Energie vergeht nicht. Zum Beispiel auch jene Energie, die in akustisch herausragende Corona-Widerstands-Demos gesteckt wurde. Sie hat sich nach Wegfall aller Maßnahmen, ja sogar noch nach Anbiederung an die Klientel nicht etwa im Sande verlaufen, sondern sich dankbar neue und immer neue Betätigungsfelder erschlossen. Nun kann man ausgiebig für die Liebe zum Vaterland marschieren (wobei der vaterländische Begriff flexibel einzusetzen ist für Österreich, Deutschland oder Russland, je nach Tageslaune).

Grünes Rad
Schuldige für das mehr oder weniger persönliche Dilemma müssen ausgemacht werden. Sicher die Juden, auch die Radfahrer.
APA/dpa/Julian Stratenschulte

Kampf gegen den Begriff

Alternativ dazu kann man auch für den Widerstand und gegen den Klimawandel kämpfen. Also nicht im Sinne von Handlungen, die den Klimawandel wenigstens sanft abbremsen sollen, sondern gegen den Begriff selbst sowie gegen wissenschaftliche Erkenntnisse und daraus resultierende Warnungen. Wissenschaft ist Hexerei, Hexerei gehört auf den Scheiterhaufen. Es gibt vieles zwischen Himmel und Erde, raunen sie, aber Corona und Klimawandel gehören offensichtlich nicht dazu.

Narzisstische Kränkung

Beide Angelegenheiten scheinen in jedem Fall aber eine massive narzisstische Kränkung auszulösen. Den glühenden Tagen der Hitzewellen folgen ja kühle Überflutungen, also ist alles nach wie vor paletti, vermutlich, bis es einem das eigene Haus unterm Hintern davonschwemmt. Dann sind sicher wieder die Juden schuld. Und in Abwandlung eines bekannten jüdischen Witzes in diesem Sinne auch: die Radfahrer. (Julya Rabinowich, 7.8.2023)