Ein Schild von Kika/Leiner vor der Zentrale.
Die Kika/Leiner-Insolvenz wird Justiz und Politik wohl noch länger auf Trab halten.
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Für hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kika/Leiner hieß es am Samstag endgültig Abschied nehmen: 23 von insgesamt 40 Filialen schlossen für immer ihre Türen. Von ursprünglich 3900 Beschäftigten wurden bisher knapp 1500 zur Kündigung angemeldet. Wer in die vormaligen Standorte einzieht, ist noch offen; für etliche Geschäftslokale soll es bereits Interessenten aus dem Handel geben.

Das Sanierungsverfahren der insolventen Möbelkette ist jedenfalls in vollem Gange: Eine Woche, bis 8. August, haben Geldgeberinnen und Geldgeber noch Zeit, ihre offenen Forderungen bei Gericht anzumelden. Die erste Versammlung der Gläubiger ist für 21. August geplant, am 25. September sollen die Betroffenen dann über den Sanierungsplan abstimmen – und aller Voraussicht nach hat die Republik Österreich dabei ein gewichtiges Wort mitzureden.

Kika/Leiner schuldet dem Staat nämlich gleich mehrfach Geld: Ein großer Brocken im mittleren zweistelligen Millionenbereich entfällt auf den Insolvenzentgeltfonds, der aus Arbeitgeberbeiträgen finanziert wird und die Löhne und Abfertigungszahlungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter absichert. Ein zweiter, ähnlich großer Brocken entfällt auf offene Umsatzsteuern, die Kika/Leiner nicht an den Staat abgeführt hat.

Finanzprokuratur am Zug

Von den schätzungsweise insgesamt 130 Millionen Euro an offenen, nicht besicherten Forderungen entfällt also ein großer Teil auf den Staat. Bei der Abstimmung über den Insolvenzplan führt somit kein Weg an der Zustimmung der Republik vorbei. Entscheidend ist bei der Abstimmung nämlich nicht nur die Mehrheit der Gläubiger, sondern auch die Zustimmung jener Gläubiger, die insgesamt mehr als die Hälfte der Forderungen stellen.

Eine wichtige Rolle bei der Gläubigerversammlung wird deshalb die Finanzprokuratur spielen, die im Finanzministerium angesiedelt ist und als staatseigene Anwaltskanzlei die Republik vertritt. Deren Präsident, Wolfgang Peschorn, will die Vorgänge im Konzern nun genau prüfen.

Peschorn geht davon aus, dass "Sachverhalte festgestellt werden, die eher zu Nachforderungen als zu Rückzahlungen führen werden". Zudem werde sich die Finanzprokuratur genau ansehen, ob vom Unternehmen die Voraussetzungen für die Steuerstundungen eingehalten wurden. Wie hoch die Forderungen der Republik insgesamt sind, will Peschorn eine Woche vor Ende der Anmeldefrist auf Nachfrage des STANDARD nicht sagen.

Wettbewerbshüter könnten prüfen

Unter Umständen bleibt die Finanzprokuratur übrigens nicht die einzige staatliche Institution, die bei der Verwertung des Kika/Leiner-Vermögens genauer hinsehen wird. Der anfänglich zurückhaltende Konkurrent XXXLutz äußerte vor kurzem Interesse an der Übernahme einzelner Kika/Leiner-Standorte, was die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hellhörig machen könnte.

Wie berichtet gingen die Immobilien, die bereits vor Jahren aus dem operativen Geschäft ausgegliedert wurden, an die Grazer Supernova-Gruppe. Diese will nun insgesamt 24 Liegenschaften, darunter 18 Möbelhäuser und sechs Logistikzentren, weiterverkaufen. In einem Interview mit den "Oberösterreichischen Nachrichten" signalisierte Lutz-Sprecher Thomas Saliger Interesse. Man habe zwar keinen akuten Bedarf und sei mit dem bestehenden Filialnetz zufrieden, dennoch seien "spannende Standorte dabei. Unsere Expansionsabteilung sieht sich die Unterlagen an."

Sollte XXXLutz tatsächlich Standorte kaufen, müsste der Konzern unter Umständen auch die BWB involvieren und den möglichen Zusammenschluss vorab genehmigen lassen. Dasselbe könnte für den schwedischen Möbelkonzern Ikea gelten, der ebenfalls eine Standortübernahme prüft und in den kommenden Jahren neue Regionen erschließen will.

Auf Anfrage des Nachrichtenmagazins "Profil" erklärte eine Sprecherin der BWB kürzlich, dass man sich bei Möbelgeschäften die Wettbewerbssituation auf regionaler Ebene genauer ansehen müsse. In der Vergangenheit hatte sich die interimistische Behördenleiterin Natalie Harsdorf-Borsch immer wieder kritisch gegenüber einer weiteren Marktkonzentration im Handel gezeigt. So wie in der Lebensmittelbranche dominieren auch im Möbelgeschäft wenige große Player den Markt: XXXLutz – mit seinen Ablegern Möbelix und Mömax – und Ikea.

Klarer dürfte das Bild über den Fortgang des Kika/Leiner-Vermögens nach der ersten Gläubigerversammlung am 21. August werden. Spätestens dann sollte bekannt sein, wie viel Geld die größte Insolvenz des Jahres insgesamt verschlungen hat. (Jakob Pflügl, 31.7.2023)