Blick über Wien
Wien hält gerade zwei Titel: die lebenswerteste und die unfreundlichste Stadt der Welt.
Christian Fischer

Es war einige Schlagzeilen wert: Wien ist erneut die lebenswerteste Stadt der Welt. Diese Spitzenleistung ist heuer sogar zweimal gelungen – einmal in der Rangliste der Wochenzeitung "Economist" und einmal im Ranking des Magazins "Monocle". Ausschlaggebend für die Bewertung ist die hohe Lebensqualität. Die österreichische Hauptstadt punktete mit einem reichhaltigen Kulturangebot, guter Infrastruktur und hoher Sicherheit.

Doch auch eine weitere Ranking-Platzierung sorgte kürzlich für Aufsehen: Wien gilt als die unfreundlichste Stadt der Welt – und das sowohl allgemein als auch besonders zu ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Zu diesem Ergebnis kam eine Befragung unter Expats durch Internations, ein Netzwerk für Personen, die im Ausland leben und arbeiten.

Wien wurde erneut zur unfreundlichsten Stadt gewählt. Wie denken ihre Bewohnerinnen darüber? Das STANDARD-Videoteam hat sich im November 2022 umgehört.
DER STANDARD

Schwierige Eingewöhnung

Der Brite Daniel Harper hat diese Erfahrung kürzlich selbst gemacht, wie er in seinem Essay auf Insider.com berichtet. Der freiberufliche Journalist entschied sich im Wintersemester 2020 dazu, sein Masterstudium in Wien zu beenden. Er habe sich auf "Barockarchitektur und verschneite Winternächte" gefreut, jedoch "unfreundliche Menschen und eisige Temperaturen" vorgefunden, wie er schreibt.

Es sei ihm schwergefallen, Freundschaften zu schließen und aufrechtzuerhalten. Zwar habe der Lockdown dies zusätzlich erschwert, seiner Einschätzung nach sei es in der österreichischen Hauptstadt aber insgesamt schwieriger, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Das zeigt auch das Expat-Ranking aus dem Vorjahr: 54 Prozent der Befragten hatten demnach Schwierigkeiten, sich mit den Wienerinnen und Wienern anzufreunden.

Die öffentlich zur Schau gestellte Xenophobie – die er zwar auch aus seiner Heimat kenne – habe den Briten in Österreich schockiert, wie er in seinem Essay beschreibt. Im Zuge der Wien-Wahl 2020 seien ihm Wahlplakate der FPÖ mit islamfeindlichen Botschaften besonders negativ in Erinnerung geblieben. Aus seinem Auslandsaufenthalt nimmt Harper aber nicht nur schlechte Erfahrungen mit, sondern auch Klarheit darüber, was er für seine Zukunft will – und auch was er nicht will. Seine Zeit in Wien habe ihm schließlich gezeigt, dass er selbst Verantwortung für sein Leben und seine Zufriedenheit übernehmen müsse. (red, 1.8.2023)