Bei einem Blick auf die derzeitigen Sparzinsen in Österreich könnte man meinen, die Europäische Zentralbank (EZB) hätte ihre Nullzinspolitik noch nicht aufgegeben. Das hat sie aber vor etwas mehr als einem Jahr, und seither hat sie im Rekordtempo die Zinsen nach oben getrieben, um der hohen Inflation Einhalt zu gebieten. Entsprechend schnell haben dies heimische Banken auch bei der Neuvergabe von Krediten umgesetzt und die Zinsen entsprechend hochgehievt. Allein, bei den Sparzinsen herrscht weiterhin großflächige Flaute, während die Gewinne der Institute enorm steigen.

Ballon mit traurigem Sparschwein
Bleiben die Sparzinsen niedrig, weint das Sparschwein.
Illustration: Standard/Karner, Köstinger, Zoidl; Foto: Getty

Ein Blick auf den im Internet verfügbaren Bankenrechner der Arbeiterkammer (AK) zeigt: 15 Angebote für täglich fällige Sparprodukte, darunter auch jene der Großbanken, bieten gerade einmal Zinsen von bis zu 0,1 Prozent. Freilich gibt es auch weniger unattraktive Offerten, meist aber von kleineren oder Direktbanken. Dennoch, in Österreich verwelken mehr als 200 Milliarden Euro hierzulande auf täglich fälligen Spareinlagen geradezu – denn die Kaufkraft des Ersparten verringert sich in Anbetracht der zuletzt siebenprozentigen Inflation derzeit rasend schnell. "Da wird richtig Geld verschenkt", meint AK-Konsumentenschützer Christian Prantner.

Wenig Druck von Kundschaft

Wieso bewegen sich die Sparzinsen nur so träge noch oben? Schließlich können die Kreditinstitute überschüssige Liquidität risikolos für eine Verzinsung von 3,75 Prozent bei der EZB parken. Dies würde doch genug Spielraum für attraktivere Zinsangebote für Sparende bieten – warum passiert dies nur in Ausnahmefällen? Sollte es nicht zwischen den Banken einen Wettbewerb um Kundeneinlagen geben?

Einen Grund sieht Hanno Lorenz bei den Sparenden. Der Ökonom bei der arbeitgebernahen Denkfabrik Agenda Austria sagt: Die meisten Menschen seien nicht bereit, sich auf die Suche nach einer attraktiven Verzinsung zu begeben, und ließen stattdessen das Geld bei der Hausbank liegen. "Wenn die Banken keinen Druck dazu verspüren, höhere Zinsen zu bieten, machen sie es auch nicht." Daher sind die Einlagenzinsen Lorenz zufolge zwar schon etwas gestiegen, aber längst nicht so stark wie in vergangenen Phasen von Zinserhöhungen durch die Notenbank.

Ähnlich sieht das Stefan Schiman-Vukan vom Wifo. Er verweist auf eine Analyse der Deutschen Bundesbank, wonach die täglich fälligen Einlagen für Unternehmen schneller nach oben angepasst wurden als für Haushalte. Warum? Weil Firmen stärker darauf achten würden, dass sie ihr Geld zu guten Konditionen parken können. "Es tut sich etwas, aber die Leute sind träge und lassen ihr Geld bei der Hausbank liegen", sagt der Wifo-Ökonom.

Zweifelhafte Zinsangebote

Leicht wird es der Kundschaft aber nicht gemacht, wie ein AK-Vergleich der täglich fälligen Einlagezinsen von Direktbanken zeigt. Deren Werben mit höheren Zinsen sei mit Vorsicht zu genießen. "Diese Angebote gelten nur für Neukunden – und auch das nur mit zeitlicher Beschränkung", sagt Konsumentenschützer Prantner. Es gebe bei diesen Offerten einige Stolpersteine, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich seien. Der Spitzenzinssatz bei der Direktbank Dadat von 2,6 Prozent sei nur für Neukunden und gelte nur für sechs Monate. Bestandskunden erhalten Prantner zufolge bloß 1,75 Prozent.

Etliche Tagesgeldangebote haben Grund-, Basis- beziehungsweise Mindestzinssätze, die bloß 0,01 Prozent betragen. "Das Kraut wird nur fett durch zugeschlagene Bonus-, Sonder- oder Premiumzinsen", erklärt Prantner. Diese als freiwillig bezeichneten Bonuszinsen würden teils aber nur in festgelegten Aktionszeiträumen gelten oder seien von der Bank einseitig änderbar. Ein Beispiel: So heißt es etwa auf der Website der Easybank, dass ab 31. Oktober für alle Einlagen der Grundzinssatz von 0,01 Prozent gilt. Zudem würden für manche Sparkonten auch Spesen fällig.

Mystery-Shopping und Onlinesparkonten

Nach einem Mystery-Shopping der AK in heimischen Filialbanken nimmt Prantner die Konsumierenden in Schutz: Die niedrigen Sparzinsen im Bestandsgeschäft seien weniger eine Sache des Aktiv-werden-Müssens der Kundschaft, "sondern die von uns gemachte Beobachtung, dass viele Zinsen auf täglich fälligen Spareinlagen fix sind", sagt er unter Verweis auf Beispiele wie das S-Komfort-Sparen der Erste Bank mit 0,02 Prozent Verzinsung oder das Sparkonto 24 h der Bank Austria mit 0,01 Prozent. "Das schon ist ein bisschen jämmerlich", sagt er über solche Zinsangebote.

Prantner vermutet, dass dies die Kundschaft meist nicht wisse, zumal die Angaben auf Produktblättern oder Websites in diesem Punkt unklar seien. "Wer will schon hinausposaunen, dass die Zinsen nahezu null, auch noch fix und damit einbetoniert sind?", fragt Prantner. Nachfragen nach höherer Verzinsung werde bei solchen Produkten verneint, allerdings ohne auf besser verzinste Produkte zu verweisen.

Wesentlich mehr bietet laut dem Bankenrechner die Linzer VKB mit ansehnlichen 3,19 Prozent für täglich fällige Einlagen beim Onlinesparkonto – allerdings nur in Kombination mit einem Girokonto und ab einer Sparsumme von 50.000 Euro. Darunter erfolgt die Verzinsung gestaffelt, beginnend mit 1,39 Prozent für die ersten 1000 Euro.

Mehr Verzinsung für Deutsche

Wifo-Experte Schiman-Vukan verweist darauf, dass mit gebundenen Einlagen mehr zu lukrieren sei, nämlich derzeit durchschnittlich 2,74 Prozent, wenn man das Geld auf ein Jahr anlegt. Daher erwartet er auch, dass künftig mehr Geld von täglich fälligen zu länger gebundenen, aber lukrativeren Produkten umgeschichtet wird. "Es tut sich etwas, aber die Leute sind träge", erklärt der Wifo-Ökonom, warum die Konsumierenden dies bisher nur sehr zögerlich getan haben.

Interessantes Detail: Die Kommunalkredit bietet auf kommunalkreditinvest.at 3,2 Prozent für Festgeld mit einjähriger Bindung, auf der deutschen Version der Website jedoch 4,0 Prozent. Wieso werden Einlagen aus Deutschland besser verzinst? Das Angebot richte sich "nach den Markt- und Rahmenbedingungen im jeweiligen Land, woraus sich unterschiedliche Konditionen ergeben können", heißt es auf Anfrage. Voraussetzung für eine Veranlagung sei ein ordentlicher Wohnsitz im jeweiligen Land.

Im ersten Halbjahr haben heimische Banken prächtig verdient – etwa bei der börsennotierten Bawag, die eine Dividendenerhöhung ankündigte, ist der Nettozinsertrag um 22 Prozent auf 600 Millionen Euro emporgeschnellt. Laut Oliver Picek, Chefökonom des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts, hat sich der Ukrainekrieg wegen der sprunghaft gestiegenen Inflation und Zinsen als "Glücksfall für Banken" erwiesen. Er spricht sich daher eine Übergewinnsteuer für Banken aus.

Unerwünschte Auswirkungen

Ökonom Lorenz von der Agenda Austria ist dagegen. Eine Branche nach der anderen mit zusätzlichen Steuern zu belegen sei schlecht für den Standort, mangelnde Rechtssicherheit schrecke von Investitionen ab – da man die Steuerkeule befürchten müsse, wenn es zu gut läuft. Vielmehr müsste die Aufsicht für funktionierenden Wettbewerb und der Staat für mehr Finanzbildung in der Bevölkerung sorgen, damit diese mehr auf lukrativere Anlageformen als Spareinlagen setze.

Allerdings räumt Lorenz unerwünschte Folgen negativer Realverzinsung ein. Aus der schleichenden Kaufkraftentwertung während der sechsjährigen Nullzinsphase ist wegen der Inflationswelle eine sprunghafte geworden, der reale Kapitalstock weiter Bevölkerungsteile schmilzt also dahin. "Das hat Auswirkungen auf unsere Zukunft", sagt Lorenz. "Wenn das Geld in der Gesellschaft weniger wird, leiden auch Wirtschaft und Unternehmen."

Allein, trotz steigender Zinsen und sinkender Teuerung – für 2024 erwartet das Wifo 3,8 Prozent – wird es noch dauern, bis mit Spareinlagen positive Realzinsen erzielt werden. Schließlich schöpft der Fiskus ein Viertel der Zinserträge stets als Kapitalertragssteuer ab. (Alexander Hahn, 5.8.2023)