Zecken, Alongshan, Virus
Vor Zeckenbissen sollte man sich generell hüten – das sich immer weiter ausbreitende Alongshan-Virus stellt dabei jedoch nicht die größte Bedrohung dar.
Foto: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Zecken sind bekannt dafür, zahlreiche Erreger zu übertragen, die auch beim Menschen Krankheiten auslösen können. Während viele davon bereits lange bekannt sind (Borreliose) und ihr Ausbruch in einigen Fällen auch durch Impfungen verhindert werden kann (Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz: FSME), kommen nicht zuletzt dank der Klimaerwärmung immer mehr neue von Zecken ausgelöste Erkrankungen dazu.

Die Riesenzecken Hyalomma marginatum und Hyalomma rufipes beispielsweise, normalerweise in den Subtropen zu Hause, fühlen sich auch in unseren Breiten schon recht wohl. Sie können Fleckfieber oder das Krim-Kongo-hämorrhagische Fieber übertragen, beides Infektionen, die unbehandelt auch zum Tode führen können. Mediale Aufmerksamkeit erhielt zuletzt auch das Alpha-Gal-Syndrom (AGS), eine Allergie auf den Zucker Galactose-alpha.1,3-Galakose (Alpha-Gal). Die Allergie kann nach einem Stich durch eine Zecke entstehen, die sich vorher an einem Rind sattgetrunken und dabei das Antigen Alpha-Gal aufgenommen hatte.

Alongshan-Virus

Nun scheint sich eine weitere durch Zeckenstiche übertragbare Infektion in Europa auszubreiten: Das sogenannte Alongshan-Virus (ALSV) konnte mittlerweile auch in Deutschland festgestellt werden – eine erwartbare Entwicklung, denn das Virus wurde zuvor bereits in Ländern wie Frankreich, der Schweiz, Russland und Finnland nachgewiesen.

Der Erreger löst grippeähnliche Symptome wie Fieber und Kopfschmerzen aus und könnte daher zunächst auch mit einer FSME-Infektion verwechselt werden. Schwere Erkrankungen, die über Erkältungsbeschwerden hinausgehen, wurden allerdings mit einer ALSV-Infektion bisher nicht in Verbindung gebracht, berichtet das deutsche Centrum für Reisemedizin (CRM).

Häufiger als FSME-Viren

Als der Erreger erstmals in der Schweiz aufgetaucht war, warnten Fachleute vor Panik. Auch Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim in Stuttgart sah keinen Grund für eine erhöhte Alarmbereitschaft. "Da ist eine Kaskade von Fragen, die erst ganz klar untersucht werden müssen", erklärte die Parasitologin. Bei einer systematischen Untersuchung von Zecken, die in den Jahren 2021 und 2022 in der Schweiz gesammelt worden waren, fand sich ALSV sogar häufiger als das FSME-Virus.

Dies alles sind Hinweise darauf, dass das vermeintlich neue ALSV so neu in Wahrheit gar nicht ist, sondern bisher schlicht noch nicht wahrgenommen worden war. Für den Tropenmediziner Tomas Jelinek vom CRM sei davon auszugehen, dass das Virus tatsächlich mittlerweile auch schon epidemiologische Bedeutung hat. Daher dürfte das ALS-Virus wohl auch schon in Österreich angekommen sein, auch wenn dafür bislang noch der Nachweis fehlt.

Seit Jahren verbreitet

Zumindest in der Tierwelt Deutschlands war das Virus schon vor mehr als sechs Jahren präsent, wie Forschende der Tierärztlichen Hochschule (Tiho) Hannover in einer heuer veröffentlichten Studie nachgewiesen haben: Das Team entdeckte das ALS-Virus in Blutproben von Wildtieren aus der Jagdsaison 2017 bis 2019. ALSV-spezifische Antikörper wurden zudem bei weiteren Wild- und Haustieren gefunden.

Erstmals nachgewiesen wurde das Alongshan-Virus 2017 in der nordchinesischen Stadt Alongshan. Alonghshan-Viren zählen zu der ebenfalls noch nicht lange bekannten Gruppe der Jingmen-Viren. Diese behüllten, einzelsträngigen RNA-Viren sind mit den Flavi-Viren verwandt, zu denen auch die FSME-Viren gehören. (Thomas Bergmayr, 2.8.2023)