Ein ORF-Team wurde nach dem Rammstein-Konzert angegriffen.
Ein ORF-Team wurde nach dem Rammstein-Konzert angegriffen.
Screenshot, ORF-TVThek

Nach dem Auftritt der momentan heftig diskutierten deutschen Band Rammstein im Wiener Ernst-Happel-Stadion am Mittwoch ist es zu Attacken auf das berichtende ORF-Team gekommen. Darüber hinaus kam es laut Polizei im Zuge von Provokationen zwischen Fans und Gegnern der Band zu einer Reihe von Anzeigen, wobei es "zu keinem Zeitpunkt" zu einer Eskalation gekommen sei, teilte die Exekutive auf APA-Anfrage am Donnerstag mit.

Rammstein-Sänger Till Lindemann nahm am Donnerstag nach dem zweiten Konzert der Band Stellung und verurteilte die Attacke auf den ORF-Reporter. Er sagte bei der Verabschiedung am Ende des Konzerts: "Wir hassen Rassismus und Antisemitismus. Wir hassen das." Laut Polizei gab es rund um das zweite Konzert im Ernst-Happel-Stadion keine besonderen Vorkommnisse. "Es ist zu einzelnen polizeilichen Interventionen gekommen, die bei einer derart großen Menschenansammlung aber nicht außergewöhnlich sind", hieß es auf Anfrage der APA seitens der Pressestelle der Landespolizeidirektion Wien. Ein Diebstahl und eine Körperverletzung seien angezeigt worden.

ZIB 9:00: Rammstein: Angriff von Fans auf ORF-Team
Vor dem Rammstein-Konzert am Mittwoch in Wien haben etwa 1.800 Menschen protestiert und die Missbrauchsvorwürfe gegen Sänger Till Lindemann thematisiert. Die Stimmung war nach dem Konzert bei einigen Fans sehr aufgeheizt. Weil auch der ORF über neue Vorwürfe berichtet hat, war das ORF-Kamerateam und Musikreporter Didi Petschl Ziel von verbalen und körperlichen Attacken.
ORF

Wie die "ZiB" um 9 Uhr am Donnerstag zeigte, wurde ORF-Popexperte Dietmar Petschl* nach der Megashow der Gruppe mit Frontmann Till Lindemann, dem von mehreren Frauen sexuelle Übergriffigkeit vorgeworfen wird – was dieser explizit bestreitet –, am Mittwoch vor laufender Kamera von einem Konzertbesucher zunächst beschimpft ("Ihr seids lauter Juden, Oida! Gfraster seids ihr. Scheiß ORF!") und dann angerempelt. Auch eine Attacke auf die ORF-Kamerafrau ist auf Band festgehalten.

"Die Stimmung ist extrem aggressiv und aufgeheizt", so Petschl in der Liveschaltung in der gestrigen "ZiB 3". "Die Kamera wurde beschädigt. [...] Da wurden Grenzen überschritten", unterstrich ORF-Journalistin Christine Baumgartner dazu in "Guten Morgen Österreich". Laut Polizei, die mit 170 Beamtinnen und Beamten im Einsatz war, wird der Sachverhalt genau erhoben und "nach geklärter Sachlage dementsprechend polizeilich vorgegangen", wie in einer schriftlichen Mitteilung gegenüber der APA formuliert wird. Im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Kamerafrau seien bereits Anzeigen gelegt worden.

Video: Fans verteidigen Rammstein: "Dieser kleine Protest steigert unsere Laune nur noch"
DER STANDARD

Abgesehen davon gab es einige Anzeigen rund um den Event. Im Vorfeld des Gigs wurde ein Mann vor dem Stadion aufgrund der Bestimmungen des Verbotsgesetzes angezeigt. Er trug ein nationalsozialistisches Abzeichen am Mantelkragen. Außerdem gab es unter anderem fünf Anzeigen wegen des Verdachts auf Körperverletzung, zwei wegen des Verdachts auf sexuelle Belästigung und je eine nach dem Suchtmittelgesetz, wegen Ordnungsstörung, des Verdachts auf Sachbeschädigung und aggressiven Verhaltens.

Im Zusammenhang mit der Attacke auf das ORF-Team sprach der Presseclub Concordia via Twitter von einem "widerlichen Angriff", den man verurteile.

Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer zeigte sich ebenfalls empört. "Unglaublich, was sich beim gestrigen Rammstein-Konzert abgespielt hat. Antisemitismus und Gewalt gegen Journalist:innen – beides ein No-Go. Die Vorfälle müssen untersucht werden", forderte sie.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigte sich angesichts der Vorfälle erschüttert. "Ich verurteile das auf das Schärfste", ließ sie angesichts der antisemitischen Beschimpfung mitteilen. Und Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter betonte, dass Angriffen auf die Pressefreiheit "entschlossen entgegengewirkt" werden müsse. "Die Sicherheit und das ungestörte Arbeiten von Medienschaffenden haben oberste Priorität."

Auch die beiden Wiener SPÖ-Gemeinderatsmitglieder Marina Hanke und Peter Florianschütz zeigten sich via Aussendung bestürzt über die Vorfälle: "Die antisemitischen Beschimpfungen und körperlichen Angriffe gegenüber dem ORF-Team sind absolut inakzeptabel und stehen im klaren Widerspruch zu den solidarischen Werten, für die unser buntes und offenes Wien stehen. Wir verurteilen auf das Schärfste die Gewalttaten, die während der Demonstration und des Konzerts stattgefunden haben", so Hanke.

"In unserer Stadt Wien haben Gewalt, Antisemitismus und Hass keinen Platz. Wir setzen auf ein solidarisches Miteinander, das von Vielfalt und Offenheit geprägt ist. Wir müssen als Gesellschaft zusammenstehen und uns für ein harmonisches Zusammenleben einsetzen", sagte Florianschütz. "Antisemitismus ist ein Verbrechen und keine Meinungsäußerung." (APA, red, 27.7.2023)