Johanna Mikl-Leitner
Lässt Gras über die schlechte Optik im Fall Grafenwörth wachsen: ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
APA/HANS KLAUS TECHT

Ungefähr eine Woche herrschte das Schweigen der Belämmerten. Dann besann sich die niederösterreichische Landeshauptfrau ihrer ophtalmologischen Talente und raffte sich im Kurier zu der Diagnose auf: Die Optik ist schlecht, ja, sogar sehr schlecht. Sie bezog sich damit auf die Tätigkeit des ruhend gestellten Präsidenten des Gemeindebundes und aktiven Bürgermeisters von Grafenwörth. So weit hätte es nicht kommen müssen, hätte sie genauer hingehört, als dieses Thema vor zwei Jahren schon einmal aufkam, die Akustik aber damals offenbar nicht ausreichte, in Mikl-Leitner eine Saite zum Klingen zu bringen.

Dem optischen Geständnis der Landeshauptfrau kommt im Hinblick auf den, der es ihr entlockte, besondere Bedeutung zu. "Unser Politik-Chef ist ein Tausendsassa: bestens vernetzt und informiert, stets auf der Pirsch nach neuen Geschichten", wurde er im Kurier vorgestellt. Nun ist eine Geschichte mit Mikl-Leitner nicht wirklich etwas Neues, so wie sie in die Öffentlichkeit drängt. Es begann mit ihren Normalitätskapriolen, die sie als politische Vordenkerin ihrer Partei ausweisen und gleichzeitig ihre peinliche Gefügigkeit gegenüber den politischen Wünschen ihres Koalitionspartners übertünchen sollen.

Von der Vordenkerin zur Oberlehrerin der Nation ist es dann nur ein kleiner Schritt. Sie rügte den Bundespräsidenten, vermisst seine Unabhängigkeit, was der Kurier in den Aufmacher goss: "Mikl-Leitner fordert Rüge des Präsidenten für Klimakleber". Überhaupt hat sie große Erwartungen – an andere. Das steht ihr nach dem letzten von ihr eingefahrenen Wahlergebnis auch zu. Von der Justizministerin erwartet sie endlich härtere Strafen gegen diese radikalen Chaoten, von Othmar Karas, sich gefälligst auf die europäische Ebene zu konzentrieren, statt dem Anti-EU-Populismus des Bundeskanzlers entgegenzutreten. Der kann von Glück reden, dass sie wenigstens ihm vertraut.

Ohne Deutsch keine Wohnbauförderung

Einen Tag später war der Tausendsassa vom Kurier schon wieder auf der Pirsch, und – welche Überraschung! – schon wieder im selben Revier. "Sprache ist natürlich der zentrale Schlüssel für die Integration", durfte Mikl-Leitner diesmal dozieren, als Begründung für die ausgerechnet von der schwarz-blauen Landesregierung Oberösterreichs abgeschaute Erfüllung eines freiheitlichen Wunsches: ohne Deutsch keine Wohnbauförderung. Das wird die Integration fördern.

Was die schlechte Optik im Fall Grafenwörth betrifft, gibt sich die Landeshauptfrau bescheidener und begnügt sich damit, einmal die diversen Prüfungsverfahren abzuwarten. Das kann sich lange hinziehen. Sie werden vielleicht die Frage beantworten, ob alles formalrechtlich abgelaufen ist. Für die Beurteilung der Frage, ob alles auch politisch korrekt gelaufen ist, müsste man nicht so lange warten, bis erneut Gras über die schlechte Optik gewachsen ist.

Dieses Hinauszögern hat sich Mikl-Leitner vielleicht von der Person ihres Vertrauens, dem Bundeskanzler, abgeschaut, der sich hartnäckig und mit wechselnden Begründungen weigert, Daten aus der PR-Abteilung im Bundeskanzleramt, betreffend die Phase Kurz, an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft herauszurücken. Anderswo würde man darin einen Skandal sehen, hier nur einen Fall von schlechter Optik, also normal. (Günter Traxler, 4.8.2023)