Er war angetreten, um die ramponierte FPÖ Graz zu sanieren – oder zumindest das, was von ihr übrig geblieben war: Im Februar war der Nationalratsabgeordnete Axel Kassegger einstimmig zum Chef der blauen Stadtpartei nominiert worden, nachdem ein Skandal um verschwundene Millionengelder für deren Implosion gesorgt hatte. Diesen Fall aufzuklären habe "oberstes Interesse", sagte Kassegger damals. Davon überzeugt waren in Graz nicht alle, hatte Kassegger doch im Herbst zuvor in internen Sitzungen von einem "Aufklärungstheater" und einer "Menschenhatz" gesprochen. Wenig später waren kritische Funktionäre ausgeschlossen worden, sie gründeten den Korruptionsfreien Gemeindeklub (KFG), der sich von der FPÖ distanzierte.

Kryptopleite

Jetzt gerät Kasseggers Umfeld in den Strudel eines weiteren Finanzskandals. So ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen nahen Verwandten des FPÖ-Politikers sowie gegen seinen früheren parlamentarischen Mitarbeiter, der jahrelang auch Gemeinderat in Graz war. Die beiden hatten mit zwei anderen Männern ein Kryptowährungs-Start-up in Graz gegründet, außerdem gab es einen gleichnamigen Fonds in der Karibik. Dorthin sollen 3,7 Millionen Euro an Investorengeldern verschwunden sein – ein "Totalverlust". Wie die "Kleine Zeitung" berichtet, hat die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Graz nun weitere Ermittlungen in der seit mehr als fünf Jahren schwelenden Causa angeordnet. Nach wie vor ist unklar, wohin die Millionen geflossen sind. Das Problem sei, dass man nicht an Daten aus der Karibik gelange, sagte die Staatsanwaltschaft Graz der "Kleinen Zeitung".

Dass der Nationalratsabgeordnete Axel Kassegger (links) die angeschlagene Grazer FPÖ übernimmt, soll ein Wunsch von Landeschef Mario Kunasek gewesen sein.
APA/ERWIN SCHERIAU

Auf die Frage des STANDARD, ob Kassegger, außenpolitischer Sprecher der FPÖ, etwas mit dem versandeten Start-up zu tun habe, antwortet dieser in Großbuchstaben: "NEIN". Er wird auch nicht als Beschuldigter geführt. Allerdings gibt es mehrere Bezugspunkte zu den handelnden Personen. Der Firmensitz des Kryptowährungs-Start-ups befindet sich an derselben Adresse wie Axel Kasseggers eigenes Unternehmen; nach der Firmenpleite kaufte Kasseggers Unternehmen seinem ehemaligen Mitarbeiter zwei Wohnungen ab. Dieser saß bis 2021 auch in Kasseggers Privatstiftung.

Burschenschafter-Konnex

Zudem sind die Betroffenen eng mit der Burschenschaft Germania verbunden, die wiederum als Kaderschmiede der Grazer FPÖ gilt: Der nahe Verwandte Kasseggers war bis zuletzt, als Drogenvorwürfe bekannt wurden, dort in leitender Funktion aktiv, Kassegger selbst ist seit den 1980er-Jahren Mitglied. Deshalb sollen intern immer mehr Zweifel laut werden, ob Kassegger die Neuaufstellung der Partei gelingt. Stadträtin Schönbacher, einst aus der FPÖ ausgeschlossen, sagt dazu: "Fast im Wochentakt tauchen neue Vorwürfe gegen die ehemals 'Soziale Heimatpartei' auf, zu denen Obmann Axel Kassegger nur den Kopf in den Sand zu stecken scheint." Kassegger war bislang durch seine Tätigkeit als Außenpolitiker aufgefallen. Er war auf die von Russland annektierte Krim gereist, sein Name tauchte in E-Mails russischer Propagandisten über etwaige Partner auf. Gegen Berichte, dass er Geld aus Russland für Anträge im Nationalrat erhalten hatte, war Kassegger juristisch vorgegangen. (Fabian Schmid Colette M. Schmidt, 31.7.2023)