte Mikl-Leitner. Viel wichtiger sei es, "über Inhalte, über die tatsächlichen Anliegen der Menschen der breiten Mitte zu reden", betonte die Landeschefin und nannte die Schaffung eines lebenswerten Lebens, von Eigentum und eines sozialen Ausgleichs als Beispiele.

In Sachen Klimaaktivisten erwartet Mikl-Leitner, dass die Grünen - Koalitionspartner der ÖVP im Bund - "endlich einmal klar Position" beziehen: "Wenn es um Klimakleber geht, wird immer nur herumlaviert, aber nie Klartext gesprochen." Klimakleber "sind rücksichtslose Chaoten. Daher gehören die Gesetze gegen diese Chaoten endlich verschärft. Da erwarte ich mir auch von Justizministerin Alma Zadic, ihrer Verantwortung für die breite Mehrheit der Bevölkerung nachzukommen und endlich zu handeln."

Bundesregierung habe "viel zu tun"

Zu Aussagen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der nach der nächsten Nationalratswahl eine Koalition unter Beteiligung von FPÖ-Chef Herbert Kickl ausgeschlossen und ihn als "Sicherheitsrisiko" für das Land bezeichnet hatte, sagte Mikl-Leitner: "Ich vertraue generell dem Bundeskanzler, was seine Arbeit, aber auch seine Einschätzungen betrifft."

Generell sei die Bundesregierung "gut beraten", bis zum regulären Ende der Legislaturperiode zu arbeiten, "denn es ist viel zu tun", sagte Mikl-Leitner. Beim Energiekostenzuschuss 2 sei es etwa "fünf vor Zwölf". In Zeiten von Arbeitskräftemangel brauche es Anreize für Menschen, die "mehr leisten wollen". In diesem Zusammenhang forderte die Landeshauptfrau beispielsweise die Ausweitung der Steuerbegünstigung von zehn auf 20 Überstunden.

Mikl-Leitner erneuerte auch die Forderung nach einer Lockerung der Vergaberichtlinien für Wohnkredite durch die Finanzmarktaufsicht (FMA). Weiters plädierte sie für den Entfall der Gebühr für Grundbucheintragung, die Eintragung eines Pfandrechtes ins Grundbuch und der Grunderwerbssteuer beim erstmaligen Eigentumserwerb. Dies sei im Rahmen des Finanzausgleichs den Gemeinden zu ersetzen. "All diese Maßnahmen würden es erleichtern, günstiger zu Eigentum zu kommen", zeigte sie sich überzeugt.

In den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen spricht sich die Landeshauptfrau wie ihre Amtskollegen für einen neuen Verteilungsschlüssel zugunsten der Länder und Gemeinden aus. Mehraufwendungen etwa für Pflege oder Kinderbetreuung müssten abgedeckt werden. "Dieses Geld braucht es, um die Daseinsvorsorge auch weiterhin garantieren zu können", sagte Mikl-Leitner.

"Gendern mit Vernunft"

Viel Kritik gab es für den nach der niederösterreichischen Landtagswahl am 29. Jänner abgeschlossenen Pakt mit den Freiheitlichen. Man habe inzwischen bereits mehrere Maßnahmen umgesetzt, nannte Mikl-Leitner etwa Wohn- und Heizkostenzuschuss, Schulstartgeld und Abschaffung der GIS-Landesabgabe. Mit dem Covid-Hilfsfonds werde es gelingen, "Gräben zu schließen". Zum persönlichen Verhältnis mit ihrem Stellvertreter, FPNÖ-Chef Udo Landbauer, sagte die Landeshauptfrau: "Wir haben eine fachlich-sachliche Arbeitsbasis."

In Bezug auf den neuen Gender-Erlass in der Landesverwaltung betonte Mikl-Leitner, es gehe um "Gendern mit Vernunft": "Unser Landesdienst verwendet eine verständliche Sprache, die Frauen und Männer gleichstellt." Die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung werden ab 1. August verpflichtend im Landesdienst gelten. "Und damit auch die Pflicht, Frauen und Männer in Zukunft gleichzustellen. Auf Sternchen und Co wird aber verzichtet."

Nach dem seit ihrem Amtsantritt 2017 propagierten "Miteinander" hat Mikl-Leitner vor einigen Wochen angekündigt, dass die ÖVP "mehr Kante zeigen" werde. Gefragt nach diesem Kurswechsel, hielt die Landesparteiobfrau fest: "Das eine schließt das andere nicht aus. Selbstverständlich reiche ich auch weiterhin jedem die Hand zur Zusammenarbeit." In der Proporz-Landesregierung sieht sie "Interesse an einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit" bei SPÖ-Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig. Beim roten Landesparteivorsitzenden, Landesrat Sven Hergovich "kann ich das noch nicht orten. Dem ist offenbar die schnelle Schlagzeile wichtiger als gemeinsame Lösungen."

Wirtepaket als nächster Schwerpunkt

Als nächste Schwerpunktvorhaben in der Landespolitik nannte Mikl-Leitner ein Wirtepaket, in dem eine Wirtshausprämie eine Maßnahme bilden und nach dem Vorbild Tirols eins zu eins übernommen werden soll. Details sollen Ende September präsentiert werden. Geplant ist für Herbst eine Neuaufstellung der Wohnbauförderung für leistbare Mieten im geförderten Wohnbau und Rahmenbedingungen, um sich leistbares Eigentum schaffen zu können.

Zu einer kürzlich veröffentlichten "NÖN"-Umfrage, wonach das Vertrauen in die niederösterreichischen Landespolitiker gesunken ist und der entsprechende Saldo für Mikl-Leitner mit minus vier ins Negative gedreht hat, meinte die Landeschefin: "Umso mehr gilt es, die wirklichen Anliegen der Menschen ernst zu nehmen und umzusetzen." (APA, 23.7.2023)