Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Bundespräsident Alexander Van der Bellen will die Blase zum Platzen bringen. Es ist ein Appell, die eigene Bubble zu verlassen und sich mit anderen Menschen und Meinungen auseinanderzusetzen.
APA/LAND SALZBURG/FRANZ NEUMAYR

"Aufruf zum begründeten Optimismus" betitelte Bundespräsident Alexander Van der Bellen seine Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele, und er streifte die Normalitätsdebatte, die die ÖVP nahezu täglich zu befeuern versucht, mit keinem Wort. Stattdessen tauchte Van der Bellen in Salzburg in die Welt des Internets und der sozialen Medien ein. Die Rede gipfelte in dem Aufruf: "Bringen Sie Ihre Blase zum Platzen!" Gemeint ist: "Reden Sie mit Leuten, die Sie nicht kennen. Die nicht zu 'Ihrer Gruppe' gehören. Fragen Sie Ihren Nachbarn, was er beruflich macht. Besuchen Sie einmal die benachbarte Blase. Followen Sie den Menschen, denen Sie nicht folgen würden."

Tatsächlich meint der Bundespräsident nicht nur die Nachbarn, sondern auch FPÖ-Chef Herbert Kickl. "Wieso nicht einmal die Algorithmen verwirren, indem wir auch denen followen, deren Meinung vielleicht nicht so ganz unserer Meinung entspricht? Auf diese Art bekommen wir dann auch Ausschnitte der Realität zu sehen, die wir anders nie zu Gesicht bekommen würden. Und auf diese Art bekommen wir vielleicht auch wieder das Bild einer gemeinsamen Realität."

Schalldicht eingepackt

Die abnehmende Toleranz sei eine Bedrohung der liberalen Demokratie, warnte Van der Bellen. "Zu oft vermissen wir den respektvollen Umgang. Wir diskutieren kaum mehr miteinander, oft bestätigen wir uns nur in der eigenen Meinung, und wenn jemand anderer Meinung ist, hören wir ihn oder sie kaum noch, weil er oder sie zu weit weg ist: auf der anderen Seite des Grabens, der durch unsere Gesellschaft führt, schalldicht eingepackt und behütet in der Blase, in den sozialen Medien."

Video: "Lassen Sie uns alle gemeinsam die Algorithmen verwirren und nicht mehr länger umgekehrt."
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Darüber könne man jetzt lamentieren und auch beklagen, "dass die Algorithmen uns ganz automatisch nur Meinungen zuspielen, die uns recht geben und in unserer Meinung bestätigen oder anstacheln". Das führe dann dazu, das Follower von Herbert Kickl glauben, in einer ganz anderen Welt zu leben als Follower von Werner Kogler oder von Beate Meinl-Reisinger oder von Karl Nehammer oder von Andreas Babler oder von Alexander Van der Bellen, führte Van der Bellen aus. Aber: "Wir können es ändern." Raus aus der Blase, und das nicht nur im Internet.

Van der Bellen geht gleich einmal mit gutem Beispiel voran und folgt Norbert Hofer auf dessen Instagram Account. Hofer, seinem einstigen Konkurrenten als Hofburg-Kandidat, empfiehlt er, Greta Thunberg zu folgen.

Raus auf den Fußballplatz

Es folgt ein beherzter Aufruf: "Gehen Sie ins Gasthaus, auf den Fußballplatz, in den Sportverein, ins Theater, reden Sie miteinander. Tauschen Sie Ihre Ansichten aus und hören Sie einander zu. Lesen Sie morgen ein Buch oder ein digitales Medium, das Sie noch nie gelesen haben." Auch die Medien spricht der Bundespräsident an und empfiehlt ihre Lektüre: "Nutzen Sie die vierte Gewalt im Staat. Unabhängige Medien berichten über Inhalte und Fakten. Und nicht über sich selbst verstärkende Fake-News aus den Bubbles."

Vielleicht sei es möglich, wieder ein gemeinsames Bild der Wirklichkeit zu bekommen, hofft der Bundespräsident. "Lassen Sie uns alle gemeinsam die Algorithmen verwirren und nicht mehr länger umgekehrt."

Für das Internet empfiehlt das Staatsoberhaupt: "Wir müssen uns nicht mögen, um uns zu liken. Wir müssen uns auch nicht aufs Wort folgen, um uns zu followen. Vielleicht kommen wir dann in einen neuen gesellschaftlichen Zustand. Einen Zustand, in dem uns eine andere Meinung nicht mehr provoziert oder triggert, wie man heute sagt, sondern in dem wir diese Meinung nutzen, um dann einen gemeinsamen Standpunkt zu entwickeln.

Das Beste herausholen

Letztendlich gehe es darum, das Beste aus dem anderen herauszuholen und nicht das Niedrigste. Darauf freue er sich: "eine Zukunft, in der wir das Beste aus uns herausholen". Dazu sei es notwendig, über unsere Herausforderungen als Gesellschaft zu reden. "Lassen Sie uns das lösungsorientiert tun. Lassen Sie uns ruhig streiten. Konstruktiv streiten. Bringen wir das Beste in uns und an Österreich zum Vorschein und nicht das Niedrigste."

Zum Abschluss seiner Rede betonte Van der Bellen seinen Optimismus: "Denn ich kenne unser schönes Österreich, und ich weiß, was wir miteinander erreichen können." (Michael Völker, 27.7.2023)