Washington – Es ist die dritte Anklage gegen Donald Trump, die mit seiner politischen Tätigkeit in Verbindung steht – und vermutlich die bisher ernsteste. Erstmals geht es nun direkt um die Versuche des damals amtierenden US-Präsidenten, das Wahlergebnis vom November 2020 rechtswidrig zu drehen. Damals hatte er gegen seinen Herausforderer Joe Biden verloren, die Niederlage aber nicht eingestehen wollen. Bisher gibt es bereits zwei Anklagen wegen der mutmaßlichen Fälschung von Geschäftsunterlagen und der ausständigen Rückgabe geheimer Regierungsdokumente.

Die Anklageschrift gegen Donald Trump.
AP/Jon Elswick

Sonderermittler Jack Smith, der auch in der Dokumentencausa ermittelt, hat am Dienstagabend eine 45-seitige Anklageschrift aufgelegt, die Trumps mutmaßliche Taten detailliert schildert. Sie spart nicht mit heftigen Vorwürfen. Die vier Anklagepunkte gegen Trump lauten auf Verschwörung zum Betrug gegen die USA, Verschwörung gegen die Rechte von Bürgern und Verschwörung zur Behinderung eines Verfahrens. Zudem wird ihm die konkrete Verfahrensbehinderung vorgeworfen.

Anlass für die Einsetzung Smiths als Sonderermittler waren zwar die Geschehnisse vom 6. Jänner 2021. Allerdings sind die vier nun vorliegenden und penibel begründeten Anklagepunkte wesentlich breiter gefasst. Sie beziehen sich auf die gesamte Zeitspanne nach der Wahl vom 3. November 2020, die Trump verloren hatte. Die Klageschrift listet dabei auch sechs Mitverschwörer auf, die zwar nicht namentlich erwähnt sind, sich teils aber recht deutlich identifizieren lassen.

So ist etwa Mitverschwörer 1 "ein Anwalt, der wissentlich falsche Angaben zur Wahl 2020 verbreitete und Strategien verfolgte, die Trumps offizielle Vertretung nicht verfolgen wollte". Diese Person ist sehr offensichtlich der einstige New Yorker Bürgermeister und Trump-Vertraute Rudy Giuliani. Auch die Mitverschwörerin 3, "eine Anwältin ... von der der Angeklagte anderen Menschen sagte, sie klinge verrückt", ist unschwer als die Juristin Sidney Powell zu erkennen. Diese hatte in wirren Pressekonferenzen im Weißen Haus Verschwörungstheorien zur Wahl verbreitet.

Video: Ex-US-Präsident Donald Trump ist wegen der Erstürmung des Kapitols durch radikale Anhänger angeklagt worden.
AFP

Immer wieder wird auf die Aussagen von Zeugen verwiesen. Unter ihnen ist auch Ex-Vizepräsident Mike Pence, dessen Angaben ausführlich zitiert werden. Darüber hinaus werden SMS aus dem Mitarbeiterstab Trumps aufgeführt, in denen das Verhalten des damaligen Präsidenten als "verrückt" und als "illegal" bezeichnet wird.

Was aber genau wird Trump vorgeworfen, welche Strafen sind mit den Anklagepunkte verbunden, und wie wird argumentiert? Eine kurze Auflistung:

Wie werden diese Vorwürfe nun aber argumentiert? Die Anklageschrift führt aus, Trump und seine mutmaßlichen Mitverschwörer hätte Beamte und Regierungsvertreter in zahlreichen Bundesstaaten dazu gedrängt, rechtmäßig abgegebene und korrekt ausgezählte Stimmen zu ignorieren. Hintergrund ist unter anderem der Versuch, durch die Nominierung von "alternativen Wahlleuten" die offiziellen Ergebnisse zu ignorieren und stattdessen die Stimmen der jeweiligen Bundesstaaten Trump zukommen zu lassen. Derartige Versuche hatte es in insgesamt sieben potenziell wahlentscheidenden Bundesstaaten gegeben, die tatsächlich Biden gewonnen hatte. Genannt werden Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, New Mexico, Pennsylvania und Wisconsin.

Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, hat Trump laut der Anklageschrift dabei immer wieder auch Beamte und Regierungsmitglieder in diesen Bundesstaaten kontaktiert und sie zum Ignorieren der tatsächlichen Wahlergebnisse aufgefordert. Dabei soll der damalige Präsident falsche Behauptungen verbreitet haben. Die Anklageschrift versucht zu untermauern, dass Trump gewusst haben muss, dass die Angaben falsch waren – dass es sich dabei also um Lügen handelte: In acht Punkten wird aufgeführt, dass seine eigenen Anwälte, Parteikollegen, Regierungsmitarbeiter und Angestellte seiner Wahlkampagne ihm mehrfach detailliert erklärt hätten, wieso Anschuldigungen über angebliche Stimmabgabe von bereits Verstorbenen, hunderttauenden "Geisterwählern" und zehntausenden nicht stimmberechtigten Einwanderern, die dennoch ihre Stimme abgegeben hätten, falsch seien. Trump habe sie daraufhin dennoch weiterverbreitet.

US-Präsident Donald Trump habe das Chaos am 6. Jänner 2021 nützen wollen, um seinen Plan, das Wahlergebnis vom November 2020 zu kippen, in die Tat umzusetzen: So lautet der Vorwurf in der Anklageschrift.
REUTERS/LEAH MILLIS

Die Anklageschrift nimmt aber auch konkreter auf die Ereignisse des 6. Jänner Bezug. Trump wird dabei einerseits vorgeworfen, Vizepräsident Pence dazu gedrängt zu haben, die zeremonielle Bestätigung des Wahlergebnisses im Kongress zu behindern. Auch hier stellt die Anklage in den Raum, dass Trump gewusst haben muss, dass dies illegal wäre. Als Pence dies abgelehnt habe, habe Trump anschließend die vor dem Kapitol versammelten Demonstrierenden mit seiner Rede angestachelt. Und als der Mob schließlich das Kapitol stürmte, habe der Präsident über eine Stunde lang bewusst nicht reagiert und seine Anhänger nicht zum Rückzug aufgefordert. Der Vorwurf der Anklage lautet nun, Trump habe das Chaos ausnutzen wollen, um seinen Plan, die Wahl zu stehlen, doch noch umzusetzen.

Vorführung am Donnerstag

Sonderermittler Smith trat kurz nach Bekanntwerden der Anklageschrift vor die Medien. Er erklärte, dass er einen schnellen Prozess anstrebe. "In diesem Fall wird sich mein Büro um ein zügiges Verfahren bemühen, damit unsere Beweise vor Gericht geprüft und für richtig befunden werden können", sagte Smith nach der historischen Anklage. "Der Angriff auf die Hauptstadt unseres Landes am 6. Jänner 2021 war ein beispielloser Angriff auf den Sitz der amerikanischen Demokratie", betonte der Ankläger. Die Attacke sei auf die Lügen Trumps zurückzuführen. Ermittlungen gegen andere Personen in diesem Zusammenhang gingen weiter. Eine schnelle Anklage ist hingegen genau das, was Trump und seine Anhänger im kommenden Wahlkampf vermeiden wollen.

Trump soll nun am Donnerstag um 22 Uhr MEZ vor einem Gericht erscheinen und zur Anklage Stellung beziehen. Dabei werden ihm die Anklagepunkte vorgetragen, und der Ex-Präsident muss anschließend sagen, ob er sich schuldig oder nicht schuldig dazu bekennt.

Vergleich mit Nazi-Deutschland

Eine direkte Reaktion Trumps auf die Anklage gab es zunächst nicht. Allerdings hatte er bereits im Vorfeld auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social die Anklage angekündigt und von einer "Fake-Anklage gegen euren Lieblingspräsidenten" gesprochen. Sonderermittler Smith bezeichnete er als "verrückt". Aus Trumps laufender Wahlkampagne kamen unmittelbar nach Bekanntwerden des Dokumente harte Worte. Es handle sich um eine "unamerikanische ... Hexenjagd" mit dem Ziel, die Wahl 2024 zu manipulieren. Die "Rechtlosigkeit", mit der gegen Trump vorgegangen werde, erinnere "an Nazi-Deutschland", heißt es. Trump werde bei der kommenden Wahl dennoch siegen und die USA vor "Missbrauch, Inkompetenz und Korruption retten".

Aktuelle Umfragen legen nahe, dass diese Prognose zumindest derzeit nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Ob die neuen Ermittlungen und Anklagen Trump und seiner Kampagne Schaden zufügen werden, ist noch nicht zu ermessen. Auf Trumps Fähigkeit, zur Wahl anzutreten, haben die Anklagepunkte aber keinen Einfluss. Zwar verbieten es manche Bundesstaaten Gefängnisinsassen, ihre Stimme abzugeben – doch gewählt werden könnte Trump selbst dann noch, wenn er zum Zeitpunkt des Votums in einer Zelle sitzt. (Manuel Escher, 2.8.2023)