Zwei Personen vor dem Gemüseregal, die Lebensmittel in die Stofftasche geben. 
Rund 200 Betriebe beliefern den Bauernmarkt "Markta" regelmäßig. Familiengeführte Landwirtschaftsbetriebe aus Österreich bilden die Basis, aber auch große Unternehmen wie Vöslauer sind vereinzelt mit an Bord.
Regine Hendrich

Langsam wandert die faustgroße Tomate aus der leicht zittrigen Hand einer älteren Dame auf die Waage. Die zweite folgt kurz darauf, wenige Augenblicke später spuckt das Gerät unter leisem Surren das Preisetikett aus. Stress scheint hier keiner zu haben, die wartende Person hinter ihr lächelt nur freundlich. Viele schlendern herum und begutachten das Sortiment, andere plaudern mit den Mitarbeiterinnen an der Obsttheke. Von der Hektik eines Supermarkts ist hier keine Spur; Zufall ist das nicht.

Markta, auf der Website als "Digitaler Bauernmarkt" betitelt, möchte sich gezielt abheben – von effizienzgetriebenen Onlinehändlern, großen Konzernen und unpersönlichen Einkaufserlebnissen. Bislang geht das Konzept der Gründerin Theresa Imre durchaus auf, für strukturelle Umwälzungen ist das Jungunternehmen aber noch zu klein, auch wenn es in den Anfangsjahren und getrieben durch Online-Trends in der Pandemie stark an Umsatz zulegen konnte.

Lockdowns lassen Umsatz explodieren

"Wir haben uns von einem Jahr auf das andere verzwanzigfacht", erzählt Imre immer noch erstaunt über die Entwicklungen im ersten Pandemiejahr. 2018 gründete die studierte Volkswirtin Markta – ursprünglich als reine Onlineplattform, auf der regionale Kleinbetriebe ihre Produkte vertreiben konnten. Bestellt wurde über die Plattform, geliefert von den Betrieben selbst. Ein Jahr später begann Markta auch die Zustellungen zu koordinieren – versandt werden die Produkte nun mit der Post und dem Botendienst Veloce. Der Zeitpunkt dafür sollte sich noch als äußerst günstig herausstellen.

Anfang 2020 verhängte die Regierung die ersten Lockdowns. Für das Jungunternehmen war das der "Explosionsmoment", wie Imre ihn bezeichnet. Statt 120 wöchentlichen Bestellungen waren es nun rund 2.500, der Umsatz stieg innerhalb kurzer Zeit von rund 100.000 auf über zwei Millionen Euro an. Ähnlich erging es auch anderen Onlinehändlern, die von einer erhöhten Nachfrage profitieren konnten. Der Aufwind lässt nun aber wieder nach – praktisch die gesamte Branche hat mit einem Rückgang der Bestellmengen zu kämpfen. Derartige Entwicklungen konnte auch Markta-Gründerin Imre beobachten.

"Rein online ist es ein Verlustgeschäft", ohne weitere Standbeine würde man von den Markterschütterungen zu Boden gerissen werden. Neben dem klassischen Webshop wurde daher ein Abo-System für den wöchentlichen Einkauf eingeführt, auch das Geschäft mit Unternehmenskunden gewinnt zusehends an Bedeutung. Etwa 80 Firmen werden derzeit regelmäßig beliefert, ein Drittel des Unternehmensumsatzes damit erwirtschaftet. Das Kerngeschäft aber bleibt weiterhin der Verkauf an die Endkonsumenten.

Markta-Gründerin Theresa Imre vor der Filiale im 9. Wiener Gemeindebezirk.
Markta-Gründerin Theresa Imre will gängigen Konzepten im Lebensmittelhandel Paroli bieten– und setzt dabei auf kleinbäuerliche Betriebe und das Kaufargument der Regionalität.
Regine Hendrich

Neueröffnung inmitten von Filialschließungen

Doch auch hier wird experimentiert: Anfang Juli eröffnete Markta die erste Filiale – und das inmitten eines Umbruchs im Biolebensmittelhandel. Nach Jahren des Wachstums – laut Zahlen von Agrarmarkt Austria (AMA) konnten sich die Branchenumsätze innerhalb von acht Jahren mehr als verdoppeln – setzt die Teuerungswelle vielen größeren und kleineren Bioläden enorm zu. Biogreißler wie der Branchenpionier und Naturkostladen Evi mussten bereits Personal abbauen, größere Bioketten wie Denns sahen sich gezwungen, erste Filialen schließen. Eine davon lag an der Alser Straße im neunten Wiener Gemeindebezirk – nur wenige Meter weiter prangen nun fünf schwarze Buchstaben an einer leicht verwaschenen Hauswand: m-a-r-k-t-a.

Noch befindet sich die Filiale im Probebetrieb, das volle Sortiment ist planmäßig ab September verfügbar. Dass auf eine physische Niederlassung gesetzt wird, hängt aber nicht nur mit dem Einbruch des Onlinehandels zusammen, wie Imre erklärt. "Die Menschen möchten die Lebensmittel kosten, schmecken, darüber reden. Es ist letztlich auch ein Kommunikations- und Austauschpunkt." Ein Konzept also, auf das in vielen Bioläden gesetzt wird. Direkt vergleichbar mit diesen ist Markta aber nicht. Nicht alles in Webshop und Filiale ist "bio", im Fokus stehen die Kleinbetriebe selbst – letztlich ist es die Regionalität, die Markta von anderen abheben soll.

Rund 200 kleinbäuerliche Betriebe und Familienunternehmen beliefern den Bauernmarkt, die meisten davon produzieren in Österreich. Einzig Nahrungsmittel wie Zitronen oder Kaffee kommen aus Italien und Nicaragua – es gebe dazu eben keine Alternative, argumentiert Imre. Letztlich dürfe man den Begriff "Regionalität" nicht immer so engstirnig sehen, zeigt sie sich überzeugt. "So nah wie möglich, so fern wie nötig" lautet ihr Mantra. Was das konkret bedeutet? Alles, was frisch ist, werde – so gut es geht – im näheren Umkreis produziert.

Zulieferer müssen flexibel sein

So kommt etwa Gebäck vom Wachauer Traditionsbetrieb Schmidl, das Fleisch aus der steirischen Gemeinde Vorau, Gemüse liefert die familiengeführte Gärtnerei Ganger aus dem 22. Bezirk Wiens. Dass regional produziert wird, ist aber nicht nur ein Kaufanreiz, sondern hat auch praktische Gründe. "Wir haben kein Lager", erklärt Imre. "Du bestellst bei uns das Brot und das Gemüse, am nächsten Tag bekommen die Betriebe die Info, was sie liefern müssen, tags darauf wird es dann verschickt." Damit sich die Betriebe trotzdem eine gewisse Planbarkeit aufrechterhalten können, braucht es enge Abstimmungen. Im Vorhinein würden Minimal- und Maximalmengen vereinbart, zudem wird gemeinsam für das kommende Jahr geplant.

"Wenn wir merken, dass für ein Produkt die Nachfrage fehlt, geben wir das dem Betrieb weiter, damit er sich für das darauffolgende Jahr darauf einstellen kann." Wie stark Nachfrageschwankungen bei Markta die Zulieferer treffen, hängt letztlich aber auch von deren Abhängigkeit ab. Und die fällt ganz unterschiedlich aus. So machten Gärtnereien etwa einen wesentlichen Anteil ihrer Einnahmen über den Bauernmarkt; andere hingegen, wie etwa die Bäckerei Schmidl oder auch Mineralwasserhersteller Vöslauer, können auf eigene Vertriebssysteme zurückgreifen.

Auch die Preise kalkuliert Markta in enger Abstimmung mit den Produzenten. In Zeiten hoher Inflation ein enormer Vorteil, wie sich herausgestellt hat. Während die Lebensmittelpreise in den Supermärkten enorm anzogen, konnte Markta das Preisniveau weitgehend halten. Mittlerweile seien die Produkte gar günstiger als viele Bioartikel in den großen Supermärkten. Mit konventionellen Nahrungsmitteln ist aber weiter nicht mitzuhalten. Das ist aber auch nicht das Ziel. "In dem Wettkampf können wir eigentlich nur verlieren", ist sich auch Theresa Imre bewusst. (Nicolas Dworak, 2.8.2023)