Gemeindebundchef Alfred Riedl.
Alfred Riedl steht seit Wochen in der Kritik. Auch innerhalb seiner eigenen Organisation, dem Gemeindebund.
APA/GEORG HOCHMUTH

Grafenwörth. Wer hätte gedacht, dass die niederösterreichische Gemeinde mit ihren etwas mehr als 3.000 Einwohnern je in aller Munde sein würde? Wohl nicht allzu viele. Alfred Riedl hat das geschafft. Allerdings nicht im rühmlichen Sinne. Riedl ist nicht nur Chef des Gemeindebunds, sondern auch Bürgermeister (ÖVP) von Grafenwörth (Bezirk Tulln), und steht seit geraumer Zeit in der Kritik. Er soll an Umwidmungsgeschäften in seiner Gemeinde gut verdient haben. Die Optik ist schief.

Der Druck auf Riedl wuchs. Am Dienstag trat der Gemeindebund zu einer Krisensitzung zusammen. Die sozialdemokratischen Vertreter hatten Riedl den Rücktritt nahegelegt. Riedl stellte sein Amt als Chef des Gemeindebunds vorerst "ruhend", um die kommunale Interessenvertretung aus der Schusslinie zu ziehen. Doch die Vorwürfe gegen Riedl reißen nicht ab.

Frage: Noch einmal von Beginn an: Was ist da konkret passiert?

Antwort: "Die Anwürfe gegen Riedl sind eigentlich schon länger bekannt. Erstmals aufgekommen waren sie nach Recherchen von Profil und der Krone im September 2021. So richtig in Gang brachte die Causa ein Bericht der Wiener Zeitung. Konkret soll Riedl mit der Neubausiedlung Sonnenweiher in seiner Heimatgemeinde Grafenwörth eine Million Euro verdient haben. Konkret geht es um vier Grundstücke, die 2019 an einen Projektentwickler verkauft wurden. Die besagten Grundstücke hat Riedl zuvor gekauft, ersteigert und zum Teil geerbt.

Frage: Und was ist das Problem daran?

Antwort: Vor dem Verkauf wurden die Grundstücke vom Gemeinderat, dem Riedl vorsteht, in Bauland umgewidmet. Das zog eine ordentliche Wertsteigerung für die Gründe nach sich. Deshalb hat Riedl an dem Verkauf gut verdient. Die Summe von einer Million wollte Riedl bisher nicht bestätigen, dementierte sie aber auch nicht. Unvereinbarkeiten oder ein Fehlverhalten seinerseits sieht der Kommunalpolitiker nicht.

Frage: Was wird auf den Grundstücken überhaupt gebaut?

Antwort: Entstehen sollen mehr als 200 Einfamilien-, Reihen-, Doppel- und Seehäuser. Die Anordnung der Häuser und die Form des angelegten Sees brachten der Siedlung den Spitznamen "Mini-Dubai" oder "Das Dubai vom Weinviertel" ein.

Frage: Wird der Fall untersucht?

Antwort: Ja, die Bezirkshauptmannschaft Tulln beschäftigt sich mittlerweile mit dem Bauprojekt.

Frage: Gibt es noch weitere Vorwürfe gegen Riedl?

Antwort: Durchaus. Die Wiener Zeitung berichtete unlängst über weitere Grundstücksdeals. Riedl beziehungsweise seine Firma, die er mit seinen drei Töchtern hat, kauften Gründe günstig ein, ehe sie zu einem höheren Preis an eine Wohnbaugesellschaft weiter veräußert wurden. Riedl bestätigte das. Der Weiterverkauf sei aus seiner Sicht zu "ortsüblichen Preisen" erfolgt.

Frage: War das jetzt alles?

Antwort: Noch nicht. Die Presse brachte am Dienstagabend eine aufgelassene Schottergrube in Grafenwörth ins Spiel. Diese soll nicht Riedl selbst, sondern sein Neffe gekauft haben. Per Schenkungsvertrag sei das Grundstück schließlich an jene Firma gegangen, die Riedl gemeinsam mit seinen Töchtern betreibt. Helmut Ferrari, Gemeinderat der Liste "Bürger für Bürger", ortet eine Umgehungskonstruktion: "Weil es sich bei dem Grundstück um Grünland handelt, hätte Riedl das Grundstück nur als Privatperson, aber nicht mit seiner Firma kaufen können“, sagt er zur Presse.

Auf Basis eines Dienstbarkeitsvertrags soll Riedls Firma jedenfalls 10.500 Euro von der EVN-Ökowind Sonnenstromerzeugungs GmbH als Entgelt für "2000 Quadratmeter in Anspruch genommene Fläche" und "je Schaltstation" überwiesen bekommen haben. Eine Anfrage des STANDARD dazu blieb bis dato unbeantwortet.

Frage: Wie steht der Gemeindebund zu Vorwürfen gegen Riedl?

Antwort: Die Situation lässt sich für den Gemeindebund wohl durchaus als krisenhaft bezeichnen. Riedl musste am Dienstagnachmittag in einer einstündigen Sitzung mit den Präsidenten der Gemeindebünde in den Bundesländern seine Grundstücksgeschäfte erklären. Die roten Vertreter forderten seinen Rücktritt.

"Die Stimmung im Gemeindebund ist sehr schlecht, weil Riedls Geschäfte auf alle Bürgermeister zurückfallen, das schadet dem Gemeindebund sehr", sagte Günther Mitterer (ÖVP), Obmann des Gemeindebundes Salzburg. Also selbst Parteifreunde haben mit der Causa keine Freude.

Frage: Stand ein Rücktritt Riedls je im Raum?

Antwort: Aus Riedls Sicht offenbar nicht. Der Gemeindebundchef stellt seine Funktion erst einmal ruhend. Für Riedl übernehmen erst einmal Vizepräsident Erwin Dirnberger und Vizepräsidentin Andrea Kaufmann. Das sei von den Präsidiumsmitgliedern einstimmig angenommen worden. "Die medialen Angriffe und die vielen Spekulationen habe ich mir und hat sich meine Familie nicht verdient", sagte Riedl nach der Krisensitzung.

Riedl kann vom Bundesvorstand übrigens nicht abberufen werden. Das geben die Statuten des Gemeindebundes nicht her. Riedl kann, wenn, nur freiwillig zurücktreten.

Frage: Gibt es noch abseits der Grundstücksdeals Kritik an der Neubausiedlung in Grafenwörth?

Antwort: Durchaus. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warf Riedl vor, an der Versiegelung fruchtbarer Böden verdient zu haben. "Wer so agiert, kann nicht im Namen der österreichischen Gemeinden so wichtige Materien wie die Bodenschutzstrategie verhandeln. Ein Rücktritt auf Zeit reicht da nicht aus", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Führung des Gemeindebundes müsse auf neue Beine gestellt werden. (Jan Michael Marchart, 26.7.2023)