Florian Kampelmühler, Yeezy, Sneaker  
Florian Kampelmühler sammelt seit 15 Jahren Sneakers. Rund 500 Paare hat er heute zu Hause gelagert.
Marlena König

Die Kooperation von Adidas und Kanye West alias Ye ist seit dem Herbst 2022 Geschichte, nachdem der Rapper auf Twitter Drohungen gegen Juden ausgesprochen hat. Danach wurde der Verkauf der Yeezy-Produkte ausgesetzt und die gemeinsam entwickelte, lukrative Linie eingestellt. Doch nun räumt Adidas seine Lager. Einer ersten Verkaufsrunde folgt Anfang August die nächste, der Erlös soll Initiativen gegen Rassismus und Antisemitismus zugute kommen. Der Verkauf der Yeezy-Sportschuhe stieß auf rege Nachfrage. Doch wie schätzt ein Sneakers-Experte die Lage ein? Würde er noch Yeezys kaufen? Wir haben bei dem Wiener Sammler und Experten Florian Kampelmühler nachgefragt – er steckt übrigens auch hinter dem Instagram-Account "What's on My Feet Today?".

STANDARD: Adidas verkauft nun doch Kanye Wests Yeezy-Sneakers. Kann man seine Schuhe noch guten Gewissens anziehen?

Kampelmühler: Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich trage sie seit dem vergangenen Jahr nicht mehr. Meiner Ansicht nach toleriert man Kanye Wests Haltung mit dem Tragen seiner Produkte. Alles, was Ye mit Adidas herausgebracht hat, steht in Zusammenhang mit dessen bipolarer Störung und den damit verbundenen Aussagen. Allerdings ist die Ästhetik seiner Sneakers mittlerweile so verbreitet, dass es schwer ist, Grenzen zu ziehen.

STANDARD: Waren Sie ein Fan seiner Schuhe?

Kampelmühler: Ich muss zugeben, dass seine Entwürfe für Adidas nicht mein Ding waren. Nur die allerersten Modelle, die musste ich haben. Die beiden Sneakers aus seiner Kooperation mit Nike hingegen habe ich gern zu besonderen Anlässen angezogen. Allerdings mit Vorsicht, nach zehn Jahren bröseln sie langsam auseinander.

STANDARD: Wie viele Yeezy-Sneakers besitzen Sie?

Kampelmühler: Mittlerweile habe ich die Sammlung reduziert, mit meiner Frau zusammen besitze ich rund 20 Paare. Ich sammle seit fünfzehn Jahren Sneakers und besitze insgesamt rund 500 Paare. Ich bin Sammler, aber auch Träger und vor allem Liebhaber. Ich verkaufe nur sehr selten.

STANDARD: Was macht Sneakers attraktiv?

Kampelmühler: Die informierte Käuferschaft entwickelt sicher ein eigenes ästhetisches Empfinden. Bei den meisten Kundinnen und Kunden läuft das eher so, dass man ausgefallene Dinge am Anfang abstrus findet, bevor man sich an sie gewöhnt und man sie haben will. Aber es gab in den Achtzigern und Neunzigern in der Sneakers-Kultur eine Hochzeit, auf die sich jetzt rückblickend immer wieder bezogen wird, bestimmte Designs wiederholen sich immer wieder.

STANDARD: Welche Sneakers sind gerade gefragt?

Kampelmühler: Begehrt ist die Nike-Skateboard-(SB-)Linie. Seit etwa drei Jahren ist beispielsweise der SB Dunk in der niedrigen Version sehr gefragt, der Panda SB Dunk wird jeden Monat in millionenfacher Ausführung gerestockt, jeder zweite Jugendliche trägt den. Der normale Dunk hingegen ist ein Ladenhüter.

STANDARD: Wie komme ich an besondere Sneakers ran?

Kampelmühler: Der Zwischenhandel wird mehr oder weniger ausgespart, man wendet sich an die Marken selbst. Weltweit gibt es etwa 30 renommierte Händler. Nike hat eine Sneakers-App, in der man Punkte sammeln muss, um für gute Releases freigeschaltet zu werden. Sonst ist man recht chancenlos. Es gibt Reddit-Gruppen oder Sneakers-Plattformen wie Sneaker-News und Nice Kicks. Auf unserem Instagram-Account „What's on my feet today" tauscht man sich eher über Retro-Modelle aus.

STANDARD: Sind Ugly Sneakers noch da?

Kampelmühler: Mittlerweile existieren mehrere Strömungen nebeneinander. Es gibt Normcore-Schuhe von New Balance oder Asics, die gefühlt unsere Väter getragen haben. Diesen Hype hat Ye mit dem Yeezy Boost 700, dem Waverunner, aufgegriffen. Im Luxussegment sind danach jede Menge breite Schuhe mit chunky Sohlen entstanden. Der Triple S von Balenciaga wurde rückblickend zum Ur-Schuh dieser Armada an Monstern an den Füßen. Der Look existiert noch immer, mittlerweile auch bei Händlern wie Humanic.

STANDARD: Wie wichtig ist das Geschäft mit den High-Fashion-Sneakern?

Kampelmühler: Viel relevanter als noch vor zehn Jahren. Credibility wurde über Protagonisten der Streetwear-Szene gekauft – so wie Virgil Abloh. Modehäuser, die Jahrzehnte ohne Sneakers und Streetwear auskamen, können nun nicht ohne.

STANDARD: Gibt es würdige Nachfolger von Abloh, der 2021 verstarb?

Kampelmühler: Der neue Louis-Vuitton-Designer Pharrell Williams ist ein mindestens genauso großer Name. Ob er einen vergleichbaren Status haben wird, wird sich zeigen. Aber auch Marken wie Dior haben Leute wie Tremaine Emory von Denim Tears engagiert. Viele mittelgroße und kleine Player könnten genauso groß werden.

STANDARD: Ist Sneakers-Sammeln noch immer Männersache?

Kampelmühler: Zu gefühlt 75 Prozent ist das so. Das hat auch damit zu tun, dass es in diesem Kooperationssegment selten Modelle für Frauen gibt. Über die Schuhgrößen werden viele Frauen vom Unisex-Markt ausgeschlossen. Dass Männer eher Nerds sind, ist eine eher halb gare Erklärung.

STANDARD: Werden Sammler und Sammlerinnen immer jünger?

Kampelmühler: Es ist schick geworden, zu resellen. Also schneller und schlauer als die anderen zu sein, Modelle einzutüten und dann um 200 bis 500 Prozent teurer zu verkaufen, ist unter Jugendlichen ein Volkssport geworden. Manche wurden so auch wohlhabend. Überhaupt kennen sich 12-Jährige heute verdammt gut aus, wenn es um angesagte Ware geht. Achtzig Prozent der Jugendlichen wissen, was ein Off White Air Jordan 1 ist. Der Geschmack ist gleichzeitig sehr uniform. Es geht im Gegensatz zu früher nicht darum, sich mit ausgefallenen Modellen abzusetzen.

STANDARD: Das Auktionshaus Sotheby's verkauft gerade einen Apple-Sneaker für 50.000 Dollar!

Kampelmühler: Ein Schnapper, wenn man bedenkt, dass das erste I-Phone für 200.000 Euro verkauft wird.

STANDARD: Wann funktionieren Sneakers als Wertanlage?

Kampelmühler: Natürlich braucht es einen großen Namen, doch die Sache ist ziemlich unberechenbar. In der Regel beginnt die Hype-Maschinerie um einen Schuh schon ein Dreivierteljahr vor dem Erscheinen des Schuhs. Meist wird in Asien produziert, in den Fabriken werden die Modelle ausspioniert. Einerseits um Fakes anbieten zu können. Andererseits, um zu leaken und den Traffic auf Instagram zu haben. An der Größe des Hypes lässt sich ablesen, wie begehrt ein Schuh am Sekundärmarkt wird.

STANDARD: Nachhaltigkeit spielt bei gehypten Sneakern keine Rolle?

Kampelmühler: Nein. In der breiten Masse aber ist es anders, da gibt es überaus populäre Labels wie Veja, die auf Nachhaltigkeit als Verkaufsargument setzen.

STANDARD: Werden Sie auf Ihre Schuhe angesprochen?

Kampelmühler: Manche Modelle ernten anerkennende Blicke. Doch der Markt ist heute dermaßen übersättigt mit Replikaten, dass rare Sneakers oft als Fakes verdächtigt werden. (feld, 30.7.2023)

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