Ein Signalkrebs im Uferbereich der Neuen Donau, im Hintergrund der DC-Tower
Ein Signalkrebs im Uferbereich der Neuen Donau. Die invasive Art hat sich mittlerweile auch in Wiens Gewässern breitgemacht.
Wiener Wildnis/MA 45

Es ist ein bisschen wie der Blick in den Nachthimmel: Je länger man ins Wasser der Neuen Donau schaut, desto mehr sieht man. Auch wenn es dort unten weit mehr gibt als die sichtbaren Fischschwärme, Flohkrebse und neuerdings die eine oder andere Qualle, die vorbeischwappt. Die glibberigen Tierchen, die vergangene Woche im Kuchelauer Hafen aufgetaucht sind, haben badelustige Wienerinnen und Wiener aufhorchen lassen.

Dabei sind die Süßwasserquallen weder ungewöhnlich noch gefährlich. Bei Wassertemperaturen ab etwa 26 Grad verwandeln sich die ansonsten unbeweglich am Grund verharrenden, winzigen Polypen in Medusen, die an die Oberfläche schweben, um Nahrung zu sammeln und sich zu vermehren. Im Gegensatz zu so mancher Salzwasserqualle ist auch eine hautnahe Begegnung völlig harm- und schmerzlos. Und nach einiger Zeit ist das Schauspiel auch wieder vorbei.

Die Süßwasserqualle Craspedacusta sowerbii
Die Süßwasserqualle Craspedacusta sowerbii ist derzeit wieder in Wiens Gewässern unterwegs.
Nationalpark Donau Auen/Heinz Jaksch

Wer in Wien einen der vielen Naturbadeplätze besucht, hat jedenfalls die Chance, nicht nur an Land, sondern auch im Wasser auf eine Vielzahl von Tierarten zu treffen. "In Wien gibt es eine einzigartige Diversität an Gewässern und damit auch eine große Diversität an Organismen", sagt Thomas Friedrich, Hydrobiologe von der Wiener Universität für Bodenkultur. "Neben der Donau selbst – dem artenreichsten Fluss Europas – haben wir Augewässer, Seiten- und Altarme, die Wienerwaldbäche und stehende Gewässer, in denen man baden kann."

Und dort tummelt sich so einiges, allen voran Fische. Die Alte Donau etwa ist Lebensraum für rund 20 Fischarten. Dort, aber auch in anderen Wiener Gewässern lassen sich häufig Schwärme an Kleinfischen wie Rotfedern mit ihren charakteristisch tiefroten Flossen und silbrige Lauben beobachten.

Ein Sonnenbarsch schwimmt in der Alten Donau
Sonnenbarsche können ziemlich vehement an den Beinen von Badenden pecken, wenn sie ihr Revier verteidigen. Hier ein Exemplar in der Alten Donau.
Wiener Wildnis/MA 45

Oft anzutreffen ist auch der bis zu 15 Zentimeter lange Sonnenbarsch. Er ist mit seiner orange-blauen Musterung hübsch anzusehen, kann aber ganz schön lästig sein. "Die Männchen verteidigen ihr Territorium und die Eier, die in Ufernähe abgelegt werden, sehr vehement", sagt Friedrich. Wenn Badegäste ein leichtes "Pecken" an den Beinen verspüren, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Sonnenbarsch sie aus ihrem Revier vertreiben will. Mehr als einen kleinen Schrecken trägt man aber nicht davon.

Das lässt sich nicht für die restliche Unterwasserfauna behaupten: Der Sonnenbarsch, der schon vor langer Zeit aus dem Aquarienhandel in die heimischen Gewässer eindrang, "frisst alles, was sich bewegt", wie Friedrich ausführt, und verdrängt somit hiesige Arten.

Ganz friedlich hingegen verhalten sich die Karpfen, die normalerweise eine Länge von etwa 60 Zentimetern erreichen, unter optimalen Umständen aber auch 120. Sie lassen sich häufig beim Sonnen nahe der Wasseroberfläche blicken. "In der Alten Donau kennen die Fischer jeden Karpfen", sagt Friedrich. In manchen Badeteichen führen die Kaliber zu Unbehagen bei den Schwimmern, jedoch "völlig unbegründet", wie Friedrich betont.

Karpfen nahe der Wasseroberfläche
Karpfen können unter optimalen Umständen ganz schöne Kaliber werden. Fürchten braucht man sich aber nicht vor ihnen.
Wiener Wildnis/MA 45

Ein wahres Schwergewicht ist der Wels, nach den fast ausgestorbenen Störarten der zweitgrößte Süßwasserfisch. Er kann in der Alten und Neuen Donau Rekordlängen von über zwei Meter erreichen. "Er bewacht und verteidigt sein Gelege. Wenn man unbedarft über ihn hinwegschwimmt, kann es schon sein, dass er einen anstupst", sagt Friedrich. "Er hat Bürstenzähne, die sich wie Schleifpapier anfühlen, aber harmlos sind."

Nachdem Welse bis zu 80 Jahre alt werden, sei es gut möglich, dass der 2,5 Meter lange Wels "Wenzel", der 2007 gesichtet wurde, nach wie vor seine Runden zieht, sagt Thomas Ofenböck, Gewässerökologe von der für Wiener Gewässer zuständigen MA 45. Üblicherweise suchen die Tiere, die nur sehr schlecht sehen, dunkle Unterstände auf.

Ein Wels schwimmt durchs Dickicht
Welse werden richtige Wascheln. Die Schwergewichte der Wiener Gewässer erreichen in der Alten und Neuen Donau Rekordlängen von mehr als zwei Meter, verstecken sich aber meist gut im Unterwasserdickicht.
Wiener Wildnis/MA 45

In klarem Wasser lassen sich auch in Alter und Neuer Donau zuweilen Hechte beobachten, während sie stehend Beute auflauern. Die grüngrau-gesprenkelten Tiere, die bis zu 150 Zentimeter lang werden, sind zwar Raubfische, kolportierte Hechtbisse seien aber praktisch unwahrscheinlich, betont Boku-Forscher Thomas Friedrich.

Auch die eingeschleppten Signalkrebse, erkennbar an weißen Flecken an den Scherengelenken, sind nur eine Gefahr für heimische Krebsarten, die stark bedroht und nur mehr vereinzelt anzutreffen sind, wie der Gewässerbiologe ausführt. Eine andere invasive Art sind die Marmorkrebse, die 2020 erstmals in den Wienerbergteichen nachgewiesen wurden.

Hecht im Wasser
Manchmal lassen sich Hechte beobachten, wie sie im Wasser stehen und auf Beute lauern. Menschen gehören nicht dazu.
Wiener Wildnis/MA 45

Unangenehm können Zerkarien werden, das sind die Larven von Saugwürmern, die wie die Quallen nur bei höheren Temperaturen auftreten und (ungefährliche) Hautreaktionen hervorrufen können. "Das passiert am ehesten, wenn man sich sehr lange in warmem, seichtem Wasser aufhält", sagt Ofenböck.

Für Badegäste völlig harmlos und ungiftig sind auch sämtliche in Wiener Gewässern jagende Schlangen wie Ringel-, Äskulap- und Würfelnatter. Im Ufersand kann man Muscheln finden, am häufigsten Fluss-, Teich- und Malermuscheln. Aber auch Neobiota wie die Quagga- und die Zebramuschel sind mittlerweile in der Donau zu Hause. Wer die Taucherbrille aufsetzt, kann auch Libellenlarven, Flohkrebse, Wasserbienen und Rückenschwimmer bestaunen. Bisse dieser Wasserinsekten sind allerdings äußerst selten.

Immer öfter zu sehen sind ausgebüchste Schmuckschildkröten, erkennbar an ihren roten Wangen, sowie Goldfische, die sich mittlerweile etabliert haben. Die europäische Sumpfschildkröte ist nur in der Lobau heimisch.

Eine Spitzhornschnecke treibt im Wasser.
Eine Vielzahl an Schnecken, etwa die Spitzhornschnecke,ist in den Wiener Gewässern beheimatet.
Wiener Wildnis/MA 45

In Ausnahmefällen finden auch richtig exotische Tiere ihren Weg in Wiener Gewässer. "Einmal haben wir eine kleine Anakonda eingefangen, einmal einen Pacu, das ist ein südamerikanischer, pflanzenfressender Fisch, der mit dem Piranha verwandt ist", erzählt Thomas Friedrich.

Durch und durch ein Wiener ist der Biber, den man mitunter in der Dämmerung vorbeischwimmen sieht. Dagegen braucht man, um einen der scheuen Fischotter zu spotten, "sehr viel Glück", wie Ofenblöck sagt. Am übergriffigsten können wohl Tiere werden, die grundsätzlich über dem Wasser bleiben: Gelsen und bisweilen Schwäne.

Alles in allem sollte man sich freuen über jedes Tier, das man beim Baden entdeckt. Schließlich macht der Klimawandel mitsamt kontinuierlich steigenden Temperaturen, die auch zur Austrocknung von Gewässern in der Lobau und im Wiener Wald führen, der Tierwelt zu schaffen. "Höhere Temperaturen fördern eher neue Arten, die sich besser verbreiten können", sagt Ofenböck. Die können dann dominant werden – oder bestenfalls ein Teil der heimischen Fauna. (Karin Krichmayr, 1.8.2023)